Kein zusätzliches Vermittlersterben, aber Gewinneinbußen

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Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e.V. (BVK) zieht aus einer Folgebefragung das Fazit, dass die Corona-Pandemie nicht zu einem zusätzlichen Vermittlersterben führt. Tatsächlich aber sind viele Folgen noch nicht absehbar.

Insgesamt 943 Versicherungsvermittler wurden im August vom BVK befragt, davon knapp zehn Prozent Makler und Mehrfachvertreter – die große Mehrheit aus dem Vertriebsweg Ausschließlichkeit. Mit 54 Jahren, bei den Maklern und Mehrfachvertretern sogar 57 Jahren, liegt das Durchschnittsalter der Teilnehmer recht hoch. Die Betriebe weisen durchschnittlich 215.000 Euro Umsatz und 99.000 Euro Gewinn auf.

Sechs von zehn verdienen weniger Abschlussprovision

Gegenüber einer ersten Trendumfrage vom April dürften mittlerweile fundiertere Einschätzungen möglich sein. 62 Prozent der Befragten haben nach jetzigem Stand Umsatzeinbußen aus Abschlussvergütungen erlitten, 14 Prozent halten dies noch nicht für absehbar. Die verbleibenden 23 Prozent geben an, keine Umsatzrückgänge erlitten zu haben. Bei Bestandsvergütungen sieht es deutlich besser aus. Hier berichten nur 32 Prozent über eingetretene Verluste, 25 Prozent können dies noch nicht absehen und 44 Prozent sind sicher, bisher hier keine Rückgänge erlitten zu haben.

Bezogen auf den gesamten Umsatz 2020 erwarten derzeit gerundet 63 Prozent geringere, 23 Prozent gleichbleibende sowie 15 Prozent steigende Umsätze. Wenn Verluste erwartet werden, dann liegen diese bei rund 20 Prozent weniger Einnahmen. Der kleinere Anteil Vermittler, die von steigenden Umsätzen ausgehen, rechnen im Schnitt mit 13 Prozent mehr in der Kasse.

Storno von Lebensversicherungen nimmt zu

52 Prozent haben bereits Vertragsstornierungen wegen Corona verzeichnet. Weitere 14 Prozent geben an, dass es unklar ist, ob Stornierungen wegen Corona oder aus anderen Gründen vorgekommen sind. Am stärksten betroffen ist die Lebensversicherung, hier haben 46 Prozent der Vermittler Stornierungen erlebt, gefolgt von 35 Prozent im Bereich Kompositversicherung (ohne Kfz) und 21 Prozent bei betrieblicher Altersvorsorge. Geringer betroffen sind dagegen die Kfz- und die Krankenversicherung.

Allerdings gibt es auch 17 Prozent Vermittler, die Bestandszuwächse verbuchen, vorwiegend im Bereich Komposit (ohne Kfz). Auch anekdotisch ist aus dem Markt zu hören, dass viele Vermittler die Zeit der Kontaktbeschränkungen genutzt haben, liegengebliebene Um- und Eindeckungen vorzunehmen, die in Komposit einfacher durchzuführen sind als in den Personenversicherungen.

Bonis sind nicht einmal bei Maklern ausgestorben

Für knapp 64 Prozent ist jetzt schon klar, dass sie Einbußen auch bei Bonifikationen für Geschäftsplanerfüllungen hinnehmen müssen. Diese Fragestellung ist eine der wenigen mit einem signifikanten Unterschied zwischen Ausschließlichkeit und Makler-/Mehrfachvertretervertrieb. Die Einbußen geben 69 Prozent der Ausschließlichkeits-, aber nur 17 Prozent der freien Vermittler an. Letztere sagen zu 56 Prozent, diese Vergütungsform sei nicht relevant – alles andere wäre in Zeiten von IDD-Vorgaben für die Vergütung (§ 48a VAG) unverständlich. Ganz vollständig scheinen solche die Unabhängigkeit freier Vermittler gefährdender, Interessenkonflikt-trächtigen Vereinbarungen allerdings immer noch nicht ausgestorben zu sein.

Für knapp ein Drittel der Befragten ist zudem bereits klar, dass Corona die private Altersvorsorge der Vermittler beeinträchtigt. Auch wenn mit zwei Prozent fast niemand der Befragten wegen Corona eine Betriebsaufgabe plant, ist es für eine Entwarnung zu früh. Denn viele Branchenbeobachter erwarten, dass die langen „Bremsspuren“ der Pandemie erst noch sichtbar werden. So blicken Vermittler wie Versicherer mit einiger Sorge auf die nächste Hauptfälligkeit, wenn Kündigungen von Versicherungsverträgen möglich werden.

Schwache Vertriebsergebnisse eines Jahres bestimmen Vergütungsniveaus von Folgejahren

Im Gewerbegeschäft könnte die derzeit künstlich verzögerte Insolvenzwelle durchschlagen und Risikofortfälle sprunghaft ansteigen lassen. Die in der Ausschließlichkeit verbreiteten Geschäftsplanvergütungen enthalten ebenfalls Potenzial für Langfristwirkung, weil die schwachen Vertriebsergebnisse eines Jahres wie 2020 oft auch die Vergütungsniveaus von Folgejahren bestimmen.

Viele noch nicht offen für Videoberatung

Es ist aber auch nicht alles schlecht: Versicherungsvermittler haben seltener als wohl manche andere Branche Corona-Soforthilfen in Anspruch genommen, nach eigenen Angaben hatten 26 Prozent der Betriebe diese beantragt und 24 Prozent sie auch erhalten. Ebenfalls 24 Prozent haben Mitarbeiter während der Kontaktbeschränkungen in die Kurzarbeit geschickt, 18 Prozent allerdings sie auch bereits zurückgeholt. Anders als bei den Versicherern haben nur 43 Prozent der Betriebe vermehrt Homeoffice-Tätigkeit in Anspruch genommen. Sogar nur 27 Prozent planen selbst beziehungsweise ihre Mitarbeiter künftig flexibler auch von zuhause arbeiten zu lassen. Makler und Mehrfachvertreter zeigen sich hier offener als die Ausschließlichkeitsvertreter (39 zu 25 Prozent).

Die Kontaktbeschränkungen der Pandemie gehen vor allem zulasten persönlicher Kundenkontakte, 90 Prozent haben Rückgänge oder sogar den kompletten Fortfall erlebt. 52 Prozent geben an, dafür mehr telefonischen Kundenkontakt zu haben, ganze 24 Prozent auch mehr Videoberatung. Letzteres wird von 54 Prozent als „nicht relevant“ eingeordnet, offenbar fehlt es immer noch in vielen Betrieben an der Bereitschaft, sich für neue Wege zu öffnen. Onlineverkäufe haben bei 30 Prozent der Betrieb zugenommen, 39 Prozent bezeichnen diesen Weg als nicht relevant. Die Vertriebswege weisen hier ein durchaus ähnliches Antwortverhalten auf.

Fast jeder Zehnte könnte 2020 Verlust ausweisen müssen

Eine Simulation der Gewinnwirkung der Corona-bedingten Einnahmeausfälle zeigt, dass die Pandemie mit einem Einbruch der Gewinne der Befragten um 24 Prozent auf rund 75.000 Euro einhergehen kann. Die Makler/Mehrfachvertreter in dieser Stichprobe wird es zwar prozentual gleich, aber in Zahlen doch härter treffen, denn ihre Gewinne sind 2019 bereits geringer ausgefallen als in der Ausschließlichkeit, 84.000 Euro stehen 101.000 Euro gegenüber. Unbeachtet der vereinzelt erwarteten Umsatzsteigerungen und eventueller Kostensenkungsstrategien könnten die Gewinne rein rechnerisch wegen Corona auf 64.000 Euro bei den befragten Maklern/Mehrfachvertretern und 77.000 Euro bei den Ausschließlichkeitsvertretern fallen.

Entscheidender als die Mittelwerte sind allerdings die Verteilungen. Hat in dieser Stichprobe 2019 noch nahezu niemand (0,4 Prozent) statt Gewinn einen Verlust zur verzeichnen gehabt, trifft dies nach Abzug der Corona-Verluste auf neun Prozent der Betriebe zu. Der Anteil derjenige Vermittler, die insgesamt weniger als 40.000 Euro Jahresgewinn verzeichnen, steigt von 18 auf 38 Prozent.

Strukturwandel dürfte sich damit einmal mehr beschleunigen

Der Strukturwandel in der Vermittlerbranche dürfte sich damit einmal mehr beschleunigen. Noch mehr Betriebe werden unrentabel und müssen entweder neue, effizientere Methoden im Verkauf und in der Bestandsbetreuung etablieren oder auf längere Sicht den Markt verlassen.

Autor(en): Matthias Beenken

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