Noch bis zum Jahresbeginn 2020 lief es gut für die Versicherungswirtschaft. Nach dem ersten Halbjahr blickt sie nun auf ein gedämpftes Szenario. Doch das Jahr ist noch nicht an seinem Ende.
Die Folgen der Corona-Pandemie wirken sich auf die Versicherer aus. Verzeichneten Europas Topversicherer vor der Krise in 2019 ein noch ein Prämienwachstum von durchschnittlich 6 Prozent sowie einen um 25 Prozent höheren Gewinn vor Steuern zum Vorjahr, hat sich die Lage im Laufe dieses Jahres gewandelt. Wie aus der European Insurance Study 2020 (EIS) von Zeb Consulting unter den 25 größten europäischen Versicherungsgruppen hervorgeht, werden sich die Gewinne der Versicherungsbranche in laufenden Jahr um 30 Prozent verschlechtern und das Wachstum drosseln.
Covid-19 drückt positiven Vorjahrestrend
Auch wenn die Situation für die Versicherungsbranche dank einer eigenkapitalstarken Verfassung aus dem Geschäftsjahr 2019 nicht existenzbedrohend ist, zehrt sie dennoch an den aktuellen Ergebnissen. So schrumpften im ersten Halbjahr 2020 die operativen Ergebnisse in den Bereichen Lebensversicherung (minus 13 Prozent) und Schaden-/Unfallversicherung (minus 36 Prozent). Noch im Vorjahr hatten geringe Schadenquoten in der Schaden-/Unfallversicherung das operative Vorsteuerergebnis um 25 Prozent zulegen lassen.
Das vielfach formulierte Schreckgespenst der Branche in Form der Niedrigzinsen gefährdete dagegen nach Ansicht der Studienautoren die finanzielle Stabilität im Jahr 2019 nicht. Durch eine Erhöhung des Eigenkapitals von durchschnittlich 214 Prozent (2018) auf 219 Prozent (2019) verbesserten die 25 größten europäischen Versicherer ihre Solvenzquoten. Nun ist dieser Trend abgerissen und die durchschnittlichen Quoten sind im ersten Halbjahr um fast ein Viertel eingebrochen.
Die Finanzmarktentwicklung und weiter sinkende Zinsen gelten als ein wichtiger Faktor. Dennoch, heißt es in der Studie, befinde sich die Solvenz fast aller Versicherer aktuell auf einem ausreichend hohen Niveau, um die finanzielle Stabilität weiter zu gewährleisten.
Wachstum sollen digitale Vertriebsmodelle liefern
Auch bei den Prämieneinnahmen ist die positive Entwicklung aus 2019 zum Stillstand gekommen. Legten die Bruttoprämien zuvor 6 Prozent zu - Lebensversicherung plus 7 Prozent sowie Schaden-/Unfallversicherung plus 3,7 Prozent - bei parallelem Wachstum des europäischen Gesamtmarktes, gibt die Entwicklung im Bereich Lebensversicherung um 2 Prozent nach, Schaden-/Unfallversicherung dagegen um zwei Prozent zu.
Wachstum verspricht sich die Versicherungswirtschaft von bereits vor der Krise gestellten Weichen. Noch zu Beginn des Jahres legten die Versicherer über traditionelle Vertriebswege zu, doch die Pandemie hat den beweis geführt, dass funktionierende digitale Vertriebskanäle die Basis für künftiges Wachstum darstellen.
Kunde soll digital vollen Zugriff auf Produkte und Services erhalten
Zuvorderst betrifft dies die Digitalisierung des Direktvertriebs sowie die digitale Unterstützung der für den persönlichen Vertrieb zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort. Versicherungskunden, lautet eine Erkenntnis aus der Studie, hätten in den vergangenen Monaten die Vorzüge von Beratung über digitale Kanäle zu schätzen gelernt. Digitale Beratungsmodelle müssten also entlang der eigenen strategischen Ausrichtung nutzbar angeschlossen sein.
Dieter Kipp, Zeb-Partner, fasst es zusammen: "Alle Produkte und Kundenservices eines Versicherers sollten von Kunden persönlich und digital ohne Beteiligung einer vermittelnden Person abgeschlossen beziehungsweise in Anspruch genommen werden können. Hier anzusetzen, wird in den nächsten Monaten eine der zentralen Aufgabenstellungen der Versicherungswirtschaft sein."
Quelle: Zeb
Autor(en): Swantje Francke