Das Versicherungsunternehmen von morgen holt sich für die Bearbeitung von Schadensfällen digitale Unterstützung in Form von intelligenten Algorithmen ins Haus. Doch noch funktioniert Künstliche Intelligenz nur in Teilbereichen. Das liegt oft auch an den unzureichenden und qualitativ mangelhaften Datenbeständen der Versicherer.
Kundenbezogene Daten waren schon immer das Brot-und-Butter-Geschäft der Versicherungsbranche. Die Informationen werden genutzt, um Tarife und Schadenmodelle zu berechnen und Schadenfälle abzuwickeln. Je nachdem, wie kompliziert das Tarifprodukt oder komplex der Schadenfall ist, kann die Bearbeitung durch den Sachbearbeiter sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Doch zunehmend setzen Versicherer bei der Abwicklung auf digitale Unterstützung: auf die Künstliche Intelligenz (KI).
KI bislang bei einfachen Prozessen involviert
Die lernfähigen Algorithmen, die die KI ausmachen, können Daten in Sekundenbruchteilen nach vorgeschriebenen Mustern verarbeiten und analysieren. Versicherer setzen sie bis dato ein, um einfache Prozesse zu übernehmen, beispielsweise die Bearbeitung von Anfragen wie Adressänderungen, Kontowechseln oder dem Anlegen von Kunden- und Schadensakten. So nutzt die Versicherung Zurich Insurance bereits in Teilbereichen KI, etwa bei der Regulierung von Kfz-Glasschäden. Rund 40.000 Schadensfälle werden auf diese Weise bereits jährlich übernommen, Tendenz steigend. Und die Ergebnisse sind vielversprechend: Prozesse, für die Berater im Schnitt 52 Minuten benötigen, schafft die eingesetzte KI in gerade mal fünf Sekunden.
Doch noch kann KI nicht in allen Bereichen eingesetzt werden. Das liegt oftmals daran, dass Versicherer meist historisch gewachsene Datenbestände in einer Vielzahl an verschiedenen IT-Systemen aufbewahren. Denn für ihre jeweiligen Versicherungsprodukte müssen unterschiedliche Informationen über den Kunden erfasst und verarbeitet werden. Darunter leidet jedoch die Qualität der Daten. Informationen zu Kunden und Vorgängen sind oft nicht auf dem aktuellen Stand: Aktualisiert der Mitarbeiter Daten eines Kunden für die Lebensversicherung, wie die Adresse, in einem System, muss der Kollege in der Sparte Wohngebäudeversicherung dies ebenfalls in seinem System vornehmen. Doch hierbei passieren in der Praxis häufig Fehler, seien es Tipp- oder Hörfehler, oder es wird versäumt, die Informationen in allen Systemen zu aktualisieren.
Hunderte Änderungen am Tag
Dies ist auch wenig verwunderlich, da Versicherungsgesellschaften über Millionen von Kundendatensätzen verfügen, die ständig angepasst werden müssen. Im Durchschnitt ziehen Menschen alle fünf bis sieben Jahre um, sodass sich rund 15 Prozent der Kundendaten allein dadurch jedes Jahr ändern. Bei einer Million Datensätzen bedeutet dies etwa 600 Änderungen pro Tag. Und dabei sind weitere Veränderungen wie die Familiensituation oder eine neue Telefonnummer noch gar nicht eingerechnet.
Wollen Versicherer KI also erfolgreich einsetzen, kommen sie um qualitativ hochwertige Datenbestände nicht herum. Denn für KI-Systeme sind korrekte, aktuelle und vollständige Kundendaten essenziell, da sie aus diesen Daten lernen. Sind die Daten falsch, sind es auch die versicherungsrelevanten Zukunftsprognosen, die eine KI trifft. Bevor Versicherer also auf die Unterstützung intelligenter Algorithmen setzen, sollten sie der KI saubere Kundenstammdaten sowie Informationen beispielsweise zu Kunden-Nutzungsverhalten, ihrer Demographie, Charakteristiken und einen Verlauf bisheriger Interaktionen in einem einheitlichen Kundenprofil zur Verfügung stellen.
Denn je umfassender und genauer die Kundenangaben sind, mit denen das jeweilige KI-System arbeiten kann, desto fehlerfreier kann es Schadenfälle bearbeiten und desto besser werden versicherungsrelevante Prognosen des Systems. Werden diese Aspekte nicht oder nur unzureichend berücksichtigt, sind Analysen und Prozesse "auf Sand gebaut".
Autor(en): Oliver Wick