Bis 30. Mai 2014 morgens waren die Verbände aufgefordert, Stellung zu einem Gesetzentwurf für die Neuregelung der Lebensversicherung einschließlich deren Vertriebs zu beziehen. Neben der Kritik an dieser Kurzfristigkeit war aber auch Erleichterung bei den Vermittlerverbänden zu erkennen - vielleicht jedoch verfrüht.
"Erfolg bei Provisionsdeckelung und Stornohaftung", titelte beispielsweise der AfW Bundesverband Finanzdienstleistung in seiner Pressemitteilung zu dem am vergangenen Dienstag (27. Mai 2014) mit einer äußerst kurzen Rückäußerungsfrist bis Freitagmorgen - trotz auch des Feiertags - an die Verbände verschickten Gesetzentwurf. Auch der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute hebt hervor, dass die beiden für die Vermittler kritischen Punkte einer gesetzlichen Provisionsdeckelung und einer Verlängerung der Stornohaftung im Referentenentwurf eines Lebensversicherungsreformgesetzes (LVRG) fehlen.
Es geht eigentlich um die Lastenverteilung der Finanzkrise
Damit die Lebensversicherungen auch in einem anhaltenden Niedrigzinsumfeld weiterhin sowohl sicher als auch attraktiv bleiben, wird schon seit längerem über ein Maßnahmenpaket gerungen. Im Zentrum steht eine Neuregelung des § 153 Absatz 3 VVG, nach dem Lebensversicherten bei Vertragsbeendigung die Hälfte der jeweils festgestellten Bewertungsreserven zustehen. Gedacht war dabei ursprünglich an solche Reserven, die auch nachhaltig realisierbar sind und deshalb einen Vermögenswert darstellen, vor allem also Reserven aus Aktien, Immobilien und vergleichbaren Anlagen.
Offenkundig hat der Gesetzgeber nicht damit gerechnet, dass solche Reserven in erheblichem Milliardenausmaß aus festverzinslichen Papieren entstehen können, die naturgemäß nicht nachhaltig realisierbar sind, sondern sich gegen Laufzeitende der Anleihe auf null reduzieren. Hier werden faktisch die Lasten aus der Finanzkrise durch Absenkung der Zinsen auf Sparguthaben verteilt.
Höchstzillmersatz soll sinken
Für den Vertrieb besonders brisant ist der Vorschlag, den Höchstzillmersatz zu senken. Dieser beträgt laut § 4 Absatz 1 DeckRV derzeit 40 Promille. Mit ihm werden einmalige Abschlusskosten des Versicherers wie des Versicherungsvermittlers - insbesondere Abschlussprovision - gedeckt. Dieser Satz soll auf 25 Promille sinken. Damit könnte im Gegenzug eine Absenkung des Höchstrechnungszinses (Garantiezins) von 1,75 auf 1,25 Prozent abgefedert werden, weil sonst eine garantierte Rückzahlung eingezahlter Beiträge in der Regel nicht mehr darstellbar ist.
Problem überrechnungsmäßiger Abschlusskosten wird verschärft
So hat das LVRG das Potenzial, den Lebensversicherungsvertrieb grundsätzlich zu verändern. Denn schon mit den bisher möglichen 40 Promille ließen sich im Marktdurchschnitt nicht die Abschlusskosten ausreichend decken. Laut Map-Report (842-844) lagen die bisher bei knapp 50 Promille. Knapp zwei Milliarden Euro überrechnungsmäßige Abschlusskosten wurden im Jahr 2011 mit rund 3,1 Milliarden Euro Kostengewinnen verrechnet ().
Bleiben die Abschlusskosten unverändert, dann reichen die Kostengewinne nicht mehr aus. Das heißt es müssten noch höhere Kosten einkalkuliert werden und die Attraktivität der Lebensversicherung sinkt erneut. Zudem sinkt die Überschussbeteiligung der Kunden ohnehin, wenn Kostengewinne durch überrechnungsmäßige Abschlusskosten verbraucht werden.
Da zwar nicht alle, aber nach Branchenaussagen wohl doch ein überwiegender Teil von schätzungsweise 60 Prozent der Abschlusskosten durch Vermittlervergütungen wie insbesondere Abschlussprovisionen entsteht, kann eine Absenkung des Höchstzillmersatzes von 15 Promille nur bedeuten, dass auch die Abschlussprovisionen in empfindlichem Maß sinken müssen. Ganz offensichtlich lassen sich die bisher üblichen Abschlusscourtagen von Maklern plus häufig noch zusätzliche Courtagen für Maklerpools so nicht mehr finanzieren. Aber auch in der Ausschließlichkeit sieht die Situation nicht viel besser aus, wenn man die Summe aller Vergütungselemente bedenkt.
Vergütung direkt mit Kunden verhandeln
Das wahre Ziel des LVRG könnte damit sein, die Abschlusskosten der Vermittler ganz aus der Produktkalkulation auszuschließen und es Vermittlern und Kunden zu überlassen, sich über eine Vergütung direkt zu einigen. Damit wäre der Einstieg in die Honorarvermittlung erreicht. Glücklich darüber können aber nur diejenigen Akteure und diejenigen Verbraucherschützer sein, die die Augen vor den Gesamtfolgen für die Kunden verschließen.
Denn ein Vermittlungshonorar mag vielleicht noch transparenter sein als die gesetzlich seit 1. Juli 2008 geltende Offenlegung der kalkulierten Kosten. Aber wenn das Vermittlungshonorar nicht finanzmathematisch korrekt in eine Renditeberechnung des Vertrags einbezogen wird, ist dies für den Kunden irreführend - es wird ein günstigerer Vertragsverlauf aus dem "Nettotarif" vorgegaukelt. Hier kann nur eins helfen: Ein gesetzliches Gebot, alle Vermittlungskosten, egal wie bezeichnet (etwa Honorar, Kostenausgleich) und abgerechnet, dem Kunden so transparent und finanzmathematisch korrekt verteilt darzustellen, dass ein unmittelbarer und unmissverständlicher Vergleich mit einem "Bruttotarif" möglich ist.
Und es bleibt die Frage im Raum stehen, ob die Wettbewerbsgerechtigkeit nicht auch erfordert, dass das Recht zur Honorarvermittlung allen Vermittlern offen stehen muss, notfalls also auch gesetzlich in Agenturvertragsverhältnisse einzugreifen ist. Alle Vermittler müssen die Chance auf eine auskömmliche Vergütung behalten dürfen – transparent mit dem Kunden ausgehandelt.
Lesen Sie mehr zum Thema in der Szene der Juliausgabe von Versicherungsmagazin.
"Erfolg bei Provisionsdeckelung und Stornohaftung", titelte beispielsweise der AfW Bundesverband Finanzdienstleistung in seiner Pressemitteilung zu dem am vergangenen Dienstag (27. Mai 2014) mit einer äußerst kurzen Rückäußerungsfrist bis Freitagmorgen - trotz auch des Feiertags - an die Verbände verschickten Gesetzentwurf. Auch der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute hebt hervor, dass die beiden für die Vermittler kritischen Punkte einer gesetzlichen Provisionsdeckelung und einer Verlängerung der Stornohaftung im Referentenentwurf eines Lebensversicherungsreformgesetzes (LVRG) fehlen.
Es geht eigentlich um die Lastenverteilung der Finanzkrise
Damit die Lebensversicherungen auch in einem anhaltenden Niedrigzinsumfeld weiterhin sowohl sicher als auch attraktiv bleiben, wird schon seit längerem über ein Maßnahmenpaket gerungen. Im Zentrum steht eine Neuregelung des § 153 Absatz 3 VVG, nach dem Lebensversicherten bei Vertragsbeendigung die Hälfte der jeweils festgestellten Bewertungsreserven zustehen. Gedacht war dabei ursprünglich an solche Reserven, die auch nachhaltig realisierbar sind und deshalb einen Vermögenswert darstellen, vor allem also Reserven aus Aktien, Immobilien und vergleichbaren Anlagen.
Offenkundig hat der Gesetzgeber nicht damit gerechnet, dass solche Reserven in erheblichem Milliardenausmaß aus festverzinslichen Papieren entstehen können, die naturgemäß nicht nachhaltig realisierbar sind, sondern sich gegen Laufzeitende der Anleihe auf null reduzieren. Hier werden faktisch die Lasten aus der Finanzkrise durch Absenkung der Zinsen auf Sparguthaben verteilt.
Höchstzillmersatz soll sinken
Für den Vertrieb besonders brisant ist der Vorschlag, den Höchstzillmersatz zu senken. Dieser beträgt laut § 4 Absatz 1 DeckRV derzeit 40 Promille. Mit ihm werden einmalige Abschlusskosten des Versicherers wie des Versicherungsvermittlers - insbesondere Abschlussprovision - gedeckt. Dieser Satz soll auf 25 Promille sinken. Damit könnte im Gegenzug eine Absenkung des Höchstrechnungszinses (Garantiezins) von 1,75 auf 1,25 Prozent abgefedert werden, weil sonst eine garantierte Rückzahlung eingezahlter Beiträge in der Regel nicht mehr darstellbar ist.
Problem überrechnungsmäßiger Abschlusskosten wird verschärft
So hat das LVRG das Potenzial, den Lebensversicherungsvertrieb grundsätzlich zu verändern. Denn schon mit den bisher möglichen 40 Promille ließen sich im Marktdurchschnitt nicht die Abschlusskosten ausreichend decken. Laut Map-Report (842-844) lagen die bisher bei knapp 50 Promille. Knapp zwei Milliarden Euro überrechnungsmäßige Abschlusskosten wurden im Jahr 2011 mit rund 3,1 Milliarden Euro Kostengewinnen verrechnet ().
Bleiben die Abschlusskosten unverändert, dann reichen die Kostengewinne nicht mehr aus. Das heißt es müssten noch höhere Kosten einkalkuliert werden und die Attraktivität der Lebensversicherung sinkt erneut. Zudem sinkt die Überschussbeteiligung der Kunden ohnehin, wenn Kostengewinne durch überrechnungsmäßige Abschlusskosten verbraucht werden.
Da zwar nicht alle, aber nach Branchenaussagen wohl doch ein überwiegender Teil von schätzungsweise 60 Prozent der Abschlusskosten durch Vermittlervergütungen wie insbesondere Abschlussprovisionen entsteht, kann eine Absenkung des Höchstzillmersatzes von 15 Promille nur bedeuten, dass auch die Abschlussprovisionen in empfindlichem Maß sinken müssen. Ganz offensichtlich lassen sich die bisher üblichen Abschlusscourtagen von Maklern plus häufig noch zusätzliche Courtagen für Maklerpools so nicht mehr finanzieren. Aber auch in der Ausschließlichkeit sieht die Situation nicht viel besser aus, wenn man die Summe aller Vergütungselemente bedenkt.
Vergütung direkt mit Kunden verhandeln
Das wahre Ziel des LVRG könnte damit sein, die Abschlusskosten der Vermittler ganz aus der Produktkalkulation auszuschließen und es Vermittlern und Kunden zu überlassen, sich über eine Vergütung direkt zu einigen. Damit wäre der Einstieg in die Honorarvermittlung erreicht. Glücklich darüber können aber nur diejenigen Akteure und diejenigen Verbraucherschützer sein, die die Augen vor den Gesamtfolgen für die Kunden verschließen.
Denn ein Vermittlungshonorar mag vielleicht noch transparenter sein als die gesetzlich seit 1. Juli 2008 geltende Offenlegung der kalkulierten Kosten. Aber wenn das Vermittlungshonorar nicht finanzmathematisch korrekt in eine Renditeberechnung des Vertrags einbezogen wird, ist dies für den Kunden irreführend - es wird ein günstigerer Vertragsverlauf aus dem "Nettotarif" vorgegaukelt. Hier kann nur eins helfen: Ein gesetzliches Gebot, alle Vermittlungskosten, egal wie bezeichnet (etwa Honorar, Kostenausgleich) und abgerechnet, dem Kunden so transparent und finanzmathematisch korrekt verteilt darzustellen, dass ein unmittelbarer und unmissverständlicher Vergleich mit einem "Bruttotarif" möglich ist.
Und es bleibt die Frage im Raum stehen, ob die Wettbewerbsgerechtigkeit nicht auch erfordert, dass das Recht zur Honorarvermittlung allen Vermittlern offen stehen muss, notfalls also auch gesetzlich in Agenturvertragsverhältnisse einzugreifen ist. Alle Vermittler müssen die Chance auf eine auskömmliche Vergütung behalten dürfen – transparent mit dem Kunden ausgehandelt.
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Autor(en): Mathias Beenken