Kein generelles Provisionsverbot - Positionen dazu

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Die EU-Kommission legte am 24. Mai ihren offiziellen Entwurf zur sogenannten Kleinanlegerstrategie (Retail Investment Strategy – RIS) vor. Zwei Stellungsnahmen aus der Branche.

Der Kommissionsentwurf sieht lediglich ein Vergütungsverbot für beratungsfreie Tätigkeiten vor, also wenn nur Kundenaufträge ausgeführt werden („execution only“). Im Bereich der Maklervergütung fordert der BVK, dass Makler gegen Courtage Versicherungsanlage-produkte weiterhin vermitteln dürfen.

Gedanke „value for money“ ist in einigen Regelungen zu finden

Strengere Regelungen für den Bereich „Interessenkonflikte“ sowie eine stärkere Aufsicht bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten sind ebenfalls festgeschrieben. Darüber hinaus nimmt der Kommissionsentwurf neue Regelungen zu vorvertraglichen Informationen sowie zu Aus- und Weiterbildungsfragen auf, also für alle sogenannten Versicherungsanlageprodukte. Auch findet sich der Gedanke „value for money“ in einigen Regelungen wieder. Ebenso sollen die europäischen Aufsichtsbehörden EIOPA und ESMA stärkere Aufsichtsbefugnisse erhalten.

Verbände wie der Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) freuen sich über die für positive Entwicklung für ihre Mitglieder und die gesamte Vermittlerschaft. Der BVK sieht seine Arbeit aber keineswegs beendet. „Wir begrüßen es sehr, dass darin kein generelles Provisionsverbot vorgesehen ist“, sagt der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK), Michael H. Heinz. „Das ist nicht zuletzt auf unsere intensive Interessenvertretung bei der EU und auf nationaler Ebene zurückzuführen - zuletzt nach Bekanntwerden des Vorentwurfs mit unseren Forderungen an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und an Bundesfinanzminister Christian Lindner.“ 

BVK will sich weiter einbringen und Gesetzgebungsverfahren intensiv begleiten

Heinz betont aber auch, dass man bei dem positiven Trend aber bedenken solle, dass die EU nicht übers Ziel hinausschießen solle. Heinz wörtlich: „Denn wir halten es für unangemessen, strengere Regulierungen für alle Mitgliedstaaten vorzunehmen, obwohl nur bei einigen wenigen EU-Ländern Probleme aufgetaucht sind. Vielmehr wäre es im Hinblick auf die Kosten und die Rechtssicherheit für alle Marktteilnehmer besser gewesen, die bereits bestehenden Regelwerke nachzuschärfen, anstatt neue Aufsichtsinstrumente implementieren zu wollen. Wie auch immer: Der BVK wird sich in die weitere Diskussion einbringen und das anschließende Gesetzgebungsverfahren intensiv begleiten.“

Der Kommissionsentwurf wird in der Folgezeit zwischen der EU-Kommission, dem EU-Parlament sowie dem Ministerrat abgestimmt (sog. Trilog). Nach Einschätzung des BVK wird dies einige Monate in Anspruch nehmen.

Bei einigen Punkten weiterhin großer Interpretationsspielraum

Auch die internationale Wirtschaftskanzlei Simmons & Simmons kommentiert die Entscheidung aus Brüssel. „Sowohl auf Anlegerinnen und Anleger als auch auf die Finanz- und Versicherungsbranche kommen erneut einige wesentliche Veränderungen zu. Gleichzeitig bleibt bei einigen Punkten weiterhin ein großer Interpretationsspielraum, der zu Rechtsunsicherheit bei Finanz- und Versicherungsunternehmen führen könnte und weiterer Spezifizierung bedarf“, sagt Jochen Kindermann, Partner und Spezialist für Bank- und Kapitalmarktrecht bei der Kanzlei Simmons & Simmons.

Auch wenn ein generelles Provisionsverbot für die Vermittlung von Finanz- und Versicherungsprodukten nicht in die EU-Richtlinie integriert wurde, sieht Kindermann die Finanz- und Versicherungsbranche in der Pflicht, sich zu wappnen. „Die EU-Kommission hat klargemacht, dass die im Vorfeld durchgeführte Konsultation durchaus Argumente für ein generelles Provisionsverbot geliefert hat. Drei Jahre nach Inkrafttreten der neuen Regeln will die Kommission prüfen, ob die gewünschten Verbesserungen eingetreten sind. Sollte es weiter aus ihrer Sicht verbraucherschädliche Praktiken geben, könnte ein generelles Provisionsverbot also spätestens in drei Jahren auf den Weg gebracht werden”, erklärt der Branchenkenner.

Vielfältige Konsequenzen vermutet

Kindermann rät Unternehmen der Finanzbranche, das Thema anzugehen und sich frühzeitig Gedanken über ein generelles Provisionsverbot zu machen. „Die Konsequenz wird vielfältig sein. Es geht einerseits darum, für sich zu definieren, wie Beratung künftig ausgestaltet wird und welchen Stellenwert unabhängige Beratung haben soll. Andererseits werden sich auch diverse Dokumentationsprozesse ändern müssen”, erklärt Kindermann.

Weiterer Bestandteil der EU-Kleinanlegerstrategie ist eine Verschärfung der Transparenzpflichten und Verhaltensregeln für Anlageberater. Der neue „Best-Interest“-Test für Finanzberater sieht vor, dass sie eine breitere Produktpalette heranziehen und das kostengünstigste Produkt empfehlen müssen. Diese Entwicklung wurde oben bereits angedeutet. Um Produkte vergleichbar zu machen, sollen die EU-Finanzaufsicht ESMA und die Versicherungsaufsicht EIOPA Benchmarks entwickeln, anhand derer nachgewiesen werden kann, dass die Kosten eines Produkts gerechtfertigt und verhältnismäßig sind.

Richtlinie sieht Entschädigung der Anleger für unangemessene Kosten vor

„Eine Abweichung von diesen Maßstäben bedeutet, dass das Produkt kein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis hat. Die Folge wäre ein faktisches Verkaufsverbot, denn Vermögensverwalter, Versicherer und Banken sollen nur noch dann Fonds und andere Anlageprodukte in der EU verkaufen dürfen, wenn sie nachweislich ein gutes beziehungsweise angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis bieten”, erklärt Jochen Kindermann. Sollte es dazu kommen, dass dem Anleger unangemessene Kosten in Rechnung gestellt werden, sieht die Richtlinie eine Entschädigung der Anleger für unangemessene Kosten vor.

Quellen: BVK, Simmons & Simmons

Autor(en): versicherungsmagazin.de

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