Eine echte Kraftprobe für die Versicherer

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In den nächsten Jahren kommt viel Arbeit auf die Versicherer zu. Um die Taxonomie-Anforderungen durch die EU zu erfüllen, sind viel Manpower, Weiterbildung, Zeit und eine enorme Datenfülle erforderlich. Doch genau hier beginnt schon das Problem. Darauf hat der GDV kürzlich aufmerksam gemacht.

Um die EU-Anforderungen zur Nachhaltigkeit gerecht zu werden, müssen die Versicherungsunternehmen vier Standards erfüllen oder sind in Regulierungsabläufe involviert.

  1. Die Taxonomie-Verordnung der EU, die regelt welche Faktoren als nachhaltig gelten,
  2. Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die zeigen soll, wie nachhaltig das Unternehmen als Ganzes aufgestellt ist,
  3. Die Sustainable Finance Disclosure Regulation (Transparenz-Verordnung/ SFDR), die klären soll, wie nachhaltig zum Beispiel Kapitalanlagen sind und
  4. Der European Single Access Point (ESAP), eine Plattform, die alle Nachhaltigkeitsdaten für die verschiedensten Gruppen frei zugänglich machen soll. Eigentlich das Herzstück dieser europaweiten Nachhaltigkeitsstrategie. Doch genau dieses Herzstück fehlt aktuell noch gänzlich und wird wohl auch nicht so schnell zur Verfügung stehen.

Datenplattform ESAP als Dreh- und Angelpunkt gedacht

Die Datenplattform ESAP soll Dreh- und Angelpunkt für die nachhaltige Ausrichtung der Unternehmen werden. Sie soll für eine digitale Verfügbarkeit von Daten sorgen. Versicherungsunternehmen, aber auch interessierte Bürgerinnen und Bürger sollen hier wichtige Informationen über Unternehmen erhalten, auch wenn sie mit diesen eine Geschäftsbeziehung eingehen oder in diese Firmen investieren möchten. 

In ESAP sollen keine neuen Berichtspflichten eingepflegt werden, sondern in dieser sollen nur bereits bestehende Berichtsdaten aufgenommen werden. Doch hier hakt es aktuell, das Projekt verschiebt sich gerade, sehr zum Unmut der Versicherer. Vor der tatsächlichen Umsetzung des Datenprojektes sind viele Aspekte wohl noch nicht geklärt, vor allem ist wohl die technische Umsetzung noch problematisch.

Verwaschene Datenlage erhöht Gefahr von Greenwashing

Harald Epple, Chief Financial Officer (CFO) beim Gothaer Konzern und Vorsitzender des GDV-Ausschuss Kapitalanlagen, zeigt zwar Verständnis dafür, das ESAP „ein riesiges Softwareprojekt ist, das Zeit braucht.“ Er betont aber auch, dass die Berichtsanforderungen zur Nachhaltigkeit an die Unternehmen bald kommen werden und dafür wäre es äußerst wichtig, wenn dann die Plattform seiner Branche zur Verfügung stünde. Außerdem befürchtet er, dass eine verwaschene Datenlage die Gefahr von Greenwashing erhöht.

Mit der Taxonomie-Verordnung, die seit dem 1. Januar 2022 anzuwenden ist, wird ein einheitliches Nachhaltigkeitsverständnis geschaffen, das Investoren als Informationsgrundlage für ihre Anlageentscheidungen dienen soll.

Versicherungsunternehmen sind größtenteils auch von der Verordnung betroffen. So müssen diejenigen, die unter die Offenlegungs-Verordnung fallen, zusätzliche Kriterien im Bereich der vorvertraglichen Informationen und der regelmäßigen Berichte berücksichtigen. Versicherungsunternehmen, die eine nicht-finanzielle Erklärung veröffentlichen, sind dazu verpflichtet, die zusätzlichen Anforderungen aus Artikel 8 Taxonomie-Verordnung umzusetzen.

Müssen prüfen, ob wirtschaftlichen Tätigkeiten Taxonomie-konform sind

Dieser Artikel 8 verlangt von allen Unternehmen, die eine nicht-finanzielle Erklärung veröffentlichen, umfassend zu prüfen, ob ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten auch Taxonomie-konform sind. Mit anderen Worten: Versicherer müssen ihre Tätigkeiten und Vermögenswerte checken, ob diese „ökologisch nachhaltige Tätigkeiten“ sind und so den Taxonomie-Voraussetzungen genügen.

Wie Taxonomie in der Praxis abläuft, soll ein Rechenbeispiel des GDV veranschaulichen:

Im Mittelpunkt steht eine Corporate Anleihe, Wert zehn Millionen Euro, fünf Prozent am Gesamtbestand der Anlagen. Der Emittent ist auf drei wirtschaftlichen Gebieten tätig. Eine Tätigkeit davon ist taxonomiekonform mit 20 Prozent Umsatz, eine weitere taxonomiefähig, aber nicht -konform mit 40 Prozent Umsatz und eine letzte nicht taxonomiefähig mit 40 Prozent Umsatz. Alle übrigen Investitionen im Portfolio fallen entweder nicht in den Anwendungsbereich der Taxonomie oder sind nicht Taxonomie-konform.

Infolgedessen kann der Versicherer als Investor zwei Millionen Euro bei Taxonomie-konformen Assets anrechnen. Die Taxonomiequote beläuft sich somit auf ein Prozent der gesamten Kapitalanlagen.

„Nachhaltigkeit ist kein Selbstläufer, Nachhaltigkeit ist harte Arbeit“, sagt Roman Sauer, Head of Group Reporting & Accounting bei Allianz SE und Vorsitzender des GDV-Ausschusses Rechnungslegung.

Versicherer müssen noch selbst nach relevanten Daten suchen

Was das genau für einen Versicherer, einen Investor bedeutet, veranschaulichte der GDV-Mann auch hier mit konkreten Zahlen. So können allein bei einer einzigen Anleihe gut 200 Datenpunkte zu berücksichtigen sein, sind 4.000 Unternehmen als Investment vorhanden, sind am Ende 800.000 Datenpunkte zu sammeln und auszuwerten. Hier wäre die ESAP schon ein Segen. Bislang müssen die Versicherer noch selbst in den Nachhaltigkeitsberichten nach den relevanten Daten recherchieren, aktuell würden sich auch spezielle Anbieter positionieren, um diese Dienstleistung zu liefern. Oder die relevanten Daten wurden von Rating-Agenturen bezogen. 

Bei der Taxonomie-Verordnung sehen die Versicherer noch weitere Probleme auf sich zukommen. So ist die hiesige Berichtspflicht nur eine europäische Berichtspflicht, auf globaler Ebene ist eine weitere Initiative vorhanden. Bei dieser können globale Unternehmen ihre Daten freiwillig eintragen, eine Pflicht wie sie auf europäischer Ebene angestrebt ist, ist dort nicht gegeben.

Taxonomie-Verordnung soll sich auf Aspekt „Ökologie“ konzentrieren

Epple und Sauer wünschen sich für die Zukunft, dass beide Projekte sich nicht gegenseitig aushebeln, sondern eng zusammenwirken und die Versicherer für beide Regelwerke nur einen Bericht abliefern müssen. Die Branchenkenner bemängeln zudem, dass Assets wie Staatsanleihen und Pfandbriefe noch nicht als Taxonomie-konform und Taxonomie-fähig anerkannt sind. Ein Umstand, der sich noch ändern müsse. Zudem hoffen die GDV-Akteure, dass die Taxonomie-Verordnung sich erst einmal auf den Aspekt „Ökologie“ konzentriert und erst später den sozialen Aspekt aufgreift, um die Betroffenen in den Versicherungsunternehmen nicht noch mehr zu belasten.

 

Autor(en): Meris Neininger

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