In der Landschaft der Industrie- und Handelskammern (IHKs) tun sich völlig neue Perspektiven auf: Hatte die Dachorganisation der Kammern, der DIHK, letztes Jahr noch durch seinen Bereichsleiter Recht, Dr. Jürgen Möllering, öffentlich mitgeteilt, dass die Regelung der Versicherungsvermittler eigentlich mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sei – Gewerbefreiheit in reiner Form sei das eigentliche Ziel der Kammerorganisation, so fordert die Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main nun umfängliche, neue Regulierungen durch den Staat.
Mit dem Positionspapier "Finanzdienstleistungs- und Kapitalanlageberatung auf Honorarbasis" (siehe PDF am Ende des Artikels) der IHK Frankfurt am Main positioniert sich nun eine der großen Industrie- und Handelskammern völlig neu. Das Papier wurde durch einen "Arbeitskreis Stärkung des Vertrauens in die Finanzmärkte" erstellt und an die Medien gegeben. Dass dies ohne Wissen des DIHK erfolgt sein soll, kann man sich nicht vorstellen.
Das Positionspapier der IHK Frankfurt/Main ist bemerkenswert: Auf Seite fünf wird die Bundesregierung aufgefordert "schnellstmöglich Regelungen zu erlassen" - von Gewerbefreiheit ist keine Rede. Auch wird (Seite neun) eine "laufende Kontrolle" gefordert. Leider wird über den Umfang und den Zeitrahmen (monatlich, jährlich?) keinerlei Aussage getroffen. Dass die IHK das BM ELV - also das Verbraucherschutzministerium - zum "schnellstmöglichen" Handeln auffordert, die Definition der notwendigen Qualifikation und des Zulassungsverfahren zu regeln, ist ein "kleiner Schönheitsfehler" des Papiers, denn innerhalb der Bundesregierung ist hierfür federführend das Bundeswirtschaftsministerium zuständig.
Viele Fragen bleiben offen
Bedauerlich ist auch, dass die IHK sich mit der Frage, welche Qualifikation und Erfahrung (Seite acht) der Berater haben soll, nicht weiter beschäftigt. Lediglich eine "angemessene Qualifikation" soll erforderlich sein. Gerade von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, die sich intensiv mit der beruflichen Aus- und Weiterbildung beschäftigt, kann man hier klare Aussagen erwarten.
Auf Seite fünf sieht man bei dem Versicherungsberater, der seit 2007 ebenfalls der IHK-Registrierung unterliegt "dringenden Korrekturbedarf". Die IHK, die auch diese Berufsangehörigen in ihrem Register führt, fordert, die "Einordnung zur Gewerbeordnung ... umgehend zu korrigieren" und aus den Versicherungsberatern einen Freien Beruf zu machen. Ob hier auch eine Forderung einer unterschiedlichen fachlichen Qualifizierung von Versicherungsvermittler und –berater beinhaltet sein soll, ist nicht klar.
Machbar ist diese in keinem Fall, denn die Beratung eines Kunden kann ja nicht schlechter sein, wenn er eine Riester-Rente durch einen Vermittler erläutert bekommt oder durch einen Versicherungsberater - in beiden Fällen sucht er qualifizierten Rat. Auch in den Freien Berufen, auf die die IHK Frankfurt neuerdings so gerne eingeht , gibt es den Unterschied der erforderlichen beruflichen Qualifikation nicht. Ob der Arzt als Lobbyist für ein Pharmaunternehmen tätig ist oder täglich die Patienten im Altenheim berät - die fachliche Qualifikation muss gleich sein. Ebenso muss dies für die Beratung zur Riester-, Berufsunfähigkeits- oder Hausratversicherung gelten - egal ob durch einen Versicherungsvermittler, Versicherungsmakler, Versicherungsberater, Honorarberater oder eine Verbraucherzentrale erfolgt.
Selbstabschaffung beabsichtigt?
Durch die Positionierung auf Seite acht "Der Unabhängige Finanzberater versteht sich als Freier Beruf" will sich die IHK-Organisation offensichtlich zumindest teilweise selbst in Frage stellen, denn für die Freien Berufe ist sie überhaupt nicht zuständig. Die im Finanz- und Versicherungswesen nicht selten anzutreffenden Kammergegner werden es mit Interesse lesen.
Auf Seite neun des Positionspapiers kann man sich auch, statt eines IHK-Registers, eine "reine BaFin-Lösung" vorstellen. Die hauptamtlichen IHK- und DIHK-Mitarbeiter, die mit viel Mühe das Vermittlerregister für den Versicherungsbereich aufgebaut haben, werden sich wohl die Augen reiben bei dieser Forderung der möglichen Selbstabschaffung.
Die Forderung nach einer Gebührenordnung für Honorarberater ist zwar interessant, löst aber nicht das Problem, dass Anbieter von Produkten, etwa Versicherer und Investmentfonds nicht gezwungen werden können, echte Nettotarife anzubieten. In diesem Fall muss der Kunde neben dem Honorar noch die Provision, die in dem Produkt einkalkuliert ist (aber nicht an einen Vermittler ausgeschüttet wird) zahlen - billiger wird es also nicht.
Honorarberatung ist für Arme nicht zu bestreiten
Völlig unklar ist die Frage, wie Sozial Schwache die Beratung des "Unabhängigen Finanzberaters" in Anspruch nehmen können. In dem IHK-Papier wird hierzu die schlichte Aussage getroffen, dass das "Honorar ... immer fällig" wird. Wie ein Hartz IV-Empfänger, der auch eine Auto- oder Mofaversicherung hat, ggfs.- als ehemaliger Selbständiger (und IHK-Mitglied) - eine private Krankenversicherung hat und für seine Tochter, die eine Lehre beginnt, eine Beratung zur Riester-Rente benötigt, sich die Beratung eines "unabhängigen Finanzberaters" leisten kann, wird leider nicht behandelt.
Das Berufsbild "Unabhängiger Finanzberater", das die IHK Frankfurt am Main gewählt hat und in den sie auch die Versicherungsprodukte mit einbezieht, beginnt eben schon bei der Hundehaftpflichtversicherung für Hundesbesitzer ohne Schulabschluss, bei der Geldanlage ab 60 Euro jährlich - dem Mindest-Eigenbeitrag pro Jahr für die Riester-Rente und dem Umstand, dass auch Rentner mit Grundsicherung eine Beratung zur Privathaftpflichtversicherung - gerade im Schadensfall -benötigen und sich die kostenpflichtige Beratungsleistung überhaupt nicht leisten können. Zu allen diesen Fragen gibt das Positionspapier leider keinerlei Auskunft.
Dem Positionspapier der IHK Frankfurt am Main angehängt ist eine umfängliche Sammlung von Rechtsgrundlagen; u.a. § 34 e der Gewerbeordnung. Völlig fehlt, sowohl im Text als auch in dem Anhang, die sehr praxistaugliche Regelung des § 34 d der Gewerbeordnung, die bereits jetzt erlaubt, dass Versicherungsmakler "Dritte, die nicht Verbraucher sind, bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen gegen gesondertes Entgelt rechtlich ... beraten; diese Befugnis zur Beratung erstreckt sich auch auf Beschäftigte von Unternehmen in den Fällen, in denen der Versicherungsmakler das Unternehmen berät".
Es nicht nachvollziehbar, warum der Inhaber einer Dönerbude, der übrigens Mitglied der IHK ist, schon jetzt von einem Versicherungsmakler gegen Entgelt beraten werden darf, der "Verbraucher", etwa ein Volljurist, der Mitarbeiter der IHK ist, jedoch nicht. Noch sinnloser wird die derzeitige Regelung dadurch, dass Beschäftigte eines Unternehmens beraten werden dürfen, wenn der Versicherungsmakler auch das Unternehmen berät. Somit sind Rentner und Arbeitslose nicht beratungsfähig. Anstatt - wie die IHK Frankfurt am Main - nun ein Positionspapier zu verbreiten, dass nach dem Staat ruft, die eigene Zuständigkeit in erheblichen Bereichen abgeben will und umfängliche, neue Regulierungen fordert, wäre eine effektive und einfache Möglichkeit, den Zusatz in § 34 d GewO "die nicht Verbraucher sind" zu streichen und somit Versicherungsmaklern die Beratungsmöglichkeit gegen Entgelt - die sie bei Firmen und deren Beschäftigten ohnehin bereits haben - zu geben.
Bemerkenswert ist, dass das IHK-Papier sich mit dieser Möglichkeit überhaupt nicht beschäftigt. Für den Bereich der reinen Kapitalanlageprodukte, Bausparen und der geschlossenen Fonds kann dann ein geregelter Bereich des Finanzberaters und Finanzvermittlers - nach dem Vorbild des Versicherungsvermittlers und des Vermittlerregisters - geschaffen werden.
Einen wesentlichen Punkt merkt die IHK Frankfurt am Main zu recht an: "Will man einem Modell Honorarberatung eine reelle Chance einräumen, wären sicherlich erheblich Anstrengungen notwendig, um zunächst einen ausreichenden Bekanntheitsgrad einer solchen Alternativlösung zu erzielen". Allerdings werden diese finanziellen Anstrengungen derzeit weder der Bund, noch die Länder noch irgendeine andere nennenswerte Organisation machen.
Stefan Jauernig, Versicherungsmakler in Frechen bei Köln, Mitglied der Vollversammlung und des Versicherungsausschusses der IHK zu Köln, E-Mail: jauernig@j-makler.de
Mit dem Positionspapier "Finanzdienstleistungs- und Kapitalanlageberatung auf Honorarbasis" (siehe PDF am Ende des Artikels) der IHK Frankfurt am Main positioniert sich nun eine der großen Industrie- und Handelskammern völlig neu. Das Papier wurde durch einen "Arbeitskreis Stärkung des Vertrauens in die Finanzmärkte" erstellt und an die Medien gegeben. Dass dies ohne Wissen des DIHK erfolgt sein soll, kann man sich nicht vorstellen.
Das Positionspapier der IHK Frankfurt/Main ist bemerkenswert: Auf Seite fünf wird die Bundesregierung aufgefordert "schnellstmöglich Regelungen zu erlassen" - von Gewerbefreiheit ist keine Rede. Auch wird (Seite neun) eine "laufende Kontrolle" gefordert. Leider wird über den Umfang und den Zeitrahmen (monatlich, jährlich?) keinerlei Aussage getroffen. Dass die IHK das BM ELV - also das Verbraucherschutzministerium - zum "schnellstmöglichen" Handeln auffordert, die Definition der notwendigen Qualifikation und des Zulassungsverfahren zu regeln, ist ein "kleiner Schönheitsfehler" des Papiers, denn innerhalb der Bundesregierung ist hierfür federführend das Bundeswirtschaftsministerium zuständig.
Viele Fragen bleiben offen
Bedauerlich ist auch, dass die IHK sich mit der Frage, welche Qualifikation und Erfahrung (Seite acht) der Berater haben soll, nicht weiter beschäftigt. Lediglich eine "angemessene Qualifikation" soll erforderlich sein. Gerade von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, die sich intensiv mit der beruflichen Aus- und Weiterbildung beschäftigt, kann man hier klare Aussagen erwarten.
Auf Seite fünf sieht man bei dem Versicherungsberater, der seit 2007 ebenfalls der IHK-Registrierung unterliegt "dringenden Korrekturbedarf". Die IHK, die auch diese Berufsangehörigen in ihrem Register führt, fordert, die "Einordnung zur Gewerbeordnung ... umgehend zu korrigieren" und aus den Versicherungsberatern einen Freien Beruf zu machen. Ob hier auch eine Forderung einer unterschiedlichen fachlichen Qualifizierung von Versicherungsvermittler und –berater beinhaltet sein soll, ist nicht klar.
Machbar ist diese in keinem Fall, denn die Beratung eines Kunden kann ja nicht schlechter sein, wenn er eine Riester-Rente durch einen Vermittler erläutert bekommt oder durch einen Versicherungsberater - in beiden Fällen sucht er qualifizierten Rat. Auch in den Freien Berufen, auf die die IHK Frankfurt neuerdings so gerne eingeht , gibt es den Unterschied der erforderlichen beruflichen Qualifikation nicht. Ob der Arzt als Lobbyist für ein Pharmaunternehmen tätig ist oder täglich die Patienten im Altenheim berät - die fachliche Qualifikation muss gleich sein. Ebenso muss dies für die Beratung zur Riester-, Berufsunfähigkeits- oder Hausratversicherung gelten - egal ob durch einen Versicherungsvermittler, Versicherungsmakler, Versicherungsberater, Honorarberater oder eine Verbraucherzentrale erfolgt.
Selbstabschaffung beabsichtigt?
Durch die Positionierung auf Seite acht "Der Unabhängige Finanzberater versteht sich als Freier Beruf" will sich die IHK-Organisation offensichtlich zumindest teilweise selbst in Frage stellen, denn für die Freien Berufe ist sie überhaupt nicht zuständig. Die im Finanz- und Versicherungswesen nicht selten anzutreffenden Kammergegner werden es mit Interesse lesen.
Auf Seite neun des Positionspapiers kann man sich auch, statt eines IHK-Registers, eine "reine BaFin-Lösung" vorstellen. Die hauptamtlichen IHK- und DIHK-Mitarbeiter, die mit viel Mühe das Vermittlerregister für den Versicherungsbereich aufgebaut haben, werden sich wohl die Augen reiben bei dieser Forderung der möglichen Selbstabschaffung.
Die Forderung nach einer Gebührenordnung für Honorarberater ist zwar interessant, löst aber nicht das Problem, dass Anbieter von Produkten, etwa Versicherer und Investmentfonds nicht gezwungen werden können, echte Nettotarife anzubieten. In diesem Fall muss der Kunde neben dem Honorar noch die Provision, die in dem Produkt einkalkuliert ist (aber nicht an einen Vermittler ausgeschüttet wird) zahlen - billiger wird es also nicht.
Honorarberatung ist für Arme nicht zu bestreiten
Völlig unklar ist die Frage, wie Sozial Schwache die Beratung des "Unabhängigen Finanzberaters" in Anspruch nehmen können. In dem IHK-Papier wird hierzu die schlichte Aussage getroffen, dass das "Honorar ... immer fällig" wird. Wie ein Hartz IV-Empfänger, der auch eine Auto- oder Mofaversicherung hat, ggfs.- als ehemaliger Selbständiger (und IHK-Mitglied) - eine private Krankenversicherung hat und für seine Tochter, die eine Lehre beginnt, eine Beratung zur Riester-Rente benötigt, sich die Beratung eines "unabhängigen Finanzberaters" leisten kann, wird leider nicht behandelt.
Das Berufsbild "Unabhängiger Finanzberater", das die IHK Frankfurt am Main gewählt hat und in den sie auch die Versicherungsprodukte mit einbezieht, beginnt eben schon bei der Hundehaftpflichtversicherung für Hundesbesitzer ohne Schulabschluss, bei der Geldanlage ab 60 Euro jährlich - dem Mindest-Eigenbeitrag pro Jahr für die Riester-Rente und dem Umstand, dass auch Rentner mit Grundsicherung eine Beratung zur Privathaftpflichtversicherung - gerade im Schadensfall -benötigen und sich die kostenpflichtige Beratungsleistung überhaupt nicht leisten können. Zu allen diesen Fragen gibt das Positionspapier leider keinerlei Auskunft.
Dem Positionspapier der IHK Frankfurt am Main angehängt ist eine umfängliche Sammlung von Rechtsgrundlagen; u.a. § 34 e der Gewerbeordnung. Völlig fehlt, sowohl im Text als auch in dem Anhang, die sehr praxistaugliche Regelung des § 34 d der Gewerbeordnung, die bereits jetzt erlaubt, dass Versicherungsmakler "Dritte, die nicht Verbraucher sind, bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen gegen gesondertes Entgelt rechtlich ... beraten; diese Befugnis zur Beratung erstreckt sich auch auf Beschäftigte von Unternehmen in den Fällen, in denen der Versicherungsmakler das Unternehmen berät".
Es nicht nachvollziehbar, warum der Inhaber einer Dönerbude, der übrigens Mitglied der IHK ist, schon jetzt von einem Versicherungsmakler gegen Entgelt beraten werden darf, der "Verbraucher", etwa ein Volljurist, der Mitarbeiter der IHK ist, jedoch nicht. Noch sinnloser wird die derzeitige Regelung dadurch, dass Beschäftigte eines Unternehmens beraten werden dürfen, wenn der Versicherungsmakler auch das Unternehmen berät. Somit sind Rentner und Arbeitslose nicht beratungsfähig. Anstatt - wie die IHK Frankfurt am Main - nun ein Positionspapier zu verbreiten, dass nach dem Staat ruft, die eigene Zuständigkeit in erheblichen Bereichen abgeben will und umfängliche, neue Regulierungen fordert, wäre eine effektive und einfache Möglichkeit, den Zusatz in § 34 d GewO "die nicht Verbraucher sind" zu streichen und somit Versicherungsmaklern die Beratungsmöglichkeit gegen Entgelt - die sie bei Firmen und deren Beschäftigten ohnehin bereits haben - zu geben.
Bemerkenswert ist, dass das IHK-Papier sich mit dieser Möglichkeit überhaupt nicht beschäftigt. Für den Bereich der reinen Kapitalanlageprodukte, Bausparen und der geschlossenen Fonds kann dann ein geregelter Bereich des Finanzberaters und Finanzvermittlers - nach dem Vorbild des Versicherungsvermittlers und des Vermittlerregisters - geschaffen werden.
Einen wesentlichen Punkt merkt die IHK Frankfurt am Main zu recht an: "Will man einem Modell Honorarberatung eine reelle Chance einräumen, wären sicherlich erheblich Anstrengungen notwendig, um zunächst einen ausreichenden Bekanntheitsgrad einer solchen Alternativlösung zu erzielen". Allerdings werden diese finanziellen Anstrengungen derzeit weder der Bund, noch die Länder noch irgendeine andere nennenswerte Organisation machen.
Stefan Jauernig, Versicherungsmakler in Frechen bei Köln, Mitglied der Vollversammlung und des Versicherungsausschusses der IHK zu Köln, E-Mail: jauernig@j-makler.de
Autor(en): versicherungsmagazin.de