Überraschend schnell ist der Trilog zwischen Europäischer Kommission, Parlament und Rat zu einem Ergebnis gekommen. Der Ersatz der EU-Vermittlerrichtlinie bekommt einen neuen Namen und einen neuen Charakter.
Damit hatte kein Beobachter des Geschehens gerechnet: Schon rund zwei Wochen nach dem Start der sogenannten Trilog-Verhandlungen zwischen den drei europäischen Institutionen Kommission, Parlament und Rat haben sich diese auf den Ersatz der EU-Vermittlerrichtlinie geeinigt. Eigentlich war das Verfahren bis Mai angesetzt worden.
Verursacher der Finanzkrise regulieren
Vorausgegangen war bereits Mitte 2012 ein Vorschlag der EU-Kommission, angesichts der Finanzkrise und des maßgeblichen Beitrags, den Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler dazu geleistet haben, diese schärfer zu regulieren. Unter dem Titel Insurance Mediation Directive 2 (IMD 2) wollte die Kommission eine Offenlegung der Provisionen, ein Courtageverbot für komplexe Lebensversicherungen bei unabhängiger Vermittlung oder die laufende Weiterbildung der Vermittler verlangen und drastische Strafen bei Verstößen gegen das Vermittlerrecht einführen. Das Parlament hatte diese Vorstellungen Anfang 2014 abgemildert und insbesondere die Offenlegung konkreter Provisionen sowie das Provisionsverbot wieder gestrichen.
Schließlich legte der Rat im Herbst 2014 nach und schlug neben einigen inhaltlichen Änderungen auch einen neuen Titel Insurance Distribution Directive (Versicherungsvertriebsrichtlinie) oder kurz IDD vor. Damit wollte er verdeutlichen, dass die IDD anders als die heute gültige IMD 1 nicht nur selbstständige Vermittler trifft, sondern jede Form des Versicherungsverkaufs, also auch beispielsweise Direktvertrieb, Angestelltenvertrieb der Versicherer oder Vergleichsportale.
Erfahrungen aus den Nachbarländern ausschlaggebend
Im Trilog ist der Name erneut modifiziert worden und wird jetzt InDD lauten. Das steht für Insurance non-Distribution Directive oder auf deutsche Versicherungsnichtvertriebsrichtlinie.
Der Hintergrund dieser eher unscheinbaren Namensänderung ist, dass die Vertreter Großbritannien und der Niederlande im Trilog auf entscheidende Änderungen im Anwendungsbereich der Richtlinie gedrungen haben. Der oberste Versicherungs- und Finanzaufseher Englands, Nick Moneyverbrenni, hatte in einer geheimen Anhörung von unhaltbaren Zuständen im britischen Versicherungsvertrieb berichtet. Nach der stufenweisen Einführung verschiedener Regulierungsmaßnahmen seit 1987, unter anderem einer Provisionsoffenlegung und schließlich 2013 einem Provisionsverbot, ist die Zahl der Vermittler dort von 187.000 auf heute noch rund 31.000 zurückgegangen. "Wir haben eine enorme Beratungslücke", so der Finanzfachmann, "nur noch jeder zehnte Brite kann eine Finanz- und Vorsorgeberatung erhalten, weil einfach die Vermittler fehlen und die Honorare deutlich höher liegen als früher die Provisionen."
Auch Geerd van Agentenschreck von der niederländischen Finanzaufsicht hatte in einer Stellungnahme vor den verheerenden Folgen des ebenfalls 2013 im Nachbarland eingeführten Provisionsverbots berichtet. Weniger als 8.000 Vermittler überlebten die Regulierung und kommen nicht mehr hinterher, die Niederländer mit der dringend benötigten Vorsorge auszustatten. "Wir erwägen inzwischen, arbeitslose Versicherungsvertreter aus Deutschland abzuwerben. Nach einem Crashkurs in Holländisch würden sie unseren Maklern helfen, die schlimmsten Vorsorgenotstände zu beseitigen." Selbst eine Wiedereinführung einer Provision wird im Kampf gegen die Beratungslücke und deren Folge Altersarmut nicht mehr ausgeschlossen. "Das ist zwar letztes Mittel, weil wir unsere Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen, aber ich fürchte, uns wird nichts anderes übrigbleiben."
Sachkunde analog Verbraucherzentralen
Daraus hat man nun auf europäischer Ebene Konsequenzen gezogen und die Richtlinie geändert. Ein Bündel aus Maßnahmen soll dazu führen, dass sich wieder mehr Menschen für den Vermittlerberuf interessieren und diese Aufgaben übernehmen. Mit großem Erstaunen haben beispielsweise deutsche Bildungsexperten zur Kenntnis genommen, dass die Sachkundeanforderung der Vermittler auf diejenige für deutsche Verbraucherzentralen nach § 8 Absatz 1 Nr. 4 Rechtsdienstleistungsgesetz geändert wird.
Wie ein Sprecher des Bundesjustiz- und -verbraucherschutzministeriums auf Nachfrage bestätigte, heißt das konkret, dass es künftig keine Sachkundeanforderung mehr gibt.
Auch die schon im ersten Entwurf einer IMD 2 vorgesehene, allgemeine Wohlverhaltensregel wird erweitert. Bisher war nur gefordert, dass Versicherer und Vermittler "bei ihrer Versicherungsvermittlungstätigkeit gegenüber ihren Kunden ehrlich, redlich und professionell in deren bestmöglichem Interesse handeln." Das wird nun ergänzt um den Hinweis: "Versicherer und Vermittler, die ihren Kunden keinen ausreichenden Versicherungsschutz verkaufen, haften für daraus entstehende Schäden und entgehende Vorsorgeleistungen."
Schuldenschnitt bei der Stornohaftung
Versicherungsunternehmen werden verpflichtet, zur Erfüllung dieser Anforderung die Existenzgründung von Vermittlerbetrieben durch das Angebot lebenslänglicher Garantiezahlungen in noch festzulegender Höhe zu fördern. Einem Vorschlag aus Griechenland folgend soll es einen gesetzlichen Schuldenschnitt für Stornoprovisionen geben. Die Quote der beschnittenen Schulden steigt progressiv mit der Höhe der Stornoprovisionen an. Die Forderung von Strukturvertrieben, einen Verzicht auf mehr als 100 Prozent der Stornoprovisionen vorzuschreiben, hat sich allerdings nicht durchgesetzt. Dazu St. Rukki, Vorstand des größten Strukturvertriebs ABCD: "Die EU hat damit die Chance vertan, die Stornohaftung zu einer wesentlichen Finanzierungsquelle für den Vertrieb zu machen."
Auch die Sanktionen bei Verstoß gegen die InDD wurden gegenüber dem Entwurf der IMD 2 geändert. Dort war noch vorgesehen, dass Vermittler bei regelwidrigem Verhalten mit einer Abschöpfung des doppelten, mit dem Verstoß erzielten Gewinns bestraft werden. Stattdessen müssen Vermittler nun bei terminschwachem Verhalten, das voraussichtlich über eine Rechtsverordnung auf mindestens zehn Beratungstermine am Tag präzisiert wird, mit der Nachholung der doppelten Terminzahl am Wochenende rechnen.
Incentives gezielt einsetzen
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft wird seinen Verhaltenskodex für den Vertrieb von Versicherungsprodukten ebenfalls in einem wichtigen Punkt anpassen müssen. Betroffen ist die Aussage, dass die Unabhängigkeit von Versicherungsmaklern nicht durch Incentives gefährdet werden darf. Denn nach der InDD ist künftig ganz im Gegenteil vorgesehen, dass Versicherungsmakler zur Erfüllung ihrer Pflichten als Sachwalter des Kunden von den Versicherern in geeigneter Weise angehalten und angereizt werden sollen. Auch hier muss noch eine Rechtsverordnung Klarheit schaffen, ob dazu die Vergabe von Ferraris als Dienstwagen bei erfolgreicher Produktion - so jedenfalls ein Vorschlag aus Italien - oder die Lieferung von einer Magnumflasche Champagner je 100 Euro vermittelter Prämie eingeführt wird, wie es Frankreich fordert.
Der Text der neuen Richtlinie InDD steht allen Interessierten nur in der fünften Jahreszeit auf einem nicht freigeschalteten Kölner Server zum Download zur Verfügung. Für unsere Leserinnen und Leser aus den karnevalsfernen Regionen Deutschlands weisen wir besonders darauf hin, dass heute Rosenmontag und dieser Artikel ein Karnevalsscherz ist.
Bildquelle: © Senoldo/Fotolia
Damit hatte kein Beobachter des Geschehens gerechnet: Schon rund zwei Wochen nach dem Start der sogenannten Trilog-Verhandlungen zwischen den drei europäischen Institutionen Kommission, Parlament und Rat haben sich diese auf den Ersatz der EU-Vermittlerrichtlinie geeinigt. Eigentlich war das Verfahren bis Mai angesetzt worden.
Verursacher der Finanzkrise regulieren
Vorausgegangen war bereits Mitte 2012 ein Vorschlag der EU-Kommission, angesichts der Finanzkrise und des maßgeblichen Beitrags, den Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler dazu geleistet haben, diese schärfer zu regulieren. Unter dem Titel Insurance Mediation Directive 2 (IMD 2) wollte die Kommission eine Offenlegung der Provisionen, ein Courtageverbot für komplexe Lebensversicherungen bei unabhängiger Vermittlung oder die laufende Weiterbildung der Vermittler verlangen und drastische Strafen bei Verstößen gegen das Vermittlerrecht einführen. Das Parlament hatte diese Vorstellungen Anfang 2014 abgemildert und insbesondere die Offenlegung konkreter Provisionen sowie das Provisionsverbot wieder gestrichen.
Schließlich legte der Rat im Herbst 2014 nach und schlug neben einigen inhaltlichen Änderungen auch einen neuen Titel Insurance Distribution Directive (Versicherungsvertriebsrichtlinie) oder kurz IDD vor. Damit wollte er verdeutlichen, dass die IDD anders als die heute gültige IMD 1 nicht nur selbstständige Vermittler trifft, sondern jede Form des Versicherungsverkaufs, also auch beispielsweise Direktvertrieb, Angestelltenvertrieb der Versicherer oder Vergleichsportale.
Erfahrungen aus den Nachbarländern ausschlaggebend
Im Trilog ist der Name erneut modifiziert worden und wird jetzt InDD lauten. Das steht für Insurance non-Distribution Directive oder auf deutsche Versicherungsnichtvertriebsrichtlinie.
Der Hintergrund dieser eher unscheinbaren Namensänderung ist, dass die Vertreter Großbritannien und der Niederlande im Trilog auf entscheidende Änderungen im Anwendungsbereich der Richtlinie gedrungen haben. Der oberste Versicherungs- und Finanzaufseher Englands, Nick Moneyverbrenni, hatte in einer geheimen Anhörung von unhaltbaren Zuständen im britischen Versicherungsvertrieb berichtet. Nach der stufenweisen Einführung verschiedener Regulierungsmaßnahmen seit 1987, unter anderem einer Provisionsoffenlegung und schließlich 2013 einem Provisionsverbot, ist die Zahl der Vermittler dort von 187.000 auf heute noch rund 31.000 zurückgegangen. "Wir haben eine enorme Beratungslücke", so der Finanzfachmann, "nur noch jeder zehnte Brite kann eine Finanz- und Vorsorgeberatung erhalten, weil einfach die Vermittler fehlen und die Honorare deutlich höher liegen als früher die Provisionen."
Auch Geerd van Agentenschreck von der niederländischen Finanzaufsicht hatte in einer Stellungnahme vor den verheerenden Folgen des ebenfalls 2013 im Nachbarland eingeführten Provisionsverbots berichtet. Weniger als 8.000 Vermittler überlebten die Regulierung und kommen nicht mehr hinterher, die Niederländer mit der dringend benötigten Vorsorge auszustatten. "Wir erwägen inzwischen, arbeitslose Versicherungsvertreter aus Deutschland abzuwerben. Nach einem Crashkurs in Holländisch würden sie unseren Maklern helfen, die schlimmsten Vorsorgenotstände zu beseitigen." Selbst eine Wiedereinführung einer Provision wird im Kampf gegen die Beratungslücke und deren Folge Altersarmut nicht mehr ausgeschlossen. "Das ist zwar letztes Mittel, weil wir unsere Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen, aber ich fürchte, uns wird nichts anderes übrigbleiben."
Sachkunde analog Verbraucherzentralen
Daraus hat man nun auf europäischer Ebene Konsequenzen gezogen und die Richtlinie geändert. Ein Bündel aus Maßnahmen soll dazu führen, dass sich wieder mehr Menschen für den Vermittlerberuf interessieren und diese Aufgaben übernehmen. Mit großem Erstaunen haben beispielsweise deutsche Bildungsexperten zur Kenntnis genommen, dass die Sachkundeanforderung der Vermittler auf diejenige für deutsche Verbraucherzentralen nach § 8 Absatz 1 Nr. 4 Rechtsdienstleistungsgesetz geändert wird.
Wie ein Sprecher des Bundesjustiz- und -verbraucherschutzministeriums auf Nachfrage bestätigte, heißt das konkret, dass es künftig keine Sachkundeanforderung mehr gibt.
Auch die schon im ersten Entwurf einer IMD 2 vorgesehene, allgemeine Wohlverhaltensregel wird erweitert. Bisher war nur gefordert, dass Versicherer und Vermittler "bei ihrer Versicherungsvermittlungstätigkeit gegenüber ihren Kunden ehrlich, redlich und professionell in deren bestmöglichem Interesse handeln." Das wird nun ergänzt um den Hinweis: "Versicherer und Vermittler, die ihren Kunden keinen ausreichenden Versicherungsschutz verkaufen, haften für daraus entstehende Schäden und entgehende Vorsorgeleistungen."
Schuldenschnitt bei der Stornohaftung
Versicherungsunternehmen werden verpflichtet, zur Erfüllung dieser Anforderung die Existenzgründung von Vermittlerbetrieben durch das Angebot lebenslänglicher Garantiezahlungen in noch festzulegender Höhe zu fördern. Einem Vorschlag aus Griechenland folgend soll es einen gesetzlichen Schuldenschnitt für Stornoprovisionen geben. Die Quote der beschnittenen Schulden steigt progressiv mit der Höhe der Stornoprovisionen an. Die Forderung von Strukturvertrieben, einen Verzicht auf mehr als 100 Prozent der Stornoprovisionen vorzuschreiben, hat sich allerdings nicht durchgesetzt. Dazu St. Rukki, Vorstand des größten Strukturvertriebs ABCD: "Die EU hat damit die Chance vertan, die Stornohaftung zu einer wesentlichen Finanzierungsquelle für den Vertrieb zu machen."
Auch die Sanktionen bei Verstoß gegen die InDD wurden gegenüber dem Entwurf der IMD 2 geändert. Dort war noch vorgesehen, dass Vermittler bei regelwidrigem Verhalten mit einer Abschöpfung des doppelten, mit dem Verstoß erzielten Gewinns bestraft werden. Stattdessen müssen Vermittler nun bei terminschwachem Verhalten, das voraussichtlich über eine Rechtsverordnung auf mindestens zehn Beratungstermine am Tag präzisiert wird, mit der Nachholung der doppelten Terminzahl am Wochenende rechnen.
Incentives gezielt einsetzen
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft wird seinen Verhaltenskodex für den Vertrieb von Versicherungsprodukten ebenfalls in einem wichtigen Punkt anpassen müssen. Betroffen ist die Aussage, dass die Unabhängigkeit von Versicherungsmaklern nicht durch Incentives gefährdet werden darf. Denn nach der InDD ist künftig ganz im Gegenteil vorgesehen, dass Versicherungsmakler zur Erfüllung ihrer Pflichten als Sachwalter des Kunden von den Versicherern in geeigneter Weise angehalten und angereizt werden sollen. Auch hier muss noch eine Rechtsverordnung Klarheit schaffen, ob dazu die Vergabe von Ferraris als Dienstwagen bei erfolgreicher Produktion - so jedenfalls ein Vorschlag aus Italien - oder die Lieferung von einer Magnumflasche Champagner je 100 Euro vermittelter Prämie eingeführt wird, wie es Frankreich fordert.
Der Text der neuen Richtlinie InDD steht allen Interessierten nur in der fünften Jahreszeit auf einem nicht freigeschalteten Kölner Server zum Download zur Verfügung. Für unsere Leserinnen und Leser aus den karnevalsfernen Regionen Deutschlands weisen wir besonders darauf hin, dass heute Rosenmontag und dieser Artikel ein Karnevalsscherz ist.
Bildquelle: © Senoldo/Fotolia
Autor(en): Matthias Beenken