Die Gothaer Versicherung hätte allen Grund zu feiern. Sie wird dieses Jahr 200 Jahre alt und hat das Geschäftsjahr 2019 mit guten Zahlen abgeschlossen. Doch die Corona-Pandemie macht dem Versicherer mit Sitz in Köln einen unschönen Strich durch die Rechnung. Wie viele Mitbewerber ist auch dieses Unternehmen in einem „Krisenmodus“. Das zeigte sich auch bei der Bilanz-PK via Skype.
„Für die Versicherungsbranche sind dies brutal harte Zeiten. Die Krise wird auch uns sicher hart treffen, sie wird auch bei uns Spuren hinterlassen“, befürchtet der Gothaer-Vorstandsvorsitzende Karsten Eichmann. Doch sein Haus habe schon oft bewiesen, dass es ein agiles Unternehmen sei, dies zeige sich in dieser Situation auch wieder. „Wir sind absolut arbeitsfähig. Unsere vorhandene Technologie hilft uns, die Probleme zu managen. Vor allem unser Multi-Kanal-Vertrieb ist in diesem Kontext für uns und auch die Vermittler sehr hilfreich“. Was die Krise aber auf jeden Fall bewirken werde, sei, der Digitalisierung einen Schub zu verleihen, in der gesamten Branche und auch im eigenen Haus.
Guten Zahlen als solide Ausgangsbasis für kommende schwierige Zeiten
Eichmann bedauerte sehr, dass die Corona-Krise so eine Achterbahnfahrt provoziert habe, dass „sich wohl kaum einer noch für die starken Zahlen“ seines Hauses interessieren würde. Doch erfreulich sei dabei immerhin, dass diese guten Zahlen „eine solide Ausgangsbasis für die kommenden herausfordernden Zeiten seien“.
Einige Zahlen des Geschäftsjahrs 2019: Die gebuchten Bruttobeiträge stiegen auf Konzernebene um 6,4 Prozent auf 4.487 Millionen Euro. Dabei trugen alle Sparten zum Wachstum bei: So wuchs die Kompositversicherung - mit den Produkten Gothaer Allgemeine, Gorom, Janitos, Car Garantie - mit einem Plus von 4,6 Prozent bei den gebuchten Beiträgen auf 2.153 Millionen Euro. Die Leben-Sparte überzeugte mit einem Plus von 11,4 Prozent und trug so zu einem deutlichen Wachstum bei (1.468 Millionen Euro). Die Krankenversicherung konnte um drei Prozent auf 866 Millionen Euro ausgebaut werden.
Erfreuliche Entwicklung der Eigenkapitalbasis
Die gebuchten Bruttobeiträge ohne RfB und ohne den Sondereffekt des Verkaufs des Tochterunternehmens Gothaer Towarzystwo Ubezpieczeń – wären um 6,4 Prozent gestiegen und zwar von 4.216 Millionen Euro auf 4.487 Millionen Euro. Im Kontext des Verkaufs des polnischen Versicherungsarms sei auch die aktuelle Zahl der Mitarbeiter zu betrachten. Diese sei aus diesem Grund auch von 5.421 auf 4.744 Personen gesunken. Erfreulich hätte sich auch die Eigenkapitalbasis entwickelt und zwar von 1.159 Millionen Euro (2018) auf 1.264 Millionen Euro (2019).
Lebensversicherung: Hier konnte der Umsatz 2019 laut Unternehmensangaben gut gesteigert werden. Die gebuchten Bruttobeiträge der Gothaer Lebensversicherung AG verzeichneten einen Zuwachs von mehr als zwölf Prozent und lagen damit leicht über dem durchschnittlichen Marktwachstum. Wesentlicher Treiber dafür war wohl das Geschäft mit Einmalbeiträgen, insbesondere durch das Einmalbeitragsprodukt Gothaer Index Protect.
Erfreulich sei auch, dass das Unternehmen 2019 das Neugeschäft in den Segmenten Biometrie und kapitaleffiziente Altersvorsorge weiter ausbauen konnte. Der Anteil dieser Geschäftsfelder am gesamten Neugeschäft hätte im vergangenen Jahr bei über 80 Prozent gelegen. Wichtiger Impulsgeber sei hier das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) mit seinem ausgeweiteten staatlichen Förderrahmen gewesen. Für 2020 erwartet die Gothaer abermals ein signifikantes Beitragsvolumen aus ihrer Index-Protect-Police. Insgesamt würden die Beiträge aber unter dem hohen Niveau des Vorjahres erwartet. Corona wird hier wohl das bislang gute Wachstum ausbremsen.
Krankenversicherung: Die gebuchten Bruttobeitragseinnahmen der Gothaer Krankenversicherung AG stiegen 2019 um drei Prozent auf 866 Millionen Euro. Das Neugeschäft der Gesellschaft stieg auf 1,90 Millionen Euro deutlich gegenüber dem Vorjahr (+ 37 %) an. Weiterhin rückläufig aber der Bestand an vollversicherten Personen. Dieser ist um 2,9 Prozent auf 134.000 Personen zurückgegangen. Indessen ist der Bestand an zusatzversicherten Personen um 7,2 Prozent auf 488.000 gestiegen. Damit wächst der Gesamtbestand an versicherten Personen in der Krankenversicherung auf 622.000 (+4,9 %).
Ein wichtiger Teil des Wachstums im Zusatzversicherungsgeschäft hat der Versicherer auch 2019 im Kollektivgeschäft mit Firmenkunden (betriebliche Krankenversicherung) erzielt. In den Kollektivtarifen der Medigroup konnte das Unternehmen laut eigenen Angaben „einen erfreulich hohen Zuwachs verzeichnen.“
Wie die Gothaer von Corona betroffenen Kunden helfen will
„Wir halten uns für systemrelevant, aus diesem Grund ist es auch wichtig, dass wir funktionieren“, beschrieb Eichmann die aktuelle Philosophie seines Hauses. In dieser Zeit träfen „komplett neuen Anforderungen der Kunden“ auf die „neuen Rahmenbedingungen der Vertriebe“. Diese neue Konstellation könne die Gothaer aber gut stemmen, da sie ihre Online- und Video-Beratung „massiv ausgebaut“ hätte und so ihre Leistungen weiterhin „flächendeckend anbieten könne“. Zudem seien 1.100 Agenturen mit 2.100 Beratern und Innendienstkräften Home-Office-fähig und könnten so die Kunden gut unterstützen.
Selbstverständlich könne sich auch der Außendienst auf die Gothaer verlassen und würde nachfolgende Leistungen erhalten:
- eine Vertriebsspezifische Informationsplattform zur Corona-Krise
- Finanzhilfen für den Exklusivvertrieb
- Übernahme Kundenbetreuung bei Corona-bedingter Agenturschließung
- Online-Qualifizierung über Webinare.
Bei drohenden Liquiditätsengpässen unbürokratisch agieren
Schnelle und unbürokratische Hilfe, wie die Bundesregierung den von der Corona-Krise finanziell gebeutelten Unternehmen versprochen hat, will die Gothaer auch ihren Kunden zukommen lassen. Das heißt unter anderem ganz konkret, bei Liquiditätsengpässen auf Beitragssteigerungen verzichten, Beiträge stunden oder Mahnläufe unterbrechen. Und müssten Firmen ihre Flotten ausdünnen oder stilllegen, würde ein unbürokratischer Anruf reichen, um alles Notwendige in die Wege zu leiten.
Betriebliches Gesundheitsmanagement unterstützt Webasto
Wie schnell sich die Gothaer an die neuen Anforderungen anpassen könne, hätte bereits der Fall der Firma „Webasto“ gezeigt. Die Geschichte: Beim Autozulieferer Webasto, Produzent von Schiebedächern und Ladeinfrastruktur, war der erste positive Corona-Fall in Deutschland aufgetreten. Eine Mitarbeiterin aus China war in die Firmenzentrale gereist und hatte dort andere Mitarbeiter infiziert. Schon am nächsten Tagen mussten die rund 1.200 Kollegen ins Homeoffice, die Firma wurde geschlossen, ein Teil des Managements bildete einen Krisenstab. Das Webasto-Management hat daraufhin das betriebliche Gesundheitsmanagement der Gothaer Krankenversicherung engagiert. Diese Task Force wurde für solche Extremsituationen in Unternehmen geschaffen, Webasto war dann die Feuertaufe für den Versicherer.
Laut einer Berichterstattung im Handelsblatt vom 6. März 2020 haben die Mitarbeiter des Autozulieferers rund um die Uhr Fragen stellen können. Zudem hätten sie telemedizinischen Zugang zu Ärzten per Videotelefonie erhalten. So hätten die Webasto-Mitarbeiter über den Gothaer-Partner Teleclinic bei Unsicherheit sogar eine Erstdiagnose stellen lassen können. Dieses positive Praxisbeispiel würde die Gothaer auch dazu anspornen, das Telemedizinische Angebot weiter auszubauen.
Wie die Plattform Corona Puls für Betroffene eine Stütze sein will
Aus dieser Erfahrung hat der Versicherer aus Köln auch die Plattform "Corona Puls" entwickelt. Diese Plattform ist eine breit gefächerte Informationssammlung für die Versicherungskunden. Diese finden dort unter anderem Podcasts mit Corona-Experten, Apps zur Unterstützung der mentalen Gesundheit bei sozialer Isolation, Antragsformulare für Kurzarbeit, eine Pandemie-Planung, Kontakte zu Kanzleien für Arbeitsrecht und ein Recovery Management. Und auch über die "Roland Rechtschutz-Hotline"würden Betroffene kostenfreie juristische Erstberatung zu Sach- und Rechtsfragen in Folge der Corona-Krise erhalten.
200-Jahrfeier soll 2021 nachgeholt werden
Eine positive Fußnote zum Schluss: Der 200. Geburtstag der Gothaer soll am 2. Juli 2021 definitiv nachgeholt werden. Erfreulich vor allem für die Mitarbeiter, die schon lange mit den Vorbereitungen für diese Feier beschäftigt waren. So ist die gut zweijährige Vorbereitungsphase wenigstens nicht ganz für die Tonne.
Autor(en): Meris Neininger