Viele Gebäude in Deutschland sind stark hochwassergefährdet. Die Branche fordert daher umfassende Vorbeugemaßnahmen und ein Umdenken aller Beteiligten. Ohne ein Opt-Out für den Bestand, wird aber zusätzlicher Elementarschutz kaum flächendeckend.
„Wir planen, bauen und sanieren in Deutschland unseren Gebäudebestand auf Basis von Normen, denen der Schutz vor Klimafolgen weitgehend fremd ist. Verwaltungsentscheidungen führen daher oft zu ´Katastrophen auf Wiedervorlage`. Das muss sich ändern. Spätestens bis Ende 2025“, heißt es im aktuellen Forderungskatalog an Regierung, Verwaltung und Immobilienbesitzer, den der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) jetzt veröffentlicht hat.
Baustopp in gefährdeten Gebieten
Danach soll die Bebauung von Überschwemmungsgebieten bei Strafe verboten werden. In einer aktuellen Untersuchung durch die VdS Schadenverhütung GmbH hat der GDV ermittelt, dass 323.000 Gebäude in Gebieten stehen, die Hochwasser gefährdet sind. Dabei handelt es sich nicht nur um Wohnhäuser, sondern auch um gewerbliche Bauten, landwirtschaftliche oder öffentliche Gebäude. Zwar machen diese Immobilien in Risikolage nur 1,4 Prozent der 22,4 Millionen insgesamt untersuchten Adressen aus, doch das reiche laut GDV, um Schäden in Milliardenhöhen auszulösen.
Eine falsche Diskussion
„Obwohl die Zahlen amtlich und öffentlich bekannt sind, steht Prävention nicht auf der politischen Tagesordnung, sondern nur die Debatte um die Einführung einer Pflichtversicherung gegen Naturgefahren“, kritisiert die stellvertretende GDV-Hauptgeschäftsführerin Anja Käfer-Rohrbach. “ Doch nicht nur die öffentliche Hand soll vorsorgen. Die Branche verlangt dies auch von den Immobilienbesitzern selbst. So soll unter anderem auf Kellerräume beim Neubau verzichtet werden und bestehende Keller vor eindringendem Oberflächenwasser geschützt werden. Gleichzeitig wird gefordert, Baumaterialen bei Neubau und Sanierung an der Gefährdungslage zu orientieren, die Gebäudetechnik wie Elektroverteilung und Heizsysteme „richtig zu platzieren“ und Öltanks gegen Aufschwimmen und Bersten zu sichern. In Abwasserkanäle müssten Rückstausicherung eingebaut werden und bestehende Zufahrten, Garagen und Grundstücksflächen sollten gegen Überschwemmungen abgesichert werden.
Beim Kunden verbleibt ein Restrisiko
Auch einzelne Versicherer ziehen die Zügel in Sachen Elementarschäden stärker an. So verweist die Signal-Iduna darauf, dass trotz kulanter Regulierung und umfassender Absicherung gegen Naturgewalten durch eine Elementarversicherung, immer ein Restrisiko beim Kunden verbleibe und daher eigene Vorsorge wichtig wäre. „Die Elementarschadenversicherung leistet unter anderem für Schäden durch Erdfall, Erdrutsch und Überschwemmung. Wenn ein Haus zum Beispiel einfach im Boden versinkt, weil dieser hochgradig nass ist, ist im Einzelfall zu prüfen, ob dies auf eine dieser versicherten Gefahren zurückzuführen ist“, erläutert die Signal-Iduna. Bei Großschadenereignissen wären also immer individuelle Betrachtung und Beurteilung erforderlich. Die gesamte Branche habe in der Vergangenheit teilweise umfangreicher reguliert, als es die vertraglich vereinbarten Leistungen eigentlich vorsehen. „Wir legen unseren Versicherten daher nahe, ergänzend zur Versicherung selbst bauliche Vorsorge zu treffen, um existenzielle Schäden zu verhindern“, so die Assekuranz.
Weiterhin Defizit bei freiwilligem Elementarschadenschutz
Der neue Forderungskatalog des GDV ergänzt den Lösungsvorschlag der Versicherer für ein ganzheitliches Absicherungskonzept für Naturgefahren in Deutschland, dass bereits 2021 vorgelegt wurde. Bisher hat sich aber wenig getan. Auch die eigentlich von der Politik favorisierte Pflichtversicherung für Elementarschäden ist nicht in Sicht. Gleichzeitig liegt die Elementarschaden-Zusatzdeckung laut GDV bundesweit im Schnitt nur bei 54 Prozent, bei großen Unterschieden in den einzelnen Bundesländern. Viele der nicht versicherten Gebäude könnten aber durch Starkregen beschädigt werden oder sogar untergehen.
Bisher hat die Regierung auch den GDV-Vorschlag nach einem Opt-Out per gesetzlicher Stichtagsregelung nicht berücksichtigt. Danach sollen alle Bestandsverträge auf Elementarschutz umgestellt werden. Eigentümer können dann dieser Regel widersprechen, verlieren damit aber auch alle Haftungsansprüche gegenüber dem Staat. Zudem sollen die Leistungen der privaten Versicherer begrenzt werden, indem bei einem katastrophalen Kumulschadenfall der Staat ebenfalls leistet.
Intensive Beratung hilft
In der Praxis schaffen es immerhin Versicherungsmakler durch intensive Beratung, die Elementarschadenquote im Bestand deutlich zu verbessern. Das eine hohe Durchdringung möglich ist, bestätigt der Versicherungsmakler Timo Weinländer. „Ich habe lediglich drei Kunden, die nach aufklärender Beratung keinen Elementarschutz möchten.“ Der Vermittler Domcura kommt laut Vorstand Horst-Ulrich Stolzenberg derzeit ebenfalls schon auf einen Elementarschutzanteil von rund 83 Prozent. Und der Versicherungsmakler Johannes Brück aus Düsseldorf schafft sogar 90 Prozent. „Nur wenn ein Eigentümer partout keinen Elementarschutz möchte, streichen wir ihn aus der Police. Das wird aber immer seltener. Hier gibt es nach unserem Eindruck schon ein Umdenken, denn die Extremwetter nehmen ganz deutlich zu.“
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek