Die Unternehmensberatung Oliver Wyman hat gemeinsam mit Policen Direkt die weltweite Insurtech-Szene analysiert. Ein Ergebnis ihrer Studie: Der Branche steht eine zweite Welle bevor, die zu einer Konsolidierung führt.
Mehr als 1.000 Start-ups sind in der Versicherungsbranche aktiv , doch sie sind längst nicht alle sind strategisch gut positioniert. "Viele lukrative Felder werden vernachlässigt, echte Disruption ist selten. Dagegen sind andere Geschäftsmodelle schon überbesetzt", so die Studienmacher.
Ausländische Unternehmen stehen in den Startlöchern
Dietmar Kottmann, Insurance-Partner bei Oliver Wyman und Co-Autor der Studie, weist darauf hin, dass es mittlerweile in Ausland potente Player gibt, die hierzulande völlig unbekannt sind. Ein Beispiel ist der chinesische Online-Versicherer Zhong An. Mehr als 450 Millionen Kunden habe das Unternehmen aus Shanghai nach eigenen Angaben gewonnen, seit es 2013 startete. Ausgestattet mit umgerechnet 930 Millionen Dollar Investorengeld sei das Insurtech bereit zum Sprung von China in den Weltmarkt. "Es ist eine reine Frage der Zeit, bis Unternehmen wie Zhong An die europäischen Märkte bearbeiten", warnt Kottmann.
Die Studie kommt zum Ergebnis, dass sich die Spreu vom Weizen trennen wird. Eine Konsolidierung stehe bevor. "Auf einige Insurtechs kommen schwierige Zeiten zu", sagt Kottmann. Gerade in bereits überbesetzten Geschäftsfeldern, in den Bereichen Angebot und Vertrieb, sei eine Bereinigung unvermeidlich. In der ersten Welle seien auch Start-ups angetreten, die kaum über Branchenwissen verfügten. Das räche sich jetzt.
Kritiische Rolle für die Investoren
Die erwartete zweite Welle werde erheblich besser aufgestellt sein. Diese Start-ups würden über mehr Branchenwissen und intelligenterer Ansätze verfügen, prognostiziert Nikolai Dördrechter, Geschäftsführer von Policen Direkt und Co-Autor der Studie. Eine kritische Rolle komme den Investoren zu: "Es wird spannend zu beobachten sein, wie sie auf die ersten Ausfälle reagieren. Und inwieweit sie bereit sind, die bevorstehenden teureren Finanzierungsrunden mitzugehen", so Dördrechter.
Um Chancen und Risiken zu ermitteln, haben die Studienautoren 19 Geschäftssegmente in Marktgröße und Erfolgsaussichten bewertet und mit der Aktivität der Insurtechs verglichen. "Es zeigt sich ein deutliches Ungleichgewicht zwischen investiertem Wagniskapital und vorhandenem Potenzial“ sagt Kottmann. Auch mit Blick auf den europäischen Markt würden aktuell attraktive Chancen liegengelassen. "Besonders stark sind europäische Insurtechs beim Angebot von situativen und Community-basierten Produkten - dabei sind beide Felder nicht sonderlich gewinnträchtig." Das ebenfalls in Europa beliebte Modell der Preisvergleichswebseiten besitze zwar mittlere Attraktivität, sei aber mit Platzhirschen wie Check 24 zumindest in Deutschland schon besetzt.
Chancen im digitalisierten Betrieb
Mehr Hoffnung auf nachhaltigen Erfolg machen die Experten jenen Start-ups, die den Betrieb digitalisieren. "Dort finden sich viele attraktive Chancen", sagt Kottmann und verweist auf Technologien, die den Vertrieb unterstützen (Digital Sales Enabling), die Schadenabwicklung erleichtern (Claims Management) oder versicherungstechnische Kernprozesse optimieren (Underwriting).
Die Studie
Für die Studie "Insurtech caught on the Radar – Hype or the next Frontier?" wurden mehr als 1.000 Start-ups aus den Regionen Amerika, EMEA und APAC in den vergangenen zwei Jahren identifiziert und in eines von 19 Geschäftsmodellen entlang der Versicherungswertschöpfungskette klassifiziert. Die Geschäftsmodelle wurden in einer einheitlichen Vorgehensweise im Hinblick auf Marktpotenzial und Erfolgsaussichten bewertet und wahrscheinliche Gewinner und Verlierer abgeleitet.
Quelle: Oliver Wyman
Autor(en): Alexa Michopoulos