Die Lebensversicherer wälzen die Folgen der Niedrigzinspolitik einseitig auf ihre Versicherten ab, lautet der Tenor eines "Spiegel Online"-Artikels, der sich auf den Bundestagsabgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen Gerhard Schick beruft. Die Niedrigzinsphase gehe "voll zu Lasten der Versicherten", während die Versicherer ihre Gewinne "wie eh und je" kassierten, wird Schicks Reaktion auf die Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage in dem Online-Artikel zitiert. Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) weist diese Kritik von sich.
Der GDV räumt ein, dass die anhaltend niedrigen Zinsen die Lebensversicherer belasteten. Aber der Vorwurf, die die Unternehmen wälzten die Last auf ihre Kunden ab, sei schlicht falsch. "Über 95 Prozent der erwirtschafteten Erträge kommen den Kunden zu Gute", so der Verband.
Faire Lastenverteilung
Richtig sei vielmehr, dass die Lasten des Niedrigzinsumfeldes "fair" zwischen Versicherten und Versicherern geteilt würden. Mit dem für erwirtschafteten Garantiezins, dem Rohüberschuss und der Zinszusatzreserve hätten die Lebensversicherer im Zeitraum von 2011 bis 2016 rund 256 Milliarden Euro erwirtschaftet. Davon gingen 96,3 Prozent an die Versicherten (rund 246 Milliarden Euro) und 3,7 Prozent an die Unternehmen (9,5 Milliarden Euro).
Laut dem Online-Artikel führten die Lebensversicherer immer größere Summen etwa an ihre Muttergesellschaften ab, obwohl das Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) vorsehe, dass die Unternehmen Gewinne nicht mehr an die Eigentümer auszahlen dürften, wenn die Leistungen für die Versicherten gefährdet seien. Die Zahl der Unternehmen mit Gewinnabführungsverträgen sei seit Inkrafttreten des Gesetzes von 23 im Jahr 2013 auf 31 im Jahr 2016 gestiegen.
Gewinne fließen ins Eigenkapital
Diese Kritik sei unbegründet, sagt der GDV. Denn ein großer Teil der abgeführten Gewinne fließe als Eigenkapital zurück in die Lebensversicherungsunternehmen und stärke damit deren Risikotragfähigkeit: "Zwischen 2011 und 2016 haben die Lebensversicherer rund 3,7 Milliarden Euro an zusätzlichem Eigenkapital aufgebaut." Die Kunden profitierten davon unmittelbar, denn dies sichere ihre Leistungsansprüche im Niedrigzinsumfeld.
Auch der Zusammenhang zwischen der Ausschüttungssperre durch das LVRG von 2014 und einer Zunahme der Gewinnabführungen zur Umgehung der Ausschüttungssperre sei nicht zu halten. Tatsächlich seien 2014 rund eine Milliarde Euro über Gewinnabführungsverträge abgeführt worden. Das seien rund 100 Millionen Euro mehr gewesen als im Jahr 2013, in dem das LVRG noch nicht in Kraft stand.
Der GDV veröffentlicht außerdem weitere Fakten
- "Die Zinszusatzreserve (ZZR) wurde 2011 eingeführt, um in Zeiten niedriger Zinsen die langfristigen Garantien für die Kunden zusätzlich abzusichern. Für die künftigen Garantiezinsen der Kunden haben die Versicherer von 2011 bis Ende 2016 rund 44 Milliarden Euro für die ZZR bereitgestellt.
- Gewinnabführungsverträge gehen nicht zu Lasten der Kunden: Vielmehr wurden und werden auch abgeführte Gewinne zur Stärkung der Eigenkapitalbasis genutzt. Zugleich ist solch ein Vertrag auch immer ein Verlustübernahmevertrag."
Quellen: "Spiegel Online", GDV
Autor(en): Versicherungsmagazin.de