Wieder einmal stand ein Fall der „Beitragsoptimierung“ in der privaten Krankenversicherung im Mittelpunkt einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Was der Bundesgerichtshof schließlich entschieden hat.
Eigentlich ist es ein Unding: Privat Krankenversicherte haben nach § 204 VVG einen Anspruch darauf, in einen vergleichbaren Tarif desselben Versicherers unter voller Anrechnung der Alterungsrückstellung und ohne Gesundheitsprüfung zu wechseln. Aber der traditionelle Versicherungsvertrieb hat kein monetäres Interesse daran, betroffene Kunden von Alttarifen bei einem solchen Wechsel zu unterstützen, im Gegenteil. Das bringt keine „Abschlussprovision“, sondern reduziert nur die ohnehin geringe oder in der Ausschließlichkeit oft gar nicht vorhandene „Bestandsprovision“.
Und Beifall vom Versicherer, dessen Beiträge gesenkt werden, darf man auch nicht erwarten. Also besser nichts machen. Oder noch schlimmer: Umdecken zu einem anderen Versicherer, dann gibt es neue Abschlussprovision.
Ein neues Vertragskonzept
Das schafft immer noch Raum für sogenannte Beitragsoptimierer. Sie verkaufen die Leistung, dem Kunden eine billigere Police beim selben Versicherer zu beschaffen, und verlangen dafür ein Vielfaches einer Monatsersparnis als Erfolgshonorar. Ein solcher Fall ist nun bis zum Bundesgerichtshof gelangt (Urteil vom 4.4.2024, Az. I ZR 137/23, VersR 17/2024, 1139-1145).
Hier hatte der Kläger am 20.2.2018 eine „Honorarvereinbarung“ unterschrieben und einem Versicherungsmakler damit ein Erfolgshonorar für den Fall des Tarifwechsels zu einer billigeren Krankenversicherung versprochen.
Der Makler war erfolgreich. Der neue Vertrag sah mit 337,77 Euro einen um 133,17 Euro günstigeren Monatsbeitrag vor als bisher. Außerdem sank die jährliche Selbstbeteiligung von 1.800 auf 1.200 Euro. Der bisherige Monatsbeitrag von 470,94 Euro wäre ohnehin durch Wegfall des gesetzlichen Zuschlags für eine Beitragsentlastung und eine weitere Position auf 428,87 Euro gesunken. Allerdings erhielt der Kunde zwei neue Zusatzversicherungen für 96 und für 18 Euro monatlich, vermutlich, um die bisherige Leistung sicherzustellen.
Unklare Berechnungsregelung für die Jahresersparnis
In der Beratungsdokumentation wurde dem Kunden vorgerechnet, er habe eine Beitragsersparnis von 446,04 Euro jährlich erlangt. Dafür wurden der bisherige Monatsbeitrag von 470,94 Euro und ein neuer „Zielbeitrag“ von 433,70 Euro einander gegenübergestellt. Hinzugerechnet wurde eine Ersparnis an Selbstbeteiligung von 1.600 Euro im Jahr. Davon sollten 80 Prozent oder 1.636,83 Euro als Erfolgshonorar zuzüglich 19 Prozent Mehrwertsteuer oder gesamt 1.947,82 Euro fällig sein. Das hatte der Kunde wohl zunächst gezahlt, verlangte aber vor Gericht eine Rückerstattung.
Strittig war zum einen die Auslegung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Honorarmaklers. Danach sollte sich die Jahresersparnis „alleine aus der Differenz der monatlichen Beitragsprämien zum Zeitpunkt der policierten Vertragsumstellung unter Berücksichtigung unterschiedlicher Selbstbehalte“ ergeben. Erläutert wurde weiter, dass die Jahresersparnis so berechnet wird, dass der Monatsbeitrag nach der Umstellung von demjenigen vor der Umstellung abgezogen und mit zwölf multipliziert werde. „Von dem hierdurch gebildeten Betrag wird die Differenz der Jahresselbstbehalte abgezogen, die sich eventuell aus einer Vertragsumstellung ergeben.“
Dieser letzte Satz der AGB wurde als unklar bewertet. Es sei nicht klar, welche Differenz welcher Jahresselbstbehalte ermittelt werden solle. Ein konkretes Rechenbeispiel hätte geholfen, fehlte aber.
Widerruf eines Haustürgeschäfts?
Zum anderen wendete der Kläger ein, die Honorarvereinbarung sei bei ihm in seinem Geschäft und damit aushäusig geschlossen worden. Damit müsste sie als Haustürgeschäft widerrufen werden können.
In den ersten beiden Instanzen war der Kläger erfolgreich, beim Bundesgerichtshof schließlich nicht mehr. Das wies das Verfahren ans Landgericht zurück.
Professor Peter Reiff von der Universität Trier schreibt in einer Urteilskommentierung, dieses Urteil sei „soweit ersichtlich die erste höchstrichterliche Entscheidung zu den Auswirkungen des § 312 Abs. 6 BGB auf Versicherungsvermittlungsverträge“. Nach Meinung des BGH ist das Widerrufsrecht von Haustürgeschäften nicht auf Versicherungsvermittlungsverhältnisse anwendbar, auch nicht im Honorarvermittlungsfall.
Anders als von den Vorinstanzen angenommen gebe es kein Versäumnis des deutschen Gesetzgebers, das Widerrufsrecht speziell für Vermittlungsverträge zu regeln. Vielmehr hänge das Vermittlungsverhältnis rein wirtschaftlich am Versicherungsvertrag. Für Versicherungsverträge sind im Spezialgesetz VVG hinreichende Widerrufsrechte geregelt, die sogar weiter gehen als im Widerrufsrecht des BGB für „Haustürgeschäfte“. Versicherungskunden können auch die nicht an der Haustür, sondern im Büro des Versicherers abgeschlossene Verträge fristgerecht nach § 8 Abs. 1 VVG widerrufen, und das selbst dann, wenn sie keine „Verbraucher“ sind. Das hatte der Kläger aber gar nicht getan.
Mit anderen Worten kann zwar ein Kunde seinen Vermittlungsvertrag weder nach BGB- noch nach VVG-Regeln widerrufen. Aber widerruft er den Versicherungsvertrag, der aus dem Vermittlungsverhältnis entstanden ist, dann ist der Vermittlungsvertrag wirtschaftlich gesehen sinnlos.
Rückabwicklung von erbrachten Leistungen nach einem Widerruf?
Reiff beschäftigt sich weiter mit der Frage, ob das auch bei Nettopolicen und wie im hier behandelten Fall bei Erfolgshonoraren für Tarifwechsel gelten kann. Dazu verweist er auf § 9 Abs. 2 VVG; wonach das Widerrufsrecht nicht nur auf den Versicherungsvertrag selbst, sondern auch auf „einen mit dem Versicherungsvertrag zusammenhängenden Vertrag“ anzuwenden ist, an den der Kunde nicht mehr gebunden sei. Darunter können man auch einen Honorarvermittlungsvertrag verstehen.
Allerdings macht Reiff eine Einschränkung. „Soweit schon Leistungen erbracht worden sind, müssen diese rückabgewickelt werden.“ Da stellt sich die Frage, wie eine bereits erbrachte Beratung und sonstige Vermittlungsleistung wie zum Beispiel das Einholen von Angeboten und Auskünften und Verhandlungen des Honorarmaklers mit dem Versicherer „rückabgewickelt“, also die aufgewendete Zeit zurückgedreht werden soll. Möglicherweise muss dann darum gestritten werden, welchen Wert diese bereits erbrachten und nicht mehr rückabwickelbaren Leistungen hatten, und welches Honorar dem Makler zustehen könnte. Andererseits wäre das wieder schwer vereinbar mit dem Grundgedanken eines „Erfolgshonorars“, nur im Erfolgsfall fällig zu sein.
Daraus kann man wohl zwei Konsequenzen ableiten. Erstens sollte ein „Honorar“-Makler nicht vergessen, dass Kundenfreundlichkeit wichtig ist für den guten Ruf und sich nicht mit einem unzufriedenen Kunden streiten. Zweitens ist die Frage, ob eine „Honorarvermittlung“ eine sinnvolle Vorgehensweise ist, wenn man in Wahrheit nur den Schicksalsteilungsgrundsatz der Provision aushebeln möchte. Besser wäre eine echte „Honorarberatung“ mit einer Vergütung der geleisteten Zeit und Kompetenz – auf Basis einer dazu passenden Gewerbeerlaubnis.
Autor(en): Matthias Beenken