Wachstum in der privaten Krankenvollversicherung lässt sich seit vielen Jahren nur noch realisieren, wenn man seinen Konkurrenten Bestandskunden abjagt. Wer dabei wie erfolgreich ist.
Ein Ziel der letzten größeren Gesundheitsreform unter der Verantwortung der Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) war, den Wettbewerb innerhalb der privaten Krankenversicherung (PKV) zu intensivieren. Vollversicherte sollten leichter den Versicherer wechseln können, wenn der wegen Beitragsanpassungen nicht mehr als beste Wahl erscheint.
Eine Abwerbung ist nicht immer sinnvoll
Realisiert wurde das über eine Teilportabilität der Alterungsrückstellungen, die für alle seit 1. Januar 2009 verkauften Vollversicherungstarife vorgeschrieben ist. Dadurch entsteht eine zunehmende Transparenz darüber, wie intensiv sich die vergleichsweise wenigen Versicherer gegenseitig Kunden abwerben. Jede Abwerbung führt zu einem Gewinn an Alterungsrückstellungen beim einen und einem Verlust beim anderen Versicherer.
Die Gesamtzahlen werden von den meisten, allerdings nicht von allen Krankenversicherern veröffentlicht und können beispielsweise im aktuell erschienenen Map-Report 920 „Bilanzrating Private Krankenversicherung 2020“ sowie jährlich in der Zeitschrift für Versicherungswesen nachgelesen werden.
Die Abwerbung ist allerdings nicht immer sinnvoll. Alternativ kommt der Tarifwechsel innerhalb des Versicherers in Frage, auf den Kunden nach § 204 VVG einen Anspruch haben. Hierbei gehen dem Betroffenen keine Alterungsrückstellungen verloren.
Hanse Merkur intensiviert die Abwerbung
In einem Fünf-Jahresvergleich (2016 bis 2020) wird deutlich, welche Krankenversicherer in besonderem Maß von Umdeckungen profitieren und umgekehrt, welche dabei die Verlierer sind. Generell liegen die Summen abgegebener Alterungsrückstellungen geringer als diejenige der erhaltenen. Der Grund dürfte sein, dass unter den Krankenversicherern, die keine Zahlen veröffentlichen, mutmaßlich eher Verlierer von Alterungsrückstellungen zu finden sind.
Den größten Umdeckungserfolg erzielt die Hansemerkur mit jahresdurchschnittlich knapp 28 Millionen Euro Einnahmen aus Alterungsrückstellungen, die andere Versicherer nach Hamburg überweisen mussten. Abzüglich jahresdurchschnittlich rund neuen Millionen Euro Abgaben verbleiben damit knapp 19 Millionen Euro bei dem Unternehmen. So kann man Wachstum finanzieren.
Immer mehr PKV-Verträge mit Portabilität in den Beständen
Dabei scheint das Unternehmen seine Umdeckungserfolge zuletzt erheblich ausgedehnt zu haben, denn allein 2020 flossen 49,5 Millionen Euro nach Hamburg und damit etwa doppelt so viel wie in den auch schon sehr erfolgreichen Vorjahren. Das ist weit mehr als der normale Anstieg, der allein deshalb zu erwarten ist, weil seit 2009 immer mehr PKV-Verträge mit Portabilität in den Beständen liegen, sowie, weil diese von Jahr zu Jahr höhere Alterungsrückstellungen erreichen.
Deutliche Gewinner sind nach der Hansemerkur auch die Continentale, die Signal Iduna und Marktführer Debeka.
Die höchsten Verluste netto musste die DKV hinnehmen, die im Mittel der vergangenen fünf Jahre jedes Jahr knapp neun Millionen Euro an andere Versicherer verteilte. Dahinter folgt die Gothaer mit gut drei Millionen Euro jährlich.
Keine Zahlen gibt es vom viertgrößten PKV-Unternehmen Axa. Auch die Generali Kranken, vormals Central, nennt keine Zahlen. Sie dürfte seit Jahren zu den großen Nettoverlierern im Umdeckungswettkampf gehören, seit das Unternehmen ein wenig nachhaltiges, aggressives Bestandswachstum verfolgt und sich damit erhebliche Probleme ins Haus geholt hatte.
Umdeckung eher durch Ausschließlichkeit?
Für die PKV sind keine genauen Zahlen zu Vertriebswegeanteilen der einzelnen Versicherer öffentlich bekannt. Das erschwert eine Zuordnung der Umdeckungsaktivitäten zu bestimmten Vertriebswegen. Gliedert man die 27 PKV-Unternehmen mit Umdeckungszahlen nach ihrem vermutlich vorherrschenden Vertriebsweg, dann fällt auf, dass eher Ausschließlichkeits-fokussierte Versicherer zu den Nettogewinnern der Umdeckung gehören.
Von 14 Versicherern mit alleinigem oder überwiegendem Ausschließlichkeitsvertrieb gehören neun zu den Gewinnern und nur fünf zu den Verlierern beim Fünf-Jahres-Portabilitäts-Austausch. Bei neun Versicherern mit Multikanal-Vertrieb, die keinen vorherrschenden einzelnen Vertriebsweg aufweisen, sind nur vier Gewinner, aber fünf Verlierer. Sodann gibt es noch je zwei Krankenversicherer, die zu Konzernen und Gruppen mit Fokus entweder auf Makler- oder auf Bankvertrieb gehören. Hier sind Gewinner und Verlierer gleichverteilt.
Noch kein Rückschluss möglich
Daraus lässt sich allerdings noch kein Rückschluss ziehen, welche Vertriebswege innerhalb eines Versicherers welche Zielgruppen der Vollversicherung primär ansprechen und dabei welche Strategie anwenden – ob sie primär versuchen Neukunden ins PKV-System zu holen oder aber Bestandskunden anderer Gesellschaften umzudecken.
Autor(en): Matthias Beenken