Honorarberatung allein schafft keinen Unternehmenserfolg

740px 535px

Am 23. Februar 2018 tritt eine veränderte Gewerbeordnung in Kraft. Damit wird der Dreischritt der letzten Bundesregierung vollendet, die Honorarberatung in den Bereichen Finanzanlagen, Immobiliardarlehen und zuletzt auch Versicherungen mit geschützten Berufsbezeichnungen neu zu regeln. Was Honorarberater über sich selbst wissen sollten, verrät ein neues Buch.

Die vielleicht wichtigste Botschaft des Trainers und Beraters Ralf Teicher in seinem Buch über die Honorarberatung kommt erst relativ gegen Ende: "Der neu verankerte Versicherungsberater ist als Honorarvermittler nicht die Weiterentwicklung des Versicherungsberaters in der Prägung des § 34e GewO, sondern ein Versicherungsmakler in der Tradition des § 34d GewO mit erweiterten Möglichkeiten, Kundennutzen zu generieren."

Europarechtliche Probleme mit dem vermittelnden Versicherungsberater
Damit entlarvt er die Bemühungen des Gesetzgebers um die Schaffung eines neuartigen Berufsstatus mit besonderem Kundennutzen als eine Annäherung des traditionellen, dem Rechtsberatungsrecht entstammenden "Versicherungsberater" an den dem Handel entstammenden "Versicherungsmakler". Beide werden sich so zum Verwechseln ähnlich, dass es einer berufsrechtlichen Trennung gar nicht bedurft hätte. Beide dürfen ab Februar "rechtsberaten" (Versicherungsmakler nur bei Firmenkunden) und "vermitteln", jeweils entweder gegen "gesondertes Entgelt" beziehungsweise "Gebühren" oder gegen "Courtagen", sei es direkt vom Versicherer (Versicherungsmakler) oder indirekt (Durchleitung beim Versicherungsberater).

Im Gegenteil provoziert der Gesetzgeber neue europarechtliche Probleme. Der "Versicherungsberater" ist ein spezifisch deutscher Typus. Zudem ist eine gleichzeitige Zulassung als "Versicherungsmakler" und als "Versicherungsberater" ausgeschlossen. Damit kommt es einerseits zur Ausländerdiskriminierung, falls ein ausländischer Makler beansprucht, sowohl als Makler als auch als Berater ins deutsche Vermittlerregister eingetragen zu werden, um beide Tätigkeiten im Dienstleistungsverkehr ausüben zu können. Andererseits kommt es zur Inländerdiskriminierung, wenn der deutsche Versicherungsberater im Ausland als solcher eingetragen werden will, der Status dort aber unbekannt ist.

Honorar muss verkauft werden
Aber von diesen Problemen handelt Teichers Buch gar nicht, es nimmt eine nationale Perspektive ein. Dagegen transportiert es eine wichtige Botschaft für alle, die sich für eine der drei möglichen Honorarberatungsarten nach den §§ 34d Abs. 2, 34h oder 34i GewO (Versicherungen, Finanzanlagen, Immobiliardarlehen) interessieren: Der Status und die daran hängende Vergütungsform allein macht den Honorarberater noch lange nicht erfolgreich. Im Gegenteil, schlechte Verkäufer werden hier nicht glücklich werden. "Wenn aber anstelle der Provision Honorare gefordert, in Rechnung gestellt und eingezogen werden sollen, ist hierfür ein höherer Aufwand erforderlich", so Teicher. "Preisverkäufer verkaufen sich im Honorarsystem erst recht deutlich unter Wert."

Deshalb appelliert er an seine Leser, sich Alleinstellungsmerkmale und Kompetenzanmutungen aufzubauen, die sich nicht allein in der andersartigen Vergütung erschöpfen. Dieser Rat ist für Provisionsvermittler gleichermaßen sinnvoll. Im Gegenteil, je spezifischer die Kompetenzen des Vermittlers, desto weniger wird es für den Kunden eine entscheidende Rolle spielen, ob dieser gegen Provision oder gegen Honorar tätig wird. Teicher liefert eine Reihe Ideen aus der Marketingtheorie, wie eine strategische Alleinstellung erarbeitet werden kann.

Fehlanreize auch im Honorarsystem möglich
Eine Besonderheit könnte doch im Vermittlerstatus begründet liegen, die völlige Unabhängigkeit von Produktanbietern, wie Teicher anhand der Prinzipal-Agenten-Theorie darlegt. Allerdings stellt sich dennoch die Frage, wie weit es mit der Unabhängigkeit her sein kann, wenn beispielsweise der Honorar-Finanzanlagenberater Provisionen annehmen darf, weil nach seiner vom Laien schwer überprüfbaren Meinung keine besser geeignete, provisionsfreie Anlage verfügbar ist. Oder wenn der Versicherungsberater künftig zwischen Nettotarifen und Bruttotarifen wählen darf: Er müsste schon außerordentlich altruistisch eingestellt sein, um nicht bei seiner Produktempfehlung darauf zu achten, ob überhaupt, und wenn, dann wie viel Abschlusskosten an den Kunden als "Rabatt" durchgeleitet werden. Denn der "Rabatt" könnte die Honorarhöhe relativieren.

Und genau das legt Teicher am Beispiel von Lebensversicherungen nahe. Eine Möglichkeit zur Differenzierung im Markt könnte die Gegenüberstellung von Nettotarif und Honorar auf der einen und Bruttotarif auf der anderen Seite sein. Dabei differenziert er zwischen echten und unechten Nettotarifen. Aus unechten sind die unmittelbaren Provisionen herausgerechnet, aus den echten zusätzlich provisionsbezogene Kosten. Unaufmerksame Leser können die Darstellung missverstehen, dass damit die Abschlusskosten des Versicherers gemeint seien, die natürlich weiterhin anfallen. Denn die vom Versicherungsberater eingereichten Anträge lassen sich schlecht kostenfrei prüfen, verwalten und policieren. Außerdem muss auch der Versicherungsberater umworben, mit Informationen versorgt und geschult werden, um die Angebote der Branche zu kennen.

Äpfel und Birnen-Vergleich als Rechtfertigung für Honorarhöhe
Zwei Fehler haben sich eingeschlichen. So wird mit Verweis auf eine Studie der Universität Köln und der Fachhochschule Dortmund angegeben, dass schon 3,1 Prozent des Neugeschäfts in der Lebensversicherung mit Nettotarifen erfolgt. Die Zahl stimmt, aber es sind Promille statt Prozent.

Gravierender ist eine andere Behauptung. Danach sollen Lebensversicherer sagenhaft hohe Provisionen zahlen, die einen Kostenausgleich von rund acht Prozent der Beitragssumme als gerechtfertigt, ja sogar als günstig erscheinen lassen. So soll laut Teicher der Bundesgerichtshof (Urteil vom 20. Januar 2005, Az. III ZR 207/04) 7,8 Prozent Provision für "eher niedrig als allgemein üblich" erklärt haben. Nur hat sich der BGH gar nicht dazu geäußert, ob die Untergerichte, Amts- und Landgericht Baden-Baden, einen sinnvollen Vergleichsmaßstab aus einer Statistik des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen (BAV) herangezogen haben. Es ging vielmehr um die Frage, ob die Vergütungshöhe des Maklers sittenwidrig war, was nicht der Fall war. Die Vergütung war kein echtes Honorar, sondern eine Mischung aus Provision und Gebührenvereinbarung.

Die erwähnte Statistik des BAV zeigt alle Abschlussaufwendungen der Versicherer, die weitaus mehr umfassen als nur Provisionen. Zudem werden sie ins Verhältnis zu den Beitragseinnahmen des Geschäftsjahres gesetzt. Provisionen dagegen werden mit der Bezugsgröße Beitragssumme berechnet, also den künftigen, vertraglich vereinbarten Beiträgen des Kunden.

Wenn man zwei völlig unterschiedliche Bezugsgrößen heranzieht, ist die Aussage ungefähr so sinnvoll, als wenn ein Kunde vom Versicherungsberater verlangen würde, sein Honorar solle sich nicht nach der Beitragssumme seines Vertrags, sondern nach der Summe aller vom Versicherungsberater im Jahr des Abschlusses vermittelten Lebensversicherungsbeiträge berechnen.

Systemwettbewerb um den Preis der Beratung angestoßen
Gerade angesichts der bevorstehenden Umsetzung der Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD und der von der Versicherungsaufsicht angekündigten Maßnahmen zur Begrenzung der Vergütungen für die Vermittlung von Lebensversicherungen auf wohl wieder maximal 40 Promille sollten nicht mehr diejenigen "Honorarvermittler" mit Argumenten gestärkt werden, die immer noch eine Vergütung von 80 Promille für angemessen halten, und zwar auch noch stornohaftungsfrei.

In seiner Kritik am Honorarberatungsansatz der letzten Bundesregierung muss man Teicher zustimmen: "Mit dieser Form der Regulierung wird die Sicht der Berater auf ihre Produkt-Silos beschränkt und lediglich ein Systemwettbewerb um den Preis der Beratung initiiert." Und die Leser sollten sich eins zu Herzen nehmen: Nicht die Vergütungsart, sondern die Einstellung zum Kunden und die fachliche Qualifikation sind entscheidend für einen besseren Ruf des Vertriebs. Wenn die Erkenntnis der erste Schritt zur Besserung ist, sollte dies mit dem Buch gelingen. Die weiteren Schritte müssen die Leser allerdings selbst gehen.

Cover_Teicher Honorarberatung

Lesetipp
Ralf Teicher: Honorarberatung aus Sicht von Kunden, Beratern und Produktgebern, 197 Seiten, 39 Euro, ISBN 978-3-89952-940.1, 2017 Verlag Versicherungswirtschaft Karlsruhe.

Autor(en): Matthias Beenken

Alle Branche News