Der Lebensversicherungsbranche ist bewusst, dass sich ihr Geschäftsmodell ändern muss. Doch wie sieht die richtige Lösung aus? Einfach nur „Neue Klassik“ ersetzt „Alte Klassik“? Manche Versicherer suchen ihr Heil im Run-Off. Und dann spricht sich die Bafin noch für einen Provisionsdeckel aus. 2018 wird auf jeden Fall ein Jahr der Entscheidungen und für Vermittler sicher noch anstrengend.
Handel, Banken und die Tourismusbranche haben den strukturellen Wandel schon hinter sich, die Versicherer wohl gerade vor sich. Die Treiber für diese Umwälzung sind vor allem die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) und der dramatische Zinsverfall, der einst gegebene Garantieversprechen immer schwerer einlösbar macht. Auch die aufsichtsrechtlichen Forderungen durch Solvency II und der finanzielle Druck durch die Zinszusatzreserve (ZZR) lassen den Lebensversicherern wenig Zeit zum Müßiggang.
Einige Lebensversicherer sind dazu übergegangen, Teile ihrer Bestände an Run-Off-Plattformen zu übertragen. Ein Weg, den die Lebensversicherer im Zuge des niedrigen Zinsumfeldes vermehrt gehen oder gehen wollen. „Doch ein Run-Off ist keine Allzweckwaffe, es ist nur ein mögliches Mittel von vielen“, zeigte sich Michael Klüttgens, Geschäftsführer bei der Willis Towers Watson GmbH, auf der MCC-Fachkonferenz „Lebensversicherung aktuell“ in Köln überzeugt.
In einem Kurzinterview nimmt der Versicherungsmakler Carlos Reiss, CEO Asuro und Gründer von Hoesch & Partner, zur Lage der Lebensversicherung Stellung.
VM: Wie sehen Sie die Zukunft der traditionellen Lebensversicherung, wie die der Neuen Klassik (dabei zu berücksichtigende Faktoren wie Demografie, Zinsniveau, Regulierung, Run-off, …)?
Carlos Reiss: Bei einem aktuellen Rechnungszins von 0,9 Prozent sind die Produkte unattraktiv geworden. Zudem bringen die Gesellschaften immer neue Produkte auf dem Markt (Neue Klassik, Index Policen, Fondpolicen mit und ohne Garantie). Diese sind sehr intransparent und sind auf den ersten Blick nicht vergleichbar. Themen wie Run-Off erhöhen bei den Kunden das Misstrauen und führt zu Irritationen. Die Demografie und Langlebigkeit werden das Marktgefüge nachhaltig verändern und zu Rentenkürzungen in der Zukunft führen. Es ist zu befürchten, dass die Versicherer selbst den garantierten Rechnungszins außer Kraft setzen könnten.
VM: Können Biometrie-Versicherungen ein möglicher Rettungsanker für die Lebensversicherer sein?
Carlos Reiss: Biometrie-Versicherungen sind keine Lösung, da die Versicherer nur bei der Geldanlage nachhaltig Geld verdienen können. Die Margen aus der Biometrie sind mit Einschränkung kaum mit denen aus der reinen Anlage zu vergleichen.
VM: Wie schwer, wie unproblematisch ist es augenblicklich für Sie, Lebensversicherungen zu verkaufen?
Carlos Reiss: Hier ist es wichtig, den Vertrieb durch Schulungen und Weiterbildung auf die Veränderungen vorzubereiten und neue Impulse zu setzen. Klassische Produkte sind out. Zukünftig werden nur Produkte ohne Garantien eine Chance haben. ...
VM: Mit welchen Fragen konfrontieren Sie Ihre Kunden in Bezug auf die Zukunft der Lebensversicherung / ihre Lebensversicherung?
Carlos Reiss: Wie sicher ist seine gewählte Anlage. Ist eine Anlage mit einem Garantiezins von 0,9 Prozent sinnvoll? Macht eine Lebensversicherung überhaupt noch Sinn.
VM: Wie stehen Sie dem Vorschlag der Bafin, die Lebensversicherungs-Vergütung neu zu ordnen, gegenüber?
Carlos Reiss: Die Komplexität nimmt zu und die Vergütung soll weniger werden? Das macht keinen Sinn. Eine Courtagekürzung macht nur Sinn, wenn auch die Komplexität in der Beratung und bei den Produkten abnimmt.
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Autor(en): Meris Neininger