Die Altersvorsorge in Deutschland gleicht zunehmend einer Großbaustelle. Im Kontext des demografischen Wandels und des Niedrigzinsumfeldes fällt es vielen Deutschen immer schwerer, eine geeignete Altersvorsorge zu finden. Christian Jasperneite, Chief Investment Officer von M.M.Warburg & CO, erläutert, wie Deutsche seines Erachtens am besten für den Ruhestand vorsorgen können.
Dass die gesetzliche Rente nicht ausreicht, um den Lebensstandard im Ruhestand zu halten, ist längst den meisten bekannt - laut einer Studie des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) immerhin 83 Prozent der deutschen Erwerbstätigen. Mehr als die Hälfte (53 Prozent) der Befragten machen sich Sorgen bezüglich ihrer Altersvorsorge.
Gibt nur zwei mögliche Wege, fürs Alter vorzusorgen
Das Dilemma: Im Prinzip gibt es nur zwei mögliche Wege, fürs Alter vorzusorgen. Wer auf hohe Planbarkeit und Sicherheit bei der Auszahlung entscheidet, muss gleichzeitig mit einer Rendite von nur knapp über null Prozent rechnen. Wer hingegen eine höhere Renditen anstrebt, muss in risikobehaftete Anlagen investieren und damit das Risiko in Kauf nehmen, zumindest temporär größere Einbrüche im angesparten Vermögen verkraften zu müssen.
Allerdings sind diese nicht kalkulierbaren Schwankungen und die dadurch ausbleibende Planbarkeit verständlicherweise gerade dann für viele eine Hürde, wenn sie ihren Lebensunterhalt im Ruhestand absichern möchten. Um etwas Licht ins Dunkel zu bringen, haben wir umfangreiche Berechnungen vorgenommen — mit einem eindeutigen Ergebnis: Eine private, kapitalgedeckte Altersvorsorge ist im Vergleich zu einer niedrigverzinsten beziehungsweise zinslosen Kassenlösung immer die attraktivere Wahl.
Der Anwendungsfall
Für die Berechnungen haben wir folgendes Szenario aufgestellt: Eine 45-jährige Person plant, mit 65 in Rente zu gehen und in den kommenden 20 Jahren einen privaten Kapitalstock aufzubauen. Der Anleger möchte jeden Monat 1.000 Euro investieren und ab Beginn der Rentenphase 1.500 Euro monatlich ausgezahlt bekommen.
Die Kalkulation einer niedrigverzinsten und gebührenlosen Kassenlösung ist dabei klar und einfach: Da diese ein Verzinsung von etwa null Prozent aufweist, wäre der Kapitalstock in der Rentenphase nach 14 Jahren aufgebraucht. Wenn der Anleger jedoch in ein global diversifiziertes vermögensverwaltendes Portfolio investieren würde, das aus maximal 50 Prozent Aktien sowie Anleihen besteht, wäre es kaum möglich, eine zuverlässige Aussage darüber zu treffen, wie hoch das verfügbare Kapital zum Eintritt des Rentenalters wäre. Denn: Die Renditen von risikobehafteten, börsennotierten Kapitalanlagen sind keineswegs linear, sondern unterliegen Schwankungen.
Keineswegs sicher, dass Szenario auch so eintreten wird
Häufig prognostizieren Berater in der Praxis das Endkapital mithilfe dreier verschiedener Renditeverläufe — zum Beispiel moderat, ausgewogen und optimistisch. Würde man zum Beispiel unterstellen, dass die globalen Aktienmärkte in den nächsten 40 Jahren jährlich sieben Prozent erwirtschaften und Anleihen in demselben Zeitraum ihre aktuelle Rendite leicht übertreffen, ergäbe sich ein durchaus positives Szenario: Der Anleger könnte 20 Jahre lang — also bis zu seinem 85. Geburtstag — jeden Monat 1.500 Euro aus dem Kapitalstock entnehmen und hätte trotzdem noch knapp 200.000 Euro übrig.
Der Haken an der Sache ist: Es ist keineswegs sicher, dass dieses Szenario auch so eintreten wird — im Gegenteil. Mit etwas Glück stehen dem Anleger nach 20 Jahren deutlich mehr als 200.000 Euro zur Verfügung, mit etwas Pech allerdings auch weniger. Und bei sehr ungünstiger Entwicklung kann es sogar passieren, dass das Kapital nicht reicht, um 30 Jahre lang monatlich 1.500 Euro daraus zu entnehmen. Und eben diese Unsicherheit, die sich durch ein Investment in risikobehaftete Assets ergibt, führt vielfach dazu, dass Menschen sich gegen diese und für eine Kassenlösung entscheiden oder im schlimmsten Fall gar nicht erst vorsorgen.
Die Lösung: Bootstrapping-Simulationen
Da man aus konkreten historischen Zeitreihen nicht direkt ableiten kann, wie sich die Zukunft entwickelt, haben wir mithilfe der so genannten Bootstrapping-Methode zahlreiche Szenarien simuliert. Dazu haben wir im ersten Schritt plausible langfristige Durchschnittsrenditen der verwendeten Märkte und Assetklassen mit empirisch ermittelbaren Informationen über das Zusammenspiel von Assetklassen (der so gennante Korrelation) sowie der historisch beobachteten Streuung der Renditen verschiedener Assetklassen kombiniert.
Diese Daten ergeben eine repräsentative Stichprobe möglicher Renditen einer vermögensverwaltenden Multi-Asset-Portfoliostruktur. Im zweiten Schritt kommt ein Zufallsgenerator zum Einsatz, der — ähnlich wie eine Lottofee — aus dem Topf der vielen möglichen Renditen einzelne Renditen zieht. So ergibt sich eine Zeitreihe, die einem denkbaren künftigen Pfad einer Wertentwicklung entspricht.
Auf diese Weise haben wir den Computer zahlreiche potenzielle Renditepfade simulieren lassen, die letztlich im Durchschnitt die statistischen Eigenschaften historischer Entwicklungspfade aufweisen, hinsichtlich der Rendite jedoch den (sehr konservativen) Annahmen bezüglich der Zukunft entsprechen. Die folgende Abbildung zeigt zur Veranschaulichung einige dieser möglichen Pfade.
Die Referenzpfade zeigen dabei deutlich: Selbst im ungünstigsten Fall, der überdies in 99 Prozent der Fälle übertroffen wird, übersteigt die Wertentwicklung der Kapitalanlagelösung die der zinslosen Kassenlösung. Das Kapital würde immerhin für 16 statt wie bei der Kassenlösung nur für 14 Jahre ausreichen. Im besten — allerdings auch unwahrscheinlichen — Fall reicht das Kapital für 20 Jahre nach Renteneintritt und es bleiben zusätzlich mehr als 600.000 Euro übrig. Die Wahrheit wird sehr wahrscheinlich irgendwo zwischen diesen beiden Szenarien liegen; die gestrichelte Linie steht für den Mittelwert aller generierten Ergebnisse.
Lässt sich auch künftig nicht exakt kalkulieren
Fakt ist: Die Wertentwicklung von kapitalgedeckten Altersvorsorgelösungen lässt sich auch zukünftig nicht exakt kalkulieren. Klar ist aber auch: Im Vergleich zu niedrigverzinsten oder zinslosen Kassenlösungen sind sie trotzdem die bessere Wahl; Anleger können hier wenig falsch machen. Zudem werden Anleger mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit für das eingegangene Risiko damit belohnt, dass sie ihrem Kapitalstock 20 Jahre lang eine monatliche Rente entnehmen können, die 50 Prozent über den monatlichen Einzahlungen liegt — und zusätzlich ein beachtlicher Betrag übrig bleibt, den sie für weitere Rentenzahlungen einsetzen oder vererben können.
Autor(en): Christian Jasperneite, Chief Investment Officer von M.M.Warburg & CO.