Eine Versicherungsmaklerin verklagte ihren Gesellschafter, weil der sich nicht an den Gesellschaftsvertrag gehalten hatte. Der wehrte sich und verwies auf ein gesetzliches Verbot.
In dem vom Landgericht Berlin (Urteil vom 17. Februar 2023, Az. 5 O 57/22, VersR 15/2025, 980-982) entschiedenen Fall ging es im Kern um einen Verstoß gegen einen exklusiven Maklervertrag.
Gesellschafter mit Gewinnbeteiligung
Geklagt hatte eine Versicherungsmaklerin, die 1990 von 41 ostdeutschen Wohnungsunternehmen gegründet wurde und aktuell die Wohnungsbestände von mehr als 170 Wohnungsunternehmen betreut. Zudem hat sie über 100 Gesellschafter. Die Gesellschafter erhalten eine Gewinnbeteiligung aus der Tätigkeit der Maklerin.
Verklagt wurde einer dieser Gesellschafter. Denn der hatte 2021 einem anderen Unternehmen ein „Mandat“ erteilt, seine Gebäudeversicherungsverträge zu platzieren. Es wird im Urteil nicht näher erläutert, aber vermutlich handelte es sich dabei ebenfalls um einen Makler. Zudem kündigte das beklagte Wohnungsunternehmen seine bestehenden Versicherungen zum 31.Dezember 2023.
Verstoß gegen den Gesellschaftsvertrag
Das allerdings war ein Verstoß gegen den Gesellschaftsvertrag der klagenden Maklerin. Denn nach diesem Vertrag sollte diese Maklerin exklusiv die Versicherungsverträge aller Gesellschafter vermitteln, wenn auch unter Beibehaltung eines Rechts auf Festlegung durch den einzelnen Gesellschafter, an welchen Versicherer die Verträge gehen sollten.
Die Maklerin hatte vermutlich durch die Kündigung der Bestandsverträge Kenntnis erhalten und jedenfalls seinen Gesellschafter Anfang Oktober 2021 darauf angesprochen. Da soll das beklagte Wohnungsunternehmen angegeben haben, sich nicht darüber bewusst gewesen zu sein, dass der Gesellschaftsvertrag ein exklusives Vermittlungsrecht umfasste. Es reagierte darauf aber auch nicht und zog den Maklerauftrag an den externen Makler nicht zurück, sondern ließ eine Neueindeckung seiner Versicherungen zu.
Verlorene Bruttoprämie als Vertragsstrafe
Daraufhin machte die klagende Maklerin eine Vertragsstrafe in Höhe der verlorenen Bruttoprämieneinnahme von 27.702,95 Euro geltend. Dem kam der Gesellschafter jedoch nicht nach, weil er laut einer E-Mail vom Januar 2022 glaubte, keinen Pflichtenverstoß begangen zu haben.
Das Landgericht Berlin gab der Klägerin recht und verurteilte seinen Gesellschafter zur Zahlung der Vertragsstrafe. Das Gericht stellte fest, dass der Klägerin durch das vertragswidrige Verhalten seines Gesellschafters ein Schaden in Höhe der Provisionen entstanden ist, die aus den umgedeckten Versicherungsverträgen fällig gewesen wären. Außerdem leide die Verhandlungsmacht der Versicherungsmaklerin gegenüber Versicherungsunternehmen darunter, wenn das Platzierungsvolumen sinkt. Das sei als direkter Schaden der Maklerin anzusehen, unabhängig von der Tatsache, dass dies erst in zweiter Linie über die Gewinnbeteiligungen zum Schaden der Gesellschafter werden kann.
Ist die Gewinnbeteiligung eine verbotene Provisionsabgabe?
Das Gericht ließ zudem die Verteidigungsstrategie scheitern, die an den erwähnten Gewinnbeteiligungen anknüpfte. Nach Ansicht der Beklagten könnte es sich dabei um Provisionsabgaben handeln, und die sind gesetzlich nach § 48b Abs. 1 VAG verboten. Das Gericht sah aber in den Gewinnbeteiligungen keine Provisionsabgaben, weil sie „nicht an Dritte ausbezahlt werden“. Der Gesetzeswortlaut drückt das etwas anders aus und untersagt, „Versicherungsnehmern, versicherten Personen oder Bezugsberechtigten aus einem Versicherungsvertrag Sondervergütungen zu gewähren oder zu versprechen. Dieses Verbot gilt auch für die Angestellten von Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittlern. Eine entgegenstehende vertragliche Vereinbarung ist unwirksam.“
Allerdings sind alle Gesellschafter der Versicherungsmaklern auch Versicherungsnehmer. Das war ja gerade der Sinn der Gesellschaftskonstruktion. Und bei einer Gewinnbeteiligung dürfte wohl nicht unterschieden werden, ob der Gewinn aus eigenen Versicherungsverträgen oder aus denen der anderen Gesellschafter entstanden sind. Insofern dürfte in der Praxis nicht zu verhindern sein, dass ein Wohnungsunternehmen als Gesellschafter der Versicherungsmaklerin an den Provisionserlösen aus seinen eigenen Versicherungsverträgen beteiligt wird, wenn es zu einer Gewinnbeteiligung kommt.
Doch auch dieses Problem hätte möglicherweise gelöst werden können, und zwar mit Verweis auf § 48b Abs. 3 VAG. Dort heißt es: „Nicht als Sondervergütung gilt die Gewährung von Provisionen an Versicherungsnehmer, die gleichzeitig Vermittler des betreffenden Versicherungsunternehmens sind, es sei denn, das Vermittlerverhältnis wurde nur begründet, um diesen derartige Zuwendungen für eigene Versicherungen zukommen zu lassen.“ Das Landgericht Berlin stellt allerdings keine solchen Erörterungen an, ob in diesem Fall Provisionen auf dem Umweg der Gewinnbeteiligung an Versicherungsnehmer fließen, deren Beteiligungsfirma Versicherungsmaklerin jedoch nicht ausschließlich deshalb gegründet wurde, um an die Provisionen heranzukommen.
Kein Fehlanreiz erkennbar
Das Landgericht Berlin beschäftigt sich stattdessen noch mit einem Sachargument, das offenbar aus der Gesetzesbegründung zum IDD-Umsetzungsgesetz von 2017 abgeleitet wurde, mit dem unter anderem der § 48b VAG geschaffen wurde. Als Begründung für das Provisionsabgabeverbot war damals genannt worden, dass Provisionsabgaben Fehlanreize sein könnten, durch die Kunden falsche Versicherungsentscheidungen treffen. In diesem Geist argumentiert das Landgericht Berlin und stellt fest, es sei nicht zu erkennen, dass die Gewinnbeteiligungen der Versicherungsmaklerin Fehlanreize darstellten und „sich insbesondere in einem Mangel bei der Beratung niederschlagen“.
Schließlich setzt sich das Gericht mit der Frage auseinander, warum die Vertragsstrafe in Höhe der Bruttoversicherungsprämie und nicht naheliegender in Höhe der entgangenen Provision verlangt wird. Dazu stellt das Gericht fest, dass es möglich ist, in einem Gesellschaftsvertrag Vertragsstrafen festzusetzen, die nicht allein dem Ersatz eines bezifferbaren Schadens dienen, sondern auch das Fehlverhalten der Vertragspartei sanktionieren soll. Zudem sei die Vertragsstrafe nicht unverhältnismäßig hoch, weil zwar die entgangene Provision nur 4.700 Euro ausgemacht haben soll, diese aber jedes Jahr erneut geflossen wäre.
Das bedeute, „dass die Vertragsstrafe vorliegend rund viermal so hoch liegt wie die in Fortfall geratenen Bestandsprovisionen“. Ob sich das Gericht dabei verrechnet hat, weil die Forderung von rund 27.700 Euro mehr als sechsmal so hoch ist wie die angegebene Bestandsprovision 4.300 Euro, bleibt offen.
Autor(en): Matthias Beenken