Einseitige Haltelinien sind keine Lösung

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Manchmal habe ich den Eindruck, als wolle die Politik, insbesondere Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, das Problem des demografischen Wandels in unserer Gesellschaft einfach ignorieren. Denn nur so lässt sich – wie jetzt beim Rentenpaket II geplant – erklären, dass die Regelaltersgrenze nicht angefasst und beim Rentenniveau bei 48 Prozent eine Haltelinie eingeführt werden soll. Die Rente liegt damit bei 48 Prozent des aktuellen Durchschnittslohns eines Arbeitnehmers, der 45 Jahre Rentenbeiträge gezahlt hat. Was das für die Beitragszahler bedeutet, erklärte Gundula Roßbach, die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung Bund, beim MCC-Kongress „Zukunftsmarkt 2024 Altersvorsorge“ im März in Berlin. Die Beiträge würden für Arbeitnehmer und Arbeitgeber von jetzt 18,6 Prozent bis 2039 auf zusammen 22,3 Prozent steigen. Wir wissen nicht, ob es nicht noch höhere Beiträge werden, aber es wären bei dieser Schätzung bereits fast 20 Prozent mehr als heute.  

Geht zu Lasten der jüngeren Generation

Die Haltelinie beim Rentenniveau würde bedeuten, dass mit dieser einseitigen Festlegung die Lasten in der Rentenpolitik zu Ungunsten der jüngeren Generation gehen. Gleichzeitig teilte das Bundessozialministerium mit, dass die Renten in Deutschland zum 1. Juli 2024 um 4,57 Prozent steigen sollen. Es werden dadurch Mehrkosten von rund 18 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Umgehend gab es Kritik vom Chef der Jungen Union, Johannes Winkel. Er hat die Rentenerhöhung zum Juli scharf kritisiert und möchte zurück zu einer fairen Verteilung der hohen Rentenlasten kommen. Er forderte bei künftigen Anpassungen eine Orientierung an der Inflation statt an den Löhnen.

Renten in Deutschland nicht üppig

Dabei sollte man aber bedenken, dass das Rentenniveau in Deutschland alles andere als „generös“  ist. So die Einschätzung von Professor Bert Rürup bei der oben erwähnten Veranstaltung. Dies gilt besonders im internationalen Vergleich. In fast allen OECD-Ländern gibt es nämlich höhere Altersbezüge. Auch wird mit dieser Erhöhung noch nicht einmal die hohe Inflation der vergangenen Jahre ausgeglichen. Hätte es im Vorjahr eine Rentenerhöhung in Höhe der Inflation gegeben, dann hätte ich gerne Winkels Kommentar gehört. Fakt ist auch, dass viele Rentner noch nicht einmal die Rentenhöhe des fiktiven Eckrentners mit 45 Versicherungsjahren erreichen. Rürup warnte vor einer Welle an Altersarmut vor allem in den neuen Bundesländern in den nächsten Jahren. Dies liege daran, dass es dort wenig betriebliche Altersversorgung gebe und im Osten die gesetzliche Rente an den Rentnereinkommen 90 Prozent ausmache, im Westen nur 60 Prozent.

Der Bundeskanzler macht es sich einfach

Der Reformbedarf in der GRV scheint in der Politik immer noch nicht angekommen zu sein. Bundeskanzler Olaf Scholz meinte einmal dazu, dass die Migration Deutschlands Renten sichern soll. Einmal davon abgesehen, dass das Gros der Einwanderung, die aktuell nach Deutschland stattfindet, weder Geld in die Steuer- noch in die Rentenkassen bringt, meinte auch Rürup bei der MCC-Konferenz, dass diese Auffassung „illusorisch“ sei. Denn man bräuchte eine Zuwanderung von circa 400.000 Menschen jährlich. Mit Familienangehörigen müsste man Wohnungen für etwa 700.000 Menschen haben. „Wer soll die bauen?“, fragte der Chefökonom beim Handelsblatt und Ex-Berater der Bundesregierung. Die Sachverständige Monika Schnitzer spricht sogar von notwendigen 1,5 Millionen Einwanderern.

Keine Frage, Migration kann der Rentenfinanzierung helfen, wenn die Menschen in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung kommen. Weiterhin müsste man 2,5 Millionen 18- bis 34-jährige Menschen ohne Berufsabschluss mit zusätzlichen Qualifikationen in Arbeit bringen. Die Frauen-Erwerbsquote ist zwar höher als noch vor 20 Jahren, aber oft nur in Teilzeit mangels Angebote an Kinderbetreuung. Ältere Menschen könnten dem Arbeitsmarkt weiter zur Verfügung stehen. Auch müsste man mehr Bürgergeld-Bezieher zur Arbeit motivieren.

Anpassung des Nachhaltigkeitsfaktors vorgeschlagen

Das Rentenpaket II in dieser Form geht eindeutig zu Lasten der jüngeren Generation. Das Rentenniveau wird garantiert, der Beitragssatz kann grenzenlos steigen. Der Faktor Arbeit wird dadurch noch teurer, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft sinkt weiter. Auch das kreditfinanzierte Generationenkapital, das viel zu spät kommt, wird nicht viel helfen können.

Es müssen alle Stellschrauben in der Rentenpolitik beachtet werden. Dazu gehört auch trotz politischer Widerstände das Erhöhen der Regelaltersgrenze, das an die längere Lebenszeit gekoppelt werden sollte. Ein weiterer Vorschlag wäre eine Anpassung des Nachhaltigkeitsfaktors, dass die Renten nicht zu stark steigen, in Richtung einer hälftigen Lastenteilung zwischen Alt und Jung, wie es die Mehrheit des Sachverständigenrats fordert.

"In ihrer jetzigen Form langfristig nicht finanzierbar"

Noch mehr Bundeszuschuss ist jedenfalls keine Lösung, denn laut dem aktuellen Tragfähigkeitsbericht des Finanzministeriums könnte sich die gesamtstaatliche Verschuldung bis 2070 in einem ungünstigen Szenario auf 345 Prozent des Bruttoinlandsprodukts vervielfachen – in einem günstigen von aktuell 64 Prozent auf 140 Prozent. Die aktuelle Ausgestaltung der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung „ist in ihrer jetzigen Form langfristig nicht finanzierbar“, meint auch Bundesfinanzminister Christian Lindner.

 

 

 

Autor(en): Bernhard Rudolf

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