Professor Fred Wagner (Foto), Vorstand des Instituts für Versicherungswissenschaften an der Universität Leipzig (IfVW), ist als fachlich versierter und kritischer Kopf der Versicherungsbranche bekannt. Vage Aussagen oder nebulöse Verallgemeinerungen lässt er nicht gelten. Das hat er wieder eindrücklich auf der Veranstaltung „Aktuelle Fragen des Versicherungsvertriebs“ seines Instituts bewiesen.
Die Vermittlervergütung ist ein sensibles Thema und ein heißes Eisen. Das war auch bei der Podiumsdiskussion der IfVW-Konferenz in Köln zu spüren und verdeutlichte, dass die Branche hier noch einige Baustellen zu räumen hat. Teilweise erstaunte die Position der Vorstände auf dem Podium, besonders nachdem erst kurz vor Diskussionsrunde Elisabeth Stiller, IDD-Expertin beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), und Dr. Kay-Uwe Schaumlöffel von der Bundesanstalt für Finanzdienstleitungsaufsicht (Bafin) in epischer Breite über die Fehlanreize bei der Vermittlervergütung und wie diese zu vermeiden sind, referiert hatten.
Ohne gewisse Anreize geht nichts?
So plädierten zum Beispiel Dr. Klaus Möller, Vorstand bei Defino, dem Institut für Finanznorm aus Frankfurt an Main, und Bernd Andres, Ressortvorstand Kundenservices bei Cosmos Direkt, für finanzielle Anreize für die Versicherungsvermittler. Ihre Argumente: Damit Vermittler motiviert seien, ihre Arbeit gut zu erledigen, käme die Versicherungswirtschaft ohne gewisse Anreizsysteme nicht aus. Oder: Die Abdeckung durch Risikolebensversicherungen und Altersvorsorge-Produkten sei in der deutschen Bevölkerung noch so schwach, dass Vermittler hier noch viel Überzeugungsarbeit bei den Menschen leisten müssten. Ohne finanzielle Anreize kaum machbar.
Und auf die Frage von Professor Wagner, was besonders im Hinblick auf hohe Stornoquoten denn dagegen spräche, auf eine laufende Vergütung umzustellen, blieben die Diskutanten eher einsilbig. Ähnlich ausweichend auch die Antworten der Vorstände auf Wagners provokante Frage: „Warum hat die Branche kein Interesse, Ihr Image zu verbessern?“ Das anscheinende Desinteresse, das ramponierte Bild in der Öffentlichkeit zu richten, hätte sich in einer Umfrage des Instituts gezeigt, bei der die Versicherer aufgefordert worden seien, zum Thema „Image“ Ihre Einschätzung zu liefern. Auslöser für die IfVW-Untersuchung waren die Nachwuchssorgen und die hohe Fluktuation in den Vertrieben. Unrühmlich: Nur zehn Prozent der Anfragen wären beantwortet worden, aber ohne wirklich Position zu beziehen, sondern nur um abzusagen.
Vorfinanzierung als mögliche Alternative
Dass neue Provisionsmodelle oder gleich eine gänzliche Abkehr von der Provision möglich ist, auch um das ramponierte Image aufzubessern, veranschaulichte Wagner dann einfach selbst. Seit 2012 gebe es in der substituierten Krankenversicherung ja bereits einen Provisionsdeckel. Dieser gestehe dem einzelnen Vermittler 3,3 Prozent der Beitragssumme zu. Eine Option sicher auch für die Lebensversicherung, glaubt Wagner. Und da seine Podiumsmitstreiter wenig diskussionswürdige Beiträge zu liefern hatten, präsentierte Wagner einfach selbst Vorschläge, wie es bei der Vermittlervergütung besser und transparenter ablaufen könnte. Vorfinanzierung – zum Beispiel durch Kredite – lautete seine Idee. Seines Erachtens sollte dies für alteingesessene Versicherungsunternehmen kein Problem darstellen, nur für Neueinsteiger vielleicht. Die Unternehmen müssten eben nur dafür sorgen, dass sie mit guten Vermittlern zusammenarbeiteten, die gutes Geschäft lieferten.
Eine wichtige Erkenntnis: „Wir müssen uns bewegen“
Immerhin kamen die Diskussionsrunde am Ende immerhin noch überein, dass Mindeststandards für Beratungsprozesse auf jeden Fall gegeben sein müssten, dass gesichert und geprüft werden müsste, dass vorhandene Verhaltenskodizes eingehalten würden und sich noch mehr Unternehmen zu Qualitätskriterien wie einer DIN-Spezifikation verpflichten sollten. Andreas Gent ließ sich dann noch zur der Aussage hinreißen: „Eine vollkommene Auflösung der Provisionen ist nicht der richtige Weg, aber bewegen sollten wir uns schon. Ein besseres Image der Branche von Nöten.“ Die wahren Verantwortlichen sah er dann aber bei der Bafin und dem GDV. Und Klaus Möller gab zu: „Wir haben uns bislang zu sehr abgeschottet, wir sollten künftig stärker gemeinsam rekrutieren.
Gemeinsam nach einer guten Lösung suchen
Denn wenn die Vertriebe nicht selbst aktiv würden, könne es sein, dass man sich in Deutschland auf die holländischen Gegebenheiten einstellen müsse, so die Warnung von Elisabeth Stiller. Dort hat man versucht, mit einem Provisionsdeckel angestaute Probleme zu lösen und das schlechte Image aufzupolieren. Der Versuch missglückte. Und nachdem die dortigen Versicherer mit dem Rücken zur Wand standen, hat man die Reißleine gezogen und selbst das Provisionsverbot gefordert.
Also: Wenn die deutsche Versicherungswirtschaft das Heft in der Hand behalten will, sollte sie baldmöglichst und kooperativ nach einer für Versicherer, Vermittler und Kunden gleichermaßen befriedigende Lösung suchen.
Autor(en): Meris Neininger