FitchRatings im Clinch mit deutschen Versicherern

Die Vorgehensweise der britischen Ratingagentur Fitch lieferte der deutschen Versicherungsbranche in den letzten Jahren wiederholt Diskussionsstoff. Nach "fitchmäßigen" Kapital-Adäquanz-Noten sorgt jetzt ein geplantes Q-Rating aller Versicherer am deutschen Markt "made by FitchRatings" für Unruhe. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) kritisiert das Vorgehen scharf.

Böse Zungen behaupten, dass alle Aktionen inklusive eigener Stress-Test-Verfahren, die das Agenturhaus FitchRatings bisher in Deutschland durchgezogen hat, Strategie eines ausgeklügelten Marketing-Plans zur erfolgreichen Kunden-Akquisition seien. Dem widerspricht man bei FitchRatings natürlich. Die Veröffentlichung des so genannten Q-Ratings, das vor kurzem angekündigt wurde, soll nach Aussagen des Deutschland-Chefs von FitchRatings, Jens Schmidt-Bürgel, ungeachtet aller Kritik auf jeden Fall stattfinden.
In der Praxis bedeutet dies: Die öffentlich zugänglichen Geschäftsergebnisse von bis zu 200 europäischen Versicherungs-Unternehmens-Gruppen will FitchRatings zusammentragen und in einer Art abgespecktem Rating gegeneinander halten.

Dazu muss man wissen, dass im Haus Fitch nicht nur Marketing-Leute, sondern auch Bilanz-Spezialisten und Versicherungs-Experten das Sagen haben. FitchRatings zählt zu den vier großen international tätigen Rating-Agenturen, zu denen auch AMBest, Moodys und Standard & Poor’s gehören. Von den mehr als 1.250 Mitarbeitern sind über 700 als Analysten tätig - in Büros, die weltweit in über 40 Staaten installiert wurden. Die Zentralen befinden sich in London und New York. Zu den wichtigsten Fitch-Büros zählt neben Paris, Chicago und Tokio auch die Niederlassung in Frankfurt (Gründung 1999). Dort agieren derzeit acht Mitarbeiter.

Für das Q-Rating ("Q" steht für quantitativ), das zurzeit für Zündstoff sorgt, ist nach Fitch-Aussagen ausreichend Bedarf vorhanden. Schließlich sehe man jetzt auch eine Möglichkeit, über die methodischen Grundlagen des Q-Ratings für Versicherer öffentlich zu diskutieren. Dazu muss man wissen, dass in der Fachwelt hierzulande bisher drei Rating-Modelle geläufig sind. Wenn es um Ratings zur
- Finanzstärke und Bonität eines Unternehmens geht, haben sich neben Fitch, AMBest, Moodys und Standard & Poor’s einen Namen gemacht.
- Bei Mischformen aus Produkt- und Unternehmens-Rating liefern Assekurata, Morgen&Morgen sowie map-report kontinuierlich Rating-Ergebnisse.
- Reine Produkt-Ratings sind bei Franke&Bornberg sowie der Stiftung Warentest nachzufragen.

Ähnlich wie "pi-Ratings"
Beim Q-Rating von Fitch handelt es sich nach eigenen Angaben um ein abgespecktes so genanntes Insurer Financial Strength Rating (IFS). Es sei im Wesentlichen mit dem klassischen pi-Rating ("pi" steht für public information) gleichzusetzen. Es gibt keine Experten-Gruppe wie etwa ein Rating-Komitee, dem die Ergebnisse vor der Veröffentlichung vorgelegt werden.

Interaktive Ratings
Neben den pi-Ratings gibt es noch die so genannten interaktiven Ratings. Hier erteilt beispielsweise ein Versicherer einer Rating-Agentur den Auftrag, ein so genanntes IFS-Rating vorzunehmen. Das kostet Geld. Genaue Kosten-Angaben seien nicht darstellbar, da die Größe des Unternehmens und andere individuelle Daten zu sehr von einander abweichen.

Da aber vor allem kleine Versicherer - auch aus Kostengründen - weniger über Ratings nachdenken, will Fitch mit dem Q-Rating eine neue Art der Transparenz erreichen. Das aber kritisiert der GDV.

Kritik: zu wenige Details
Bisher sind nach GDV-Aussagen zu wenige Details über das Q-Rating "made by Fitch" bekannt. Damit verstoße man gegen den Rating-Verhaltenskodex, den die IOSCO (Vereinigung der Börsenaufsichtsbehörden) gerade erst wieder öffentlich machte.
Kritikwürdig nach GDV-Aussagen sei auch die Fitch-Bewertung der Kapitalanlagen, die Nutzung der Vorjahres-Daten und die Beeinflussung durch Marktanteils-Angaben. Im Übrigen sei es unverständlich, weshalb Fitch die Muttergesellschaft eines Versicherers nicht in seine Bewertungen einbeziehe.

Massiver Druck
Schließlich befürchte man durch das neue Q-Rating massiven Druck auf Unternehmen, ein bezahltes, interaktives Rating bei Fitch zu bestellen, da dadurch eine fundierte Positionierung möglich werde. Der GDV schreibt dazu wörtlich: „Da der einzige Ausweg aus diesem von Fitch geschaffenen künstlichen Dilemma der Kauf eines interaktiven Ratings ist, kann man den ganzen Vorgang als den unglaublichen Versuch durch Fitch betrachten, in Deutschland Geschäft zu gewinnen.“

Die Hallesche Krankenversicherung a.G. in Stuttgart mischt sich ebenfalls öffentlich in die Diskussion ein. In ihrer jüngsten Presse-Mitteilung präzisiert sie, dass FitchRatings in den kommenden Tagen vermutlich einmal mehr für Irritationen auf dem Markt der privaten Krankenversicherung sorge. Mit ihrem angekündigten Q-Rating versuche Fitch einen zweiten Anlauf, um "eine umfassende Verbreitung ihrer Ratings zu erreichen".

Prognosen haben sich nicht bewahrheitet
FitchRatings habe schon einmal mit einem Report im November 2003 "für erheblichen Wirbel um die private Krankenversicherung gesorgt". Damals waren mehrere Insolvenzen bei privaten Krankenversicherern hierzulande prognostiziert worden. Sie hätten sich allerdings bisher nicht bewahrheitet.

Die Versicherer laufen Sturm gegen die Fitch-Ankündigung, weil Ratings auch im deutschen Markt immer wichtiger werden. Mit der Vermittler-Richtlinie wird beispielsweise auch vorausgesetzt, dass Makler und Vermittler sich über die Ratings einzelner Gesellschaften kundig machen, denen Produkte sie vermitteln wollen. Schlechte Ratings schaden dem Verkauf. Denn wenn sie Produkte von schlecht gerateten Versicherern anbieten, machen sie sich im Zweifelsfall haftbar.

Autor(en): Ellen Bocquel

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