In der Flut der Urteile zur Betriebsschließungsversicherung wegen der Corona-Pandemie ist eines interessant, das sich mit den Beratungspflichten beschäftigt.
Das Oberlandesgericht Köln (Beschluss vom 3.3.2022, Aktenzeichen 9 U 184/21, VersR 19/2022, 1227-1228) hat den Anspruch eines Kunden auf Schadenersatz wegen der Verletzung der Beratungspflichten eines Betriebsschließungs-Versicherers abgelehnt.
Bad geschlossen, kein Geld
Der Kläger war als Betreiber eines „freizeitorientierten Thermalbads mit angeschlossener Saunaanlage“ von den coronabedingten Betriebsschließungen betroffen. Die Versicherung hatte offensichtlich wie in den meisten vergleichbaren Fällen keine Leistung erbracht. Nun machte der Kläger stattdessen einen Beratungsfehler geltend. Der Versicherer habe versäumt, ihn darauf hinzuweisen, dass sein Versicherungsschutz nicht „umfassend bei allen Krankheiten und Krankheitserregern Versicherungsschutz biete“, so die Begründung des Beschlusses.
In der Vorinstanz beim Landgericht war der Kläger bereits gescheitert. Das OLG Köln sah als Berufungsinstanz keine Aussicht auf Erfolg.
Keine unangemessene Benachteiligung
In der Betriebsschließungsversicherung war offenbar der übliche Katalog der Krankheiten und Krankheitserreger nach einem älteren Stand des Infektionsschutzgesetzes enthalten. Darin waren weder die Krankheit Covid-19 noch der Erreger Sars-Cov-2 genannt.
Das Leistungsversprechen war nach Ansicht der Vorinstanz „wirksam“. Es sei auch nicht mehrdeutig oder überraschend beschrieben gewesen und stelle keine unangemessen Benachteiligung des Kunden dar.
Muss Versicherer Lücken aufspüren?
Geprüft wurde weiter, ob der Versicherer nach § 6 Absatz 4 VVG verpflichtet gewesen war, den Kunden auf Lücken im Versicherungsschutz hinzuweisen und ihn zu beraten. Die Verletzung dieser Pflicht würde einen Schadenersatzanspruch gemäß § 6 Absatz 5 VVG nach sich ziehen.
Allerdings entsteht diese Beratungspflicht während der Vertragslaufzeit nur, wenn für den Versicherer ein entsprechender Anlass erkennbar wird. Das kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn dem Versicherer im Kontakt mit dem Kunden klar wird, dass der sich über den Versicherungsumfang im Unklaren ist. Das Gleiche gilt, wenn dem Versicherer eine Deckungslücke auffällt.
Aufkommen neuer Krankheiten allein kein Anlass
Dagegen muss der Versicherer nicht von sich aus und ohne besonderen Anlass darauf hinweisen, dass der Versicherungsschutz gemäß den zugrundeliegenden Bedingungen begrenzt ist. Es gab nach Meinung des Gerichts keinen Grund, den Kunden aufzuklären, dass die aus dem Infektionsschutzgesetz mit Stand 2013 stammenden Kataloge keine unbekannten, neuen Krankheiten und Krankheitserreger enthalten.
Zwar verkennt das Gericht nicht, dass es „wenige“ nach 2013 neu hinzugekommene Krankheiten gab. Aber selbst das löst noch keine Hinweis- und Aufklärungspflicht aus, wenn es für den Versicherer nicht erkennbar ist, dass genau diese Krankheiten für den Kunden von einer besonderen Bedeutung sind. Zudem wird dem geschäftserfahrenen Kunden Verantwortung zugewiesen, selbst den Versicherungsumfang zu prüfen. Die Betriebsschließungsversicherung sei „nicht derart komplex“, dass eine Prüfung für den Kunden nicht zumutbar sei.
Weiter lehnt das Gericht den Gedanken ab, dass ein Versicherer quasi prophylaktisch vor etwas warnen muss, was zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, hier bereits im Jahr 2007, völlig undenkbar war. „Selbst wenige Tage vor dem 15.3.2020“ habe niemand mit einer flächendeckenden Schließung ganzer Branchen gerechnet.
Kein konkretes Gegenangebot benannt
Allerdings weist das Gericht weiter darauf hin, dass es selbst unabhängig von der Frage, ob ein Versicherer mehr als der Rest der Welt hätte wissen und in der Beratung ansprechen müssen, schon an einem kausalen Zusammenhang zwischen der vermeintlichen Verletzung der Beratungspflicht und dem behaupteten Schaden fehlt. Denn zur Argumentation des Klägers hatte gehört, er hätte sich bei einer Aufklärung durch seinen Versicherer über das Fehlen von Sars Cov-2 in der Versicherung einen anderen Versicherungsschutz am Markt besorgt. Er konnte jedoch offensichtlich kein konkretes Angebot benennen, dass es zu diesem Zeitpunkt am Markt gegeben hat.
Gemeint war wohl eine Police mit dynamischer Verweisung auf den jeweils aktuellen Stand des Infektionsschutzgesetzes. Aber nicht einmal eine solche Police hätte diesem Kunden genutzt. Denn das Gericht stellt weiter fest, dass Sars Cov-2 erst zum 23. Mai 2020 ins Infektionsschutzgesetz aufgenommen worden ist. Dass die Meldepflicht bereits ab 1. Februar 2020 per Verordnung auf diesen neuen Erreger ausgedehnt wurde, sei in diesem Zusammenhang nicht von Belang.
Die Folgen für Vermittler
Dieses Urteil zeigt, dass ein Vorgehen gegen Betriebsschließungsversicherer wegen eines Beratungsfehlers eher wenig Aussicht auf Erfolg hat. Nicht anders hätte der Fall wahrscheinlich gelegen, wenn ein Versicherungsvertreter auf Schadenersatz wegen unterlassener, erneuter Beratung in Anspruch genommen worden wäre.
Versicherungsmakler haben dagegen weitergehende Pflichten und können sich nicht auf eine enge Auslegung des Anlassvorbehalts bei der Beratungspflicht berufen. Umso wichtiger ist es für sie, dass das OLG Köln die Vorhersehbarkeit der Corona-Pandemie und der bundesweiten Betriebsschließung ganzer Branchen mit der Folge einer Beratungspflicht in Abrede stellt. Ebenso wichtig ist der Hinweis des Gerichts auf die Aufnahme des Erregers erst im Mai 2020 in das Infektionsschutzgesetz, womit die vertraglich meist auf 30 Tage, manchmal auch auf 60 Tage begrenzten Haftungszeiträume für eine Betriebsschließung, gerechnet ab dem Lockdown, bereits abgelaufen waren.
Autor(en): Matthias Beenken