E-Call: Die fünf häufigsten Fehlannahmen

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Das automatische Notrufsystem E-Call ist gemäß EU-Verordnung seit dem 31. März 2018 in neu zugelassenen Fahrzeugmodellen Pflicht. Automobilhersteller haben das Thema schon länger auf der Agenda. Aber auch für Versicherungsunternehmen sind neuartige Mobilitätsservices, die im Zuge der Entwicklung vernetzter Fahrzeuge immer verbreiteter werden, von hoher Bedeutung.

Längst nicht alle Kfz-Versicherer haben bislang geprüft, inwieweit das Thema Notrufservice für das eigene Produktportfolio in Frage kommt, meint Bosch. „Dazu dürften nicht zuletzt die folgenden fünf weit verbreiteten Irrtümer über das Notrufsystem beigetragen haben, die uns in der Praxis immer wieder begegnen“, erklärt Stefan Gross, Leiter Mobility Services der Bosch Service Solutions GmbH.

Erste Fehlannahme: Den E-Call-Notruf gibt es nur für neue Fahrzeugmodelle

Diese Aussage stimmt nur zum Teil. Die EU-Verordnung bezieht sich richtigerweise nur auf Systeme, die in neuen Fahrzeugmodellen direkt ab Werk als Komponente fest verbaut werden. Hier sind zwei Systeme zu unterscheiden: Zum einen der unter Anleitung der EU entwickelte 112 E-Call. Zum anderen die so genannten Third Party Service Provider (TPSP) E-Calls von privaten Anbietern wie etwa Bosch, die ebenfalls der EU-Norm zum E-Call entsprechen. Diese erfassen in der Regel mehr unfallrelevante Informationen als vom Gesetzgeber vorgegeben. Bosch hat inzwischen auch nachrüstbare Systeme auf den Markt gebracht, wie etwa einen Unfallmeldestecker für die 12-Volt- (Zigarettenanzünder)-Buchse mit dazugehöriger Smartphone-App. Diese hatten auch die Versicherer auf den Markt gebracht. So lassen sich auch Gebrauchtwagen sowie Neuwagen älterer Modellreihen mit dem lebensrettenden System ausstatten. Mit diesen Nachrüstlösungen lässt sich ein Notrufservice abbilden, der genauso funktioniert wie bei einem neuverbauten E-Call-System.

Zweite Fehlannahme: Nur Autohersteller können einen Notrufservice anbieten

Die Lösungen zum Nachrüsten können Kfz-Versicherer ihren Kunden als Produkt anbieten – einschließlich der dazugehörigen Dienstleistung.

Dritte Fehlannahme: Der E-Call verwandelt das Auto in eine Datenkrake

Viele Verbraucher haben Bedenken, dass der E-Call-Notruf eine Gefahr für den Datenschutz darstelle. Diese Sorge ist unbegründet. Die SIM-Karte des E-Calls ist passiv und wird erst im Notfall aktiviert. Erst bei einem Unfall oder bei manueller Betätigung des E-Call wählt sich die SIM-Karte in ein Mobilfunknetz ein. Auch dann ist durch die EU-Verordnung genau definiert, welche Daten an den Service-Anbieter beziehungsweise die Rettungsleitstelle übermittelt werden dürfen. Dazu zählen der Minimaldatensatz und darüber hinaus nur Daten wie Fahrzeugtyp oder Anzahl der Insassen – sprich Informationen, die für die Einschätzung der Unfallsituation wichtig sind. Autofahrer auszuspähen oder gar Bewegungsprofile zu erstellen, ist beim E-Call-System technisch nicht möglich.

Vierte Fehlannahme: Der E-Call mit Service-Centern verlangsamt die Rettung

Die Tatsache, dass beim Bosch-E-Call-System der Notruf zunächst bei einem Service-Center eingehe, könne zu einer falschen Schlussfolgerung verleiten: Es scheine, als verginge im Notfall aufgrund einer längeren Rettungskette mehr Zeit bis Hilfe kommt. Da es im Falle von Unfällen aber vor allem auf genaue Informationen zu den Verunglückten ankommt, sei in Wirklichkeit das Gegenteil der Fall: Noch bevor eventuelle Ersthelfer einen Notruf absetzen können, stellt der E-Call eine Sprachverbindung zum Service-Center her. Die Service-Agenten seien speziell geschult, um empathisch auf Verunglückte einzugehen und schnell alle Informationen einzuholen, die für eine erste Lageeinschätzung erforderlich sind. Diese Informationen übermittle das Service-Center zusammen mit dem zum Unfall empfangenem Datensatz umgehend an die Rettungsleitstelle, die so genau einschätzen könne, welche und wie viele Einsatzkräfte benötigt werden, und diese sofort auf den Weg schicke. Das Service-Center entlastet die Rettungsleitstellen zudem von Fehlalarmen und wirkt so wie ein Filter. Damit können die Helfer den Fokus auf echte Unfälle legen.

Fünfte Fehlannahme: Der E-Call-Notruf funktioniert nur im Inland

Auch, wer im Ausland einen Unfall erleidet, profitiert vom E-Call, der automatisch bei der nächstgelegenen lokalen Rettungsleitstelle eingeht. Der Bosch-E-Call verfüge hier über mehrsprachige Service-Center: Der Verunglückte wird in der Sprache, die in der Fahrzeugtelematik hinterlegt ist, also in der Regel seiner Muttersprache, angesprochen. Gleichzeitig gibt ein weiterer Service-Agent die Unfallinformationen in der jeweiligen Landessprache an die lokale Leitstelle weiter. Eventuelle Sprachbarrieren entfallen, was insbesondere in der emotionalen Krisensituation eines Unfalls von großem Vorteil ist.

Autor(en): Bernhard Rudolf

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