Kunden und Makler treiben die Industrieversicherer zu einem höheren Digitalisierungsgrad. Noch ist die Digitalisierung bei vielen Unternehmen aber eine Baustelle. Das geht aus einer Studie hervor, die der Versicherungsmakler Marsh gemeinsam mit dem Beratungshaus Oliver Wyman veröffentlicht hat.
Für die Untersuchung „State of Play -Vol 2 – Digitalisierung in der deutschen Industrieversicherung“ wurden die 20 „bedeutendsten“ Industrieversicherassekuranzen befragt, die überwiegend Schutz für Unternehmen bieten, die über 25 Millionen Euro Umsatz erzielen. Diese Firmen werden laut der Umfrage zu mehr als 75 Prozent von Versicherungsmaklern betreut. Die Industrieversicherer bieten in gleichem Umfang ihren Endkunden und den Maklern Internetportale für die Vertragsverwaltung. In welchem Umfang dies genutzt wird, lässt die Studie aber überraschenderweise offen. Nur 45 Prozent der Versichererr nutzen ein Internetportal der Versicherungsmakler.
Im Vergleich zur 2017 durchgeführten Umfrage hätten alle Unternehmen am Markt aber die digitalen Schnittstellen zu Kunden und Maklern weiter ausgebaut. Je nach Versicherer ist die Art der Nutzung sehr unterschiedlich und reicht von mehr digitalem Service- und Schadenfunktionen bis hin zu automatisierten Abschlüssen.
Unterschiedliche Strategien ermittelt
Die Studienautoren haben die Versicherer in fünf Kategorien eingeteilt. Derzeit werden Prozesse noch Überwiegend generell oder vereinzelt optimiert. Das gilt für rund 60 Prozent der befragten Unternehmen. Ein kleiner Teil stellt sich nach Meinung der Analysten als "Kundenversteher" auf, und versucht, das Kundenerlebnis auch in Kooperation mit Maklern zu verbessern. Die Speerspitze der Versicherer arbeitet hingegen daran, die digitalen Fähigkeiten auszuweiten oder evolutionär weiterzuentwickeln und setzt beispielsweise auf Internet-of-Things-Technologien (IoT), die etwa über neuartige Sensorik erheblich mehr Prävention ermöglichen.
Das digitale Potenzial der Industrieversicherer unterscheidet sich allerdings erheblich nach Sparten. Für die Sachversicherung und die Financial Lines - einschließlich Cyber, D&O, Vermögensschaden - sehen die meisten Versicherungsunternehmen in Big Data Analytics sehr hohes Potenzial.
Der Mensch bleibt weiterhin wichtig
Getrieben würden die Versicherungsunternehmen zusätzlich von den Erwartungen ihrer Kunden und Vertriebspartner, die zunehmend eine gewisse Digitalisierung erwarten. Das hat bei den Versicherern zu einer deutlichen Ernüchterung geführt. Nur noch fünf Prozent bewerten den aktuellen Stand der Digitalisierung in ihrem Unternehmen als „überdurchschnittlich“. 2017 war hiervon noch rund ein Drittel überzeugt gewesen.
Gleichzeitig glaubt die Hälfte der befragten Unternehmen, dass Digitalisierung ein wesentliches Element zur Differenzierung am Markt ist. Hier prägen die Autoren den Begriff der „bionischen Digitalisierung“ – der veranschaulichen soll, dass im komplexen Industriegeschäft der Mensch weiterhin eine wichtige Rolle spielen werde. Seine Fähigkeiten würden aber durch digitale Technologie „erweitert“.
Big Data Analytics dominiert
Derzeit setzen die Industrieversicherer zu 45 Prozent bereits Big Data Analytics ein. Damit hat sich die Nutzung dieser Technologie im Vergleich zur Vorstudie verdoppelt. Nun sollte der Einsatz von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen folgen, fordern die Autoren der Studie. Dies wird aber schon weitgehend erfüllt, denn 80 Prozent der Häuser geben an, diese Fähigkeiten gerade auszubauen. Mehr und mehr Unternehmen integrieren auch die Produkte und Services von Drittanbietern in ihre Angebote. 45 Prozent der befragten Versicherer (2017: 37 Prozent) nutzen dazu Produkte von Drittanbietern, beispielsweis für Risk Engineering, Cyber und Supply Chain Risk Assessments. Potenziale für IoT sowie Cloud-Computing und Blockchain werden von deutlich weniger Befragten gesehen.
Noch verbleiben viele in klassischen Bahnen
Hier kritisieren die Studienautoren, dass die Industrieversicherer „selten aus klassischen Verhaltensmustern ausbrechen“ So führe die Nutzung von Sensordaten im Rahmen des IoT – das nur 15 Prozent der Teilnehmer ausgebaut haben – weiterhin ein Nischendasein. Die Versicherer, die sich als „Value-Proposition-Transformatoren“ und „Kundenversteher“ aufstellen würden, hätten zwar ein großes Risiko, könnten sich aber bei Erfolg deutlich von den Mitbewerbern absetzen. Insgesamt begrüßen die Analysten, dass sich die Industrieversicherung hinsichtlich der Digitalisierung „divers“ entwickele. Der Markt werde so „farbiger und lebendiger.“
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek