Erste Erfahrungen mit der Prüfpraxis der IHKn

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Seit bald zwei Jahren müssen sich alle Personen, die im Versicherungsvertrieb tätig sind, regelmäßig weiterbilden. Im Versicherungsmagazin-Interview zeichnet der Bildungsexperte Reinhardt Lüger ein kritisches Licht einer noch von Unsicherheiten geprägten deutschen Aufsichtslandschaft.

Herr Lüger, gibt es inzwischen erste Erfahrungen, wie Aufsichtsbehörden die Weiterbildungspflicht der im Vertrieb Tätigen überprüfen?
Reinhardt Lüger: Ja, zumindest aus dem Bereich der Industrie- und Handelskammern (IHKn) liegen solche Erfahrungen vor. Betroffen sind Versicherungsvermittler mit Gewerbeerlaubnis.

Und diejenigen ohne eigene Gewerbeerlaubnis?
Hier ist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsucht (BaFin) zuständig, genauso wie für die Angestellten von Versicherungsunternehmen. Ob und mit welchen Ergebnissen die BaFin Prüfungen durchgeführt hat, darüber wird die Öffentlichkeit leider nicht informiert. Das wissen nur die betroffenen Versicherer selbst. So hat die BaFin bereits im September 2018 einzelne Versicherungsunternehmen angeschrieben und um konkrete schriftliche Auskünfte gebeten.

Wann müssen denn IHKn eine Prüfung ansetzen?
Da gibt es zwei Fallgestaltungen. Zum einen die anlassbezogene Prüfung, zum Beispiel wenn die IHK Hinweise bekommt, dass der Vermittler und seine Mitarbeiter nicht ausreichend qualifiziert sind. Kundenbeschwerden oder Hinweise von Wettbewerbern können das auslösen. Zum anderen sollen die IHKn allerdings auch ohne besonderen Anlass, stichprobenartig Überprüfungen durchführen. Allerdings gibt es da bislang keine einheitliche Meinung der Kammern, wie groß solche Stichproben sein sollten.

Welche Erfahrungen gibt es bisher mit solchen Stichproben-Überprüfungen?
Es gab wohl Fälle, bei denen IHKn nicht zwischen Vermittlern mit Erlaubnis und erlaubnisfreien Vertretern unterschieden und alle gemeinsam aufgefordert hatten, ihre Weiterbildungsnachweise vorzulegen. Das hat Irritationen ausgelöst, denn für die Erlaubnisfreien sind wie erwähnt die Versicherer zuständig. Außerdem gibt es eine Reihe von Fällen, in denen Weiterbildungen von IHKn nicht anerkannt wurden.

Können Sie Beispiele für nicht anerkannte Bildungsmaßnahmen nennen?
Es gibt Kammern, die Produktschulungen nicht anerkennen. Offenbar sind sie der Meinung, dass es sich dabei lediglich um Werbeveranstaltungen der Produktgeber handelt und nicht um Bildung. Das ist natürlich Unsinn, denn Produktwissen ist für Vermittler und ihre Mitarbeiter unabdingbar. Dann gibt es vereinzelt Fälle, in denen Schulungen für Hybrid-Lebensversicherungen nicht anerkannt wurden. Die Nicht-Anerkennung von Qualifizierungen in Zusammenhang mit der Erlaubnis als Finanzanlagevermittler nach § 34f GewO sind allerdings überwiegend nachzuvollziehen. Weitere Fälle betreffen Zeitmanagement-Seminare oder auch zum Ausgleichsanspruch der Versicherungsvertreter.

Welche Argumente werden denn bei der Aberkennung ins Feld geführt, beispielsweise bei den zuletzt erwähnten Seminaren rund um das sogenannte Agenturmanagement?
Laut § 7 VersVermV soll die Weiterbildung des Vermittlers die "Aufrechterhaltung seiner Fachkompetenz und seiner personalen Kompetenz gewährleisten". Einige IHK-Vertreter berufen sich bei den Inhalten auf die Anlage 1 der VersVermV. Nur das, was in dieser Anlage steht, soll auch als Weiterbildung anerkennenswert sein. Auch das ist aber falsch.

Inwiefern?
In der Anlage 1 VersVermV geht es um "inhaltliche Anforderungen an die Sachkundeprüfung". Dort wird beschrieben, welche Anforderungen derjenige erfüllen soll, der eine Gewerbeerlaubnis haben will. Folgerichtig verweist der § 2 VersVermV auf diese Anlage, nicht aber der § 7 VersVermV, in dem die Weiterbildung geregelt ist. Der nämlich sagt viel weitergehend aus, dass mit der Weiterbildung Vermittler "die berufliche Handlungsfähigkeit erhalten, anpassen oder erweitern" sollen. Und sie muss "mindestens den Anforderungen der ausgeübten Tätigkeiten des zur Weiterbildung Verpflichteten entsprechen". Nur ein Beispiel dazu: Die Sachkundeprüfung umfasst nur Produktwissen zu Privatkundenprodukten und zur Gestaltung von Beratungsprozessen bei Privatkunden. Firmenkunden kommen dort nicht vor. Es kann ja wohl nicht ernsthaft bezweifelt werden, dass die Beratung und die Vermittlung von Firmenkundenversicherungen zum üblichen Tätigkeitsspektrum von Vermittlern gehört.

Das Beispiel leuchtet ein. Aber geht es nicht auch darum, dass nicht jede allgemeine unternehmerische Kompetenz als Weiterbildung anerkennungsfähig ist?
Ja, so argumentieren einige IHKn. Aber auch das halte ich nicht für richtig. Natürlich müssen Unternehmer in allen Branchen auch ganz allgemein Zeitmanagement beherrschen oder Mitarbeiter führen können. Aber jede Branche hat spezifische Anforderungen, die sich aus der Art der vertriebenen Produkte und den Beratungsanforderungen dazu ergeben. Zeitmanagement in der Produktion oder im Handwerk oder im Versicherungsvertrieb ist eben nicht immer exakt gleich. Mitarbeiter in Vermittlerbetrieben müssen andere Tätigkeiten ausführen und beherrschen als in anderen Branchen, und Vermittler müssen sie deshalb branchenspezifisch auswählen, ausbilden und führen. Auch wundert mich, dass manchmal sogar das Wissen über explizite Rechtsvorschriften und Regulierungen des Versicherungsvertriebs als nicht anerkennenswert angesehen wird. Allerdings streben die IHKn eine einheitliche Rechtsbewertung von anrechenbaren Qualifizierungsmaßnahmen an, die mich optimistisch stimmt, dass auch betriebswirtschaftliche Maßnahmen im Kontext der Agenturführung oder als Partner von Gewerbekunden als selbstverständlich angesehen werden.

Wie erfahren die IHKn überhaupt, wer im Vermittlerbetrieb tätig ist und sich weiterbilden müsste?
Soweit ich weiß, prüfen IHKn zum Beispiel die Homepages von Vermittlern. Werden dort Mitarbeiter genannt und auch deren Tätigkeitsschwerpunkte angegeben, dann gleichen sie dies mit den Weiterbildungsnachweisen ab. Ein Vermittler sollte sich deshalb nicht wundern, wenn er seinen Mitarbeiter als "Experten für betriebliche Altersvorsorge" anpreist, der Kammer aber nur Kfz-Produktschulungsnachweise vorlegt, dass dies nicht als adäquate Weiterbildung bewertet wird.

Gab es schon Sanktionen gegen Vermittler?
Ich habe gehört, dass schon in einem Fall eine Geldstrafe verhängt worden sein soll.

Wie sollten Vermittler damit umgehen, wenn ihre IHK die Weiterbildung nicht anerkennt?
Vermittler sollten die Weiterbildungspflicht und die Aufbewahrung der Belege dazu sehr ernst nehmen, bei Teilnahme an „gut beraten“ sollten sie darauf achten, dass das Weiterbildungskonto gepflegt ist. Gibt es dann trotzdem Probleme, lohnt es sich, zunächst einmal mit den verantwortlichen IHK-Mitarbeitern ein Gespräch zu suchen und Argumente auszutauschen. Kann ich als Vermittler meine Vorgehensweise nicht schlüssig begründen, habe ich schlechte Karten. Hilft das alles nichts, steht natürlich immer auch der Rechtsweg offen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Autor(en): Matthias Beenken

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