In einem Online-Talk wurden kürzlich "aktuelle Fragen rund um die Corona-Pandemie und die Versicherung" diskutiert. Initiiert hatte diese Video-Konferenz die Forschungsstelle für Versicherungswesen an der Universität Münster. Hierzu lieferte auch Karen Bartel, Leiterin Recht und Compliance beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), ein Impulsreferat. Rund 130 Teilnehmer verfolgten diesen Talk im Netz.
Als absolut unproblematisch hat die Versicherungsexpertin Karen Bartel die Kontaktbeschränkungen, die sich durch die Corona-Pandemie ergeben haben, erlebt. Ihre Beobachtung: In weniger als zwei Wochen waren nicht nur alle GDV-Mitarbeiter, sondern auch alle Akteure der Versicherungswirtschaft zu 80 bis 90 Prozent im Homeoffice und arbeiteten dort problemlos weiter. O-Ton Bartel: „Dies ist für die Versicherungsbranche eine extrem positive Erfahrung. Das Arbeiten im Homeoffice hat überall super geklappt und die Branche hat bewiesen, dass sie weiterhin arbeitsfähig ist!“ Dies gelte für das Versicherungsgeschäft im Allgemeinen und auch für die Schadenabwicklung im Besonderen. Aktuell würden die Versicherungsunternehmen sehr langsam und sehr vorsichtig ihre Mitarbeiter wieder an ihre Büroarbeitsplätze zurückführen.
Eng mit den Bundesländern in Krisenstäben zusammengearbeitet
Zu Anfang der Pandemie und des Shutdowns hätte die Branche vor allem die Frage beschäftigt, was die Kontaktbeschränkung genau bedeutet. Auch wenn es zu massiven Einschränkungen wie in Italien, also zu Ausgangssperren, gekommen wäre, hätten auf jeden Fall Risikoträger, auch aus dem Bereich der Kapitalanlage, agieren müssen und können. Um hier gewappnet zu sein, hätte der GDV auch eng mit den Bundesländern in Krisenstäben zusammengearbeitet, um für einen derartigen Ernstfall gerüstet zu sein. Erfreulicherweise wäre dieser Ernstfall nicht eingetreten. Problematisch sei aber hingegen gewesen, dass es eben in den einzelnen Bundesländern so unterschiedliche Regelungen gegeben hätte und auch noch weiterhin gebe, um wirklich einheitlich und souverän agieren zu können.
Der GDV stand und steht auch in der Corona-Krise in engem Kontakt zur BaFin. Diese hätte bislang keinen außergewöhnlichen Anstieg des Beschwerdeaufkommens gemeldet, was ebenfalls eine erfreuliche Meldung sei. Für die Mitgliedunternehmen des GDV wurde im Intranet eine spezielle Plattform eingerichtet, über die die Unternehmen umfänglich über die aktuelle Lage informiert werden. Die diesbezüglichen Inhalte würden auch jetzt noch regelmäßig aktualisiert.
Covid-19-Gesetz innerhalb nur weniger Tage realisiert
Ausführlich referierte Karen Bartel auch über das Gesetz zur Abmilderung der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz und Strafrecht, kurz Covid-19-Gesetz. Hier lobte die Rechtsexperten das schnelle und gute Agieren der Bundesregierung, auch bei der Umsetzung notwendiger Gesetze, und sah diese politische Schlagkraft als untrügliches Zeichen dafür, „dass wir in einem funktionierenden Rechtstaat leben“. So geschehen auch mit dem Covid-19-Gesetz, das innerhalb nur weniger Tage realisiert wurde.
Dieses Gesetz beinhaltet, dass der Gesetzgeber unter anderem ein Leistungsverweigerungsrecht statuiert hat und zwar bei wesentlichen Dauerschuldverhältnissen. Dies sind solche Schuldverhältnisse, „die zur Eindeckung mit Leistungen zur Daseinsvorsorge erforderlich sind“, so der der gesetzliche Wortlaut. Dies gilt für Verbraucher als auch für Kleinstunternehmer und zwar für Verträge, die vor dem 8. März 2020 geschlossen wurden. Für diese Verträge haben die eben aufgeführten Personen ein Leistungsverweigerungsrecht, dieses erstreckt sich auf Pflichtversicherungen und Versicherungen der Grundversorgung, aber explizit und nach Wortlaut des Gesetzes auch auf Lebensversicherungen. Dieses Recht auf Leistungsverweigerung war bislang bis zum 30. Juni 2020 ausgelegt. Dieser Zeitraum soll nun höchstwahrscheinlich um drei Monate verlängert werden und zwar bis Ende September. Diese Entscheidung ist, so die Aussage von Bartel, ist erst einen Tag vor der Veranstaltung der Forschungsstelle, also am 18. Juni 2020, gefallen.
Kündigungsmöglichkeit für Miet- und Pachtverträge beschränkt
Ein anderer wichtiger Aspekt dieses neuen Gesetzes ist, dass die Kündigungsmöglichkeit für Miet- und Pachtverträge beschränkt ist und zwar dann, wenn dem Kunden aus Corona-bedingten Gründen nicht mehr möglich ist, seine Miete oder Pacht zu bezahlen. Auch diese Regelung sollte nur bis Ende Juni gelten und wird nun bis zum 31. September 2020 verlängert. Diese gesetzliche Regelung berührt in erster Linie die Kapitalanlagen der Versicherer.
Ein wenig anders sieht die Situation bei den Darlehensverträgen aus. Hierfür gilt kein Leistungsverweigerungsrecht, sondern nur eine Möglichkeit der gesetzlichen Stundung. Diese Möglichkeit soll wie geplant Ende Juni auslaufen und wird nicht, wie bei den zuvor geschilderten Vertragsarten, verlängert.
Hauptversammlung von Aktiengesellschaften in Corona-Zeiten
Ein ganz großes Problem mit dem sich der GDV und die Versicherungswirtschaft auch schon im März beschäftigen mussten, war das Thema Hauptversammlung von Aktiengesellschaften und auch von Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit. Der Grund: Wegen der Kontaktbeschränkungen konnten diese natürlich nicht im gewohnten Rahmen stattfinden. „Aus diesem Grund musste ganz schnell eine Lösung für dieses Problem gefunden werden. Und diese wurde auch innerhalb weniger Tage geboren“, beschreibt die Rechtsexperten die schwierige Lage und zwar seitens des Gesetzgebers. Dieser hat erstmalig die Möglichkeit geschaffen, eine gänzlich virtuelle HV ohne physische Präsenz abzuhalten. Diese Regelung nennt der Gesetzgeber: „große Lösung“. Zudem hat er auch noch Erleichterungen geschaffen, indem er die Achtmonatsfrist verlängert sowie die Einladungsfristen verkürzt hat. Zudem wurden die Fragerechte und Anfechtungsmöglichkeiten eingeschränkt. Diese Regelungen gelten nun für alle Hautversammlungen im laufenden Jahr.
Bartel kommentierte diese zeitlich beschränkte Regelung folgendermaßen: „Ich bin gespannt, ob der Gesetzgeber den Unternehmen diese Möglichkeit auch nach der Covid-19-Phase eröffnet und dies auch im Aktiengesetz und dem VHG verankert. Wir als Verband würden dies sehr begrüßen.“ Meldungen von den Unternehmen zeigten, dass sie sich dies wünschten, denn mit dieser neuen Lösung könnten die Häuser sehr gut arbeiten.
EIOPA und BaFin in puncto pauschaler Ausschüttung nicht einer Meinung
Auf wenig Verständnis ist die Aufforderung der EIOPA beim GDV gestoßen, dass die Versicherer in der Corona-Zeit Dividenden und Anteilsrückkäufe temporär aussetzen sollten. Und wenn es seitens der Versicherer doch gesetzliche Gründe für eine Auszahlung gebe, sollte man dies gegenüber den nationalen Behörden begründen. Schützenhilfe erhielten die Versicherer und ihr Gesamtverband hier aber von der BaFin. Diese stellte in einer Pressemitteilung klar, dass sie eine pauschale Ausschüttung für den Versicherungssektor ablehnt. Hier müsse immer die individuelle wirtschaftliche Situation des jeweiligen Unternehmens berücksichtigt werden. Der Wortlaut der BaFin hierzu: „Ein pauschales Ausschüttungsverbot für Versicherungsunternehmen und Pensionskassen ist derzeit nicht geboten“.
Autor(en): Meris Neininger