Vor rund zwei Jahre hat die EU-Kommission erste Vorschläge für einen Review des Aufsichts- und Stabilitätsregelwerks Solvency II vorgelegt. Kürzlich hat nun das EU-Parlament mit Kompromissen für seine Änderungsanträge nachgelegt.
Die deutschen Versicherungsunternehmen erachten die Vorschläge des Europäischen Parlaments (EP) für die Überarbeitung des Aufsichtsrechts Solvency II für ausgewogen.
Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), kommentiert die Entscheidung so: „Die vorgesehenen Änderungen an den Kapitalanforderungen bilden das Risiko negativer Zinsen besser ab, lassen den Versicherern aber auch Spielraum für langfristige Investitionen, zum Beispiel in die Transformation unserer Volkswirtschaft“. Besonders erfreut zeigt sich der Verband, dass die Regeln zu langfristigen Zinsen, mit denen die Versicherer ihre Verpflichtungen bewerten, im EP-Papier moderater ausfallen als in den Plänen der EU-Kommission.
Kleinere Versicherer von den umfangreichen Berichtspflichten stärker entlasten
Was sich nach Ansicht des GDV noch ändern muss, ist, dass kleinere Versicherer von den umfangreichen Berichtspflichten stärker entlastet werden müssen. „Es ist richtig, Proportionalität zukünftig automatisiert anzuwenden, auch wenn wir uns wünschen, dass mehr kleinere Versicherer von diesen Proportionalitätsregeln erfasst werden“, ist Asmussen überzeugt. Dies bedeute keine Abkehr einer sicherheitsorientierten Ausrichtung. Auch diese Unternehmen sollten Solvency II anwenden, jedoch in einer für sie praktikablen und angemessenen Art und Weise.
Eine stärkere Berücksichtigung des Proportionalitätsprinzips wünscht sich der GDV auch bei der Ausgestaltung von Sanierungs- und Abwicklungsplänen für Versicherer, die ergänzend zu Solvency II in der Insurance Recovery and Resolution Directive (IRRD) geregelt werden und über die das EP heute ebenfalls abgestimmt hat. „Es ist vernünftig, dass sich Unternehmen und Aufseher für künftige Krisen wappnen. Pauschale Regeln, die das Risiko eines einzelnen Unternehmens für die Finanzstabilität außer Acht lassen, sind aber unnötig“, so Asmussen.
Weg frei für Trilog-Verhandlungen mit Europäischen Kommission und EU-Rat
Mit der Positionierung des EP zum Solvency II-Review ist der Weg frei für die sogenannten Trilog-Verhandlungen mit der Europäischen Kommission und dem EU-Rat – bestehend aus Vertretern der Mitgliedsstaaten. Der Rat hatte vor gut einem Jahr seine Position beschlossen, nachdem die EU-Kommission den Regulierungsvorschlag im September 2021 vorgelegt hatte. Der GDV kann nicht abschätzen, ob der Trilog-Prozess noch vor den Europa-Wahlen Juni 2024 abgeschlossen sein wird, denkt aber, dass dies möglich ist.
Solvency II wurde 2016 als risikobasiertes Regelsystem eingeführt. Mit seiner Einführung wurde zugleich ein Evaluierungszeitraum verankert, um die Wirkung der Regeln zu überprüfen und zu überarbeiten.
Quelle: GDV
Autor(en): versicherungsmagazin.de