Gothaer: Geschrumpft, um 2021 stramm zu wachsen

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Die Gothaer will wachsen, wachsen und wachsen. Dafür hat sie sich erst einmal verkleinert, indem sie ihr Portfolio strukturiert hat, sprich in der jüngsten Vergangenheit einige Versicherer verkauft und/oder sich aus Ländern wie Rumänien zurückgezogen hat. Sie nennt das „Komplexität reduzieren, Agilität steigern und Resilienz stärken“.

Am Ende ist der Konzern im Inland auf drei Kerngesellschaften geschrumpft und konzentriert sich auf drei spezialisierte Töchter. Janitos, Car Garantie und Roland sind somit die drei Marken, die der Gothaer Konzern nun besonders pflegt und hier in den nächsten fünf Jahren weiter nachhaltig wachsen soll. Dieses Ziel hat das Unternehmen mit dem Projektnamen „Ambition 25“, für das Zieljahr 2025, überschrieben.

Fokus auf Nachhaltigkeit, aufbauend auf „ein veränderungsfähiges Team“

Der Gedanke dahinter: Bis 2025 will der Konzern in der Komposit-Versicherung zu den fünf wachstumsstärksten Unternehmen gehören. Im laufenden Jahr ist der Versicherer im Komposit-Sektor schon „sehr stark gewachsen“, genauer gesagt um 3,8 Prozent. Was die Lebens- und Krankenversicherung anbelangt, ist das Ziel schon bescheidener, hier wird nur "ein Wachstum auf Marktniveau angestrebt“. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen die vorhandenen Stärken ausgebaut und ein ganz neues Kundenerlebnis geschaffen werden. All das mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit, aufbauend auf „ein veränderungsfähiges Team“ und einer konsequenten Digitalisierung gepaart mit finanzieller Stärke.

Die Gothaer hat in ihrem 200. Jahr rund 4,1 Millionen Kunden und ist „ein mittelständisches Unternehmen, das für den Mittelstand da ist“, so die eigene Definition. Und für diesen Mittelstand will die Gothaer künftig noch ein stärkerer Partner sein, für ihn individuelle Risikokonzepte erstellen und mit ihrer Underwriting-Kompetenz überzeugen. Zudem soll „die Loyalität zum Kunden gestärkt werden“. Übersetzt heißt das: Pro Kunde sollen mehr Verträge abgeschlossen werden, also die Cross-Selling-Quote erhöht werden, damit sich eine Kundenbeziehung auch rechnet. Das bedeutet für das „veränderungsfähige Team“ bis 2025 sicher vor allem viel Arbeit.

Betriebliche Krankenversicherung zaubert Lächeln ins Gesicht

Erfreulich sieht die Entwicklung bei der Gothaer Krankenversicherung aus, so die eigene Einschätzung des Unternehmens. Hier sei vor allem die betriebliche Krankenversicherung (bKV) ein wichtiger Wachstumstreiber. Im Jahr 2020 bedeutet dies ein Plus von 61.000 Personen. Dieses Plus geht in erster Linie auf die recht neue Kooperation der Gothaer mit der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland zurück. Und warum wollen die Kunden eine bKV? Das durch die Pandemie forcierte Gesundheitsbewusstsein der Menschen habe hier zu mehr bKV-Kunden geführt. Außerdem sei es für Unternehmen immer schwieriger, qualifizierte neue Mitarbeiter zu finden. Das Angebot einer betrieblichen Krankenversicherung könne hier als hilfreiches Bindungselement wirken.

Zusatzversicherungen sind und bleiben Wachstumstreiber

Wie für viele andere Marktteilnehmer ist auch für die Gothaer der Markt für Zusatzversicherungen äußerst wichtig. Hier konnte der Versicherer ein Plus von 6,1 Prozent verzeichnen (2019: 175.000 Euro, 2020: 186.000 Euro). So bleibt „die Zusatzversicherung ein zentraler Treiber“. Dies zeigt sich auch daran, dass „die Gothaer hier bereits 2019 mit höchstem Wachstum unter den Top 10“ rangierte.  

Die Entwicklung des KV-Sektors für 2020 bei der Gothaer in Zahlen: Der Rohüberschuss stieg um elf Prozent, der Jahresüberschuss blieb stabil bei 15 Millionen Euro. Die gebuchten Bruttobeiträge der Gothaer Krankenversicherung AG liegen mit 888 Millionen Euro aller Voraussicht nach um 2,6 Prozent über dem Niveau von 2019. Das Neugeschäft verzeichnet einen Anstieg von 13 Prozent.

Viele Haushalte und Firmen in finanziell angespannter Situation

Weitaus unschöner sieht es bei der Gothaer Lebensversicherung AG aus. Eine persönliche Beratung sei in der Lebensversicherung zwar immer noch wichtig, aber während der Pandemie hätten natürlich erkennbar weniger Beratungsgespräche stattgefunden. Viele Haushalte und Firmen befänden sich zudem in einer finanziell angespannten Situation. Dies führe dazu, dass diese Ausgaben vermieden oder eingrenzten. Jedoch würde das Zinsumfeld und Abwehrverhalten von Banken und Sparkassen dazu führen, dass das Einmalbeitragsgeschäft weiterhin wachse.

Und dennoch ist die Gothaer nicht wirklich zufrieden. O-Ton von Vorstandsmitglied Michael Kurtenbach: „Das Wachstum wurde durch Corona spürbar beeinträchtigt“. Und auch der seit heute beginnende Lockdown würde den vertriebsstärksten Monat Dezember sicher nochmals negativ beeinflussen. Hätten der Versicherer im Jahr 2019 noch 1,336 Milliarden Euro Brutto-Beiträge verbuchen können, seien es 2020 „nur“ 1,311 Milliarden Euro gewesen. Ein Rückgang von 1,9 Prozent. Ähnlich schlecht die Marktzahl: -1,8 Prozent

Einen Rückgang musste das Versicherungsunternehmen auch bei der Biometrie verbuchen und zwar um 2,6 Prozent (2019:227 Millionen Euro, 2020: 221 Millionen Euro).

Gothaer sieht sich als Vorreiter beim Thema „Nachhaltigkeit“

Die Gothaer sieht sich als Vorreiter beim Thema Nachhaltigkeit und will diese Position auch im kommenden Jahr weiter ausbauen. So war das auslaufende Jahr durch diverse Aktivitäten geprägt, auch im kommenden Jahr hat sich der Versicherer hier viel vorgenommen. So hat das Unternehmen zu Beginn des Jahres eine Stiftung gegründet, um einen „Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft“ zu leisten. Und erst kürzlich wurde die Gothaer durch die Zielke Research Consult zum nachhaltigsten deutschen Versicherer ausgezeichnet. Und für das Jahr 2021 ist geplant, Nachhaltigkeit in den Produktentwicklungsprozessen weiter zu integrieren und im 3. Quartal 2021 einen ersten Nachhaltigkeitsbericht zu veröffentlichen.

Nachhaltiges Agieren verbindet das Versicherungsunternehmen auch mit Schlagworten wie einer werteorientierten Unternehmensführung, einem Gesetzes- und Richtlinien-konformen Verhalten, dem Aufbau resilienter Strukturen, dem adäquaten Umgang mit Krisensituationen und einem verantwortungsvollen Umgang mit der Digitalisierung.

Unternehmen will längerfristige Kooperationen eingehen

Für das kommende Jahr hat sich der Versicherer beim Thema Nachhaltigkeit auch konkrete Ziele gesteckt. So will er die diesbezügliche Forschung fördern und die Öffentlichkeit für dieses relevante Thema sensibilisieren, sie will längerfristige Kooperationen mit anderen Stiftungen oder Naturschutzorganisationen eingehen und Projekte mit Bezug zu allen Dimensionen nachhaltiger Entwicklung fördern. Dazu gehören zum Beispiel das Solar-Dorf Kettmannshausen, die Deutsche Wildtier Stiftung und den Naturschutzbund Deutschland (NABU).

Und wie geht es weiter? Die Analyse der Gothaer: „Die Pandemie wird uns weiter begleiten und fordern“. Bedingt durch die zweite Welle und den zweiten Lockdown rechnen die Gothaer-Lenker auch 2021 mit weiteren Insolvenzen. Die Pandemie kann aber auch Chance sein. Sie ist aber auch „Katalysator für deutliche und nachhaltige Veränderungen in der Assekuranz.“ Das heißt für den Versicherer auch, dass sie ihren „Digitalisierungsgrad verbessern werden und müssen“ und zwar um das Drei- bis Fünf-Fache. Strammes Programm.

Aufgaben ab Januar 2021 auf mehr Schultern verteilt

Auch die finanziellen Vorstellungen für das kommende Jahr und die nahe Zukunft sind klar umrissen. So soll der Konzernjahresüberschuss bei > 80 Millionen Euro liegen, die Solvabilitätsbedeckung soll > 150 Prozent betragen und beim Rating muss mindestens ein A- rausspringen. Und die Bruttobeitragseinnahmen sollen bis 2025 bei 4.300 bis 4.500 Millionen Euro liegen. Ambitionierte Ziele. Aber ab dem 1. Januar 2021 werden die zahlreichen schwierigen Aufgaben auf „mehr Schultern verteilt“, denn dann verstärken die Branchenkenner Dr. Sylvia Eichelberg (Gothaer Krankenversicherung) und Thomas Bischof (Gothaer Allgemeine) die Vorstandsriege.

 

 

Autor(en): Meris Neininger

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