Das jüngste Hochwasser in Süddeutschland hat Milliarden gekostet. Alle sind sich daher einig: Versicherung allein hilft nicht. Es muss mehr Hochwasserschutz her. Doch das ist nicht einfach, wie eine Veranstaltung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) an der Ahr zeigt.
„Bisher wurde hier an der Ahr kein großes Maßnahmenprojekt umgesetzt“, sagte Professor Holger Schüttrumpf, Hochwasser-Experte von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen auf der Pressekonferenz des GDV. Das sei in einer Zeitspanne von drei Jahren auch nicht möglich. „Plangenehmigungsverfahren dauern heute zwischen 20 und 40 Jahren“, so der Wissenschaftler. Dabei sei es egal, ob es sich um eine Straße oder ein Wasserrückhaltebecken handele. Die Flächen würden immer jemanden gehören. „Daher kommt es stets zu Nutzungs- und Interessenkonflikten“, so der Experte. Hinsichtlich einer Prioritätensetzung für Hochwasserschutz zeigte sich Schüttrumpf skeptisch.
Prämien im Ahrtal um Faktor drei gestiegen
Auch im Ahrtal wurden die meisten Häuser wieder eins zu eins aufgebaut, obwohl sie in gesetzlich ausgewiesenen Hochwasserrisikozonen stehen. „Teilweise wurde aber so gebaut, dass das Erdgeschoss nun überflutet werden kann“, erläuterte Cornelia Weigand, Landrätin des Landkreis Ahrweiler. Eine Umsiedlung sei hier nicht möglich gewesen, denn es gäbe kein Bauland. Auf Rückfrage bestätigte der GDV, dass Mehrkosten für ein neues Grundstück an anderer Stelle, derzeit nicht von der Wohngebäudeversicherung bezahlt wird. „Ich weiß nicht, ob so was denkbar ist“, sagte Anja Käfer-Rohrbach, Stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des GDV.
Immerhin haben die Assekuranzen im Ahrtal ihr Versprechen gehalten und bieten den Hausbesitzer auch in gefährlichen Lagen weiterhin Versicherungsschutz gegen Hochwasser an. „Die Prämien sind aber um den Faktor drei gestiegen“, sagte Politikerin Weigand. Daher müssten viele Hausbesitzer nun statt 900 Euro pro Jahr nun 2.700 Euro für den Versicherungsschutz zahlen. Solche Prämienerhöhungen könnten wohl auch vielen Hausbesitzerinnen und Hausbesitzern in Baden-Württemberg und Bayern drohen, wenn sie Elementarschutz kaufen oder behalten wollen.
Milliardenschäden durch Unwetter
Denn nach einer aktuellen Prognose des internationalen Versicherungsmaklers Aon Deutschland sollen die versicherten Schäden der jüngsten Überschwemmungen in Süddeutschland bei 2,3 bis 2,8 Milliarden Euro liegen. Der Makler rechnet bereits damit, dass die Schäden „signifikanten“ Einfluss auf die Rückversicherer haben. 2023 haben Sturm, Hagel und weitere Naturgefahren laut GDV insgesamt Kosten von 5,7 Milliarden Euro verursacht. Das wären 1,7 Milliarden Euro mehr als im Jahr 2022. Grund dafür sind vor allem schwere und teure Hagelschäden an Kraftfahrzeugen in Höhe von zwei Milliarden Euro.
Angesichts der aktuellen Diskussion um eine Elementarschadenpflichtversicherung haben die Versicherer an der Ahr ihre Position noch einmal deutlich gemacht. Sie lehnen eine Pflichtversicherung ab und fordern ein Gesamtkonzept aus Prävention, Größt-Schaden-Schutz und Versicherung. „Es ist einfach falsch, wenn gesagt wird, dass der Versicherungsschutz durch die Einführung einer Elementarschadenpflichtabsicherung billiger wird“, sagte Käfer-Rohrbach. Anlass war die Erinnerung an die Starkregenkatastrophe an der Ahr vor drei Jahren.
Prämie nach Risikolage
Das Aufsichtsrecht gebe risikobasierte Prämien vor. „Daher ist das Risiko in der schönen Flusslage ein anderes als am Hang in zweiter oder vierter Reihe“. Eine Erhöhung der Versicherungsdichte würde lediglich die Zahl der Risiken erhöhen. „Einen solidarischen Gedanken gibt es dabei nicht“, so Käfer-Rohrbach. Nur mehr Prävention würde die Versicherungsprämie für Gebäude in Deutschland auch in Zukunft bezahlbar halten. „Das ist keine Drohkulisse“, sagte die GDV-Lobbyistin. In Florida oder Griechenland würde es schon keine Feuer- und Sturmversicherung mehr geben.
Für Deutschland rechnet der GDV ohne weitere umfangreiche Präventionsmaßnahmen gegen Naturgefahren mit einer Verdopplung der Wohngebäudeprämie in den nächsten zehn Jahren. Das sei aber nur der Effekt, der aus mehr Naturschäden, also Stürmen, Hagel, Hochwasser und Starkregen resultiert. Die Inflation wäre in dieser Hochrechnung nicht berücksichtigt. „Die Schäden werden extremer“, so Käfer-Rohrbach.
Politiker in Vergangenheit nicht immer gesprächsbereit
„Wir wollen konstruktive Lösungen mit der Politik suchen“, so Käfer-Rohrbach. Sie kritisierte, dass sich in der Vergangenheit einzelne Ministerpräsidenten einem Gespräch mit der Versicherungswirtschaft verweigert hätten. Das von der Branche vorgeschlagene Opt-Out-Konzept für den gesamten Bestand der Wohngebäudeversicherung in Deutschland sei gegenüber einer Pflichtversicherung nur ein verfassungsmäßig „gemäßigter“ Eingriff. Dafür würden bereits geschlossene Gebäudeversicherungen von einem Stichtag an per Gesetz automatisch auf Elementarschutz umgestellt, sofern Kunden nicht widersprechen. Neue Verträge schließen den Schutz bereits ein.
Auf einen Schlag 80 Prozent Versicherte
Heute hätten 54 Prozent der Hausbesitzer Elementarschutz, der den Neubau des Gebäudes bezahle. Bei einer abgespeckten Elementarschadenpflichtversicherung müssten diese 54 Prozent der Immobilienbesitzer in das neue System überführt werden. Käfer-Rohrbach: „Das wäre ein massiver rechtlicher Eingriff für die Versicherten“. Der GDV schätzt das durch das Opt-Out für Elementarschutz mit Stichtagsregelung auf einen Schlag 75 bis 80 Prozent der Kunden versichert bleiben würden. Laut Aussage von Käfer-Rohrbach hätte die Politik die Forderungen des GDV verstanden. Es würden aktuell schon Gespräche geführt. Neben Prävention und weiterhin bezahlbarem Wohngebäudeschutz will der GDV eine Absicherung durch den Staat im katastrophalen Kumulschadenfall.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek