Die Ratingagentur Assekurata hat die Lebensversicherer einem Fitnesstest unterzogen: Der EKG-Check der Analysten deckt große Unterschiede in der Ertragskraft der Unternehmen auf.
EKG bedeutet im vorliegenden Fall nicht Elektrokardiogramm sondern Ertragskraft-Garantie-Check, den die Analysten auf 75 Anbieter anwendeten. Die Studie liefert im Vergleich zum Vorjahr neue Aspekte. Beispielsweise werden die EKG-Quoten der Versicherer nun mit ihren Solvenzquoten unter Solvency II abgeglichen.
Bestandszins der Kapitalanlagen gefährdet
Die Studie analysiert die Break-Even-Nettoverzinsung, die die Mindestanforderungen an den Kapitalanlagertrag zeigt. Für 2016 lag sie im Durchschnitt bei 3,15 Prozent und damit erneut oberhalb der Drei-Prozent-Marke. "Dies bedeutet, dass eine Nettoverzinsung unter 3,15 Prozent rechnerisch zu einem negativen Branchen-Rohüberschuss geführt hätte", erläutert Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Studien-Autor. Faktisch sei diese Hürde mit 4,34 Prozent um 1,19 Prozentpunkte überschritten worden. Diese Differenz spiegele sich in der der Nettoverzinsungsmarge wieder, die den Saldo zwischen der tatsächlichen Nettoverzinsung und der Break-Even-Nettoverzinsung abbilde.
Doch es ist nicht alles Gold was glänzt: Die vermeintlich komfortable Nettoverzinsungsmarge gehe darauf zurück, dass die meisten Versicherer hochverzinste Altpapiere verkauft hätten, um die Zinszusatzreserve (ZZR) zu finanzieren. "Dieses Vorgehen beeinträchtigt die Bestandszinsen der Kapitalanlagen und die Güte der Bilanzstruktur", mahnt Heermann. "Bei den einzelnen Versicherern konnten wir große Unterschiede bei der Höhe der Nettoverzinsungsmarge feststellen, die sich zwischen null und vereinzelt weit über zehn Prozent einordnen", so Heermann weiter.
Querverrechnungs-Risiko steigt
Insbesondere Lebensversicherer mit hohen garantiefordernden Altbeständen hätten mit den Auswirkungen des Niedrigzinsumfeldes zu kämpfen, konstatiert Assekurata-Geschäftsführer Dr. Reiner Will. Anbieter mit hohen Anteilen im Biometriebereich oder der nicht-traditionellen Altersvorsorge, müssten deutlich weniger Zinslasten stemmen. Will befürchtet, dass in den kommenden Jahren die Nettoerlöse aus der Kapitalanlage weiter schrumpfen könnten.
Gegenüber dem Vorjahr habe sich der Ertragspuffer zwischen Rechnungszinsanforderungen und Kapitalerträgen auf 0,22 Prozent halbiert, 2014 lag er noch bei 0,70 Prozent. Das Abschmelzen des Puffers "erhöht den Druck auf alternativer Ertragsquellen und lässt die Querverrechnungsgefahr zwischen den Ergebnistöpfen steigen", kommentiert Heermann. Kunden einer Risikolebens- oder BU-Versicherung trügen hier das Risiko einer Querverrechnung.
Große Unterschiede bei der EKG-Quote
Um die Wechselwirkungen zwischen Ertragskraft und Garantie messbar und zwischen den Anbietern vergleichbar zu machen, hat Assekurata erneut das Ertragskraft-Garantie-Profil (EKG-Profil) und die Ertragskraft-Garantie-Quote (EKG-Quote) ermittelt. Hierbei werden die garantiebedingten Rechnungszinsanforderungen mit der vorhandenen Ertragskraft abgeglichen, wobei neben der Kapitalanlage auch die alternativen Ergebnisquellen und die anteiligen Bewertungsreserven berücksichtigt werden.
Im Marktdurchschnitt bleibt die EKG-Quote mit 343,74 Prozent gegenüber dem Vorjahr stabil. Der Wert drückt aus, dass das verfügbare Ertragsprofil der Branche theoretisch ausreicht, um die bestehenden Rechnungszinsanforderungen knapp 3,5-mal zu finanzieren. "Zwischen den verschiedenen Lebensversicherern haben wir bei der EKG-Quote allerdings große Unterschiede in einer Spannbreite von rund 200 Prozent bis über 1.500 Prozent festgestellt", so Heermann.
Neben den handelsbilanziellen Belastungen aus Altgarantien und Zinszusatzreserven zählt auch Solvency II zu den Herausforderungen der Lebensversicherer im Niedrigzinsumfeld. Daher haben die Analysten im "HGB-Solvency-II-Profil" die EKG-Quoten mit den Solvenzquoten unter Solvency II verglichen. Im Ergebnis weisen Lebensversicherer mit einer hohen Ertragskraft in der HGB-Welt tendenziell auch eine komfortable Kapitalausstattung unter Solvency II auf. Letzteres trifft nicht auf alle Marktteilnehmer zu: Der Markt rücke in den vergangenen Jahren zunehmend auseinander, wie die Standardabweichung des Return-on-Revenue verdeutliche. Diese betrug 2016 2,46 Prozent (2,00 Prozent im Jahr 2015).
"Der Druck auf die Produktprofitabilität, die Kosteneffizienz und letztlich die Neuausrichtung des Geschäftsmodells bleibt insgesamt hoch", Assekurata-Geschäftsführer Dr. Reiner Will
Die Studie "EKG-Check 2017 in der Lebensversicherung" kann unter www.assekurata.de bestellt werden.
Autor(en): Alexa Michopoulos