Zum zweiten Mal fand in Köln Anfang Juni die Insurtech Week statt. Hier wurde für etablierte Versicherer, Start-ups, Experten und Studenten eine Plattform geschaffen, um sich auszutauschen, zu vernetzen und auch geschäftlich miteinander in Kontakt zu kommen.
In verschiedenen Kurzpräsentationen nutzen zahlreiche Insurtechs die Gelegenheit, sich als IT-Dienstleister zu präsentieren. Dabei stellten sie vor allem ihre Agilität und hohe Anpassungsfähigkeit heraus - im Vergleich zu den hauseigenen IT-Ressorts, die mit den Herausforderungen des Tagesgeschäfts konfrontiert sind.
Start-ups wollen Versicherer nicht mehr angreifen
Keines der Start-ups trat mehr mit dem Anspruch an, Marktanteile von etablierten Unternehmen zu erobern, so dass die im Veranstaltungstitel erwähnte "Disruption in der Versicherungswirtschaft" in der Auseinandersetzung um die Endkunden nicht weiter zu erwarten ist. Die Insurtechs bauen vielmehr auf Kooperation und richten ihre Geschäftsmodelle b2b aus.
Insbesondere in den übergreifenden Vorträgen wurde deutlich, dass die Technikaffinität junger Menschen ohnehin nicht zwangsläufig dazu führt, dass sie ihre Versicherungsgeschäfte im App-Format tätigen und damit als bc2 Kunden zur Verfügung stehen.
Wer technikaffin ist, verfügt nicht automatisch über Finanzwissen
Die Generation Y bejaht grundsätzlich, wenn man sie danach fragt, die Bereitschaft, Apps für Finanzdienstleistungen zu nutzen. Die an anderer Stelle geführte Diskussion über mangelnde Finanzbildung an Schulen, macht aber deutlich, dass auch die Vertreter der Generation Y zum Großteil nicht dazu in der Lage sind, eigenständige Finanzentscheidungen zu treffen. Damit ist die App obsolet und der Weg für einen qualifizierten Berater, der die Sprache dieser Generation spricht, nach wie vor frei.
Die Reaktion vieler Versicherer die Insurtech-Bewegung war die Einrichtung von Strategieeinheiten, die angetreten sind, unternehmensintern etablierte Strukturen aufzubrechen und marktbezogen kundenzentrierte Lösungen oder Produktentwicklungen anzustoßen.
Fahrradversicherung und Cashback-System
So hat beispielsweis freeyou (als Konzerntochter der DEVK) Fahrradversicherungen entwickelt, die den Ansprüchen an Digitalität, Prävention und Datenbasiertheit entsprechen. Freeyou wendet sich dabei direkt an Endkunden, eine Verzahnung mit dem DEVK-Vertrieb wird bewusst vermieden. Das Versicherungsprodukt soll für den Kunden möglichst unsichtbar sein, das Fahrrad und die Vermeidung des Verlustes stehen im Vordergrund. Hierzu kooperiert freeyou mit insect, einem Anbieter von Sicherungssystemen, die - ähnlich wie die Diebstahlsicherung eines Pkw - die Umwelt bei einem Diebstahlversuch mit Alarmsignalen alarmiert.
Die Deutsche Rück versuchte auf Tagesworkshops, neue Produktansätze für das Lebensversicherungsgeschäft zu entwickeln. Das bisherige Geschäftsmodell sollte grundsätzlich in Frage gestellt und aus der Kundenperspektive verändert, erneuert oder gar ersetzt werden. Mit Unterstützung von zwei Dienstleistern und dem eigenen Produktmanagement Leben wurden verschiedene (disruptive) Ansätze entwickelt und einer Jury vorgestellt. Diese hat daraus ein Modell ausgewählt und prämiert, dass die konventionelle Besparung von laufenden Lebensversicherungsverträgen durch ein an das Payback-System angelehntes Sparen (Cashback) ergänzt oder ersetzt.
Strategieabteilungen können Digitalisierung nicht realisieren
Das Geschäftsmodell von Versicherern baut auf einem Vertrieb auf, der aktiv deren Produkte vertreibt. Konsequenterweise kann die immer wieder für die Kundenkommunikation hervorgehobene Bedeutung der Digitalisierung (physical und digital) nicht in den Strategieabteilungen der Konzernzentralen realisiert werden.
Das oft beschworene digitale Kundenerlebnis kann nur stattfinden, wenn der Kunde damit seine realen und elementaren Fragen der Risikoabsicherung und Vorsorge lösen kann. Und das gelingt nur durch die Ausstattung und Befähigung des Vertriebs, dieses zu leben.
Vielleicht stehen nach Fahrradversicherungen und Cashback-Verfahren entsprechende Lösungsansätze hierfür auf der Agenda einer der nächsten Insurtech weeks. Die nächste Stufe der Kooperation könnte dann mit dem Vertrieb und für die Kunden stattfinden.
Autor(en): Ralf Teicher