Der Volkswagenkonzern (VW) und der Bundesverband der Verbraucherzentralen (Vzbv) sollen sich nach Medienberichten nach schwerem Streit wieder an einen Tisch zu einer Vergleichsverhandlung gesetzt haben.
Zuvor hatten sich beide Seiten gegenseitig vorgeworfen, die Vergleichsverhandlung im Rahmen der Musterfeststellungsklage (MFK) zum Scheitern gebracht zu haben. Das Verfahren ist das erste seiner Art und hat auch für die Rechtsschutzversicherer eine große Bedeutung. Die Assekuranzunternehmen gingen proaktiv mit Kunden um, die sich in der Vergangenheit der MFK gegen den VW-Konzern anschließen wollten. So hat beispielsweise die Düsseldorfer Arag ihre Versicherten kostenlos beraten.
460.000 Beteiligte
Für alle Autofahrer, die privat einen Diesel mit Abschaltvorrichtung erworben haben, soll mit der MFK der Kampf um ihr Recht einfacher werden. Sie können die im MFK-Urteil getroffenen Feststellungen für den eigenen Prozess verwenden. Geklärt werden soll, ob in der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung zu erkennen ist. "Die Musterfeststellungsklage ist ein echter Meilenstein für Verbraucherinnen und Verbraucher", sagt Vzbv-Vorstand Klaus Müller. Grund: Die Feststellungen binden alle Beteiligten.
Im Vorfeld hatte das Bundesjustizministerium geschätzt, dass rund zwei Millionen Dieselfahrer "in den Genuss der neuen Klage kommen können". Tatsächlich beteiligten sich nach jüngsten Zahlen rund 460.000 Kunden. Durch eine erfolgreiche MFK, wird die Verjährung der Ansprüche der Geschädigten gestoppt. In dem Verfahren wird festgestellt, ob zwischen zwei Parteien ein Rechtsverhältnis besteht und ob die Voraussetzungen für Rechtsansprüche, wie beispielsweise Schadenersatz, gegeben sind. Später müssen dann Verbraucher nicht mehr in jedem Einzelfall mühsame, zeitaufwändige und kostspielige eigene Feststellungen treffen.
Vergleich erst geplatzt
Um den Beteiligten nach dem Urteil im Verfahren zur MFK den Aufwand einer individuellen Klage abzunehmen, hatte der Vzbv frühzeitig einen pragmatischen Vergleich gefordert. Volkswagen hatte nach längerem Zögern Ende 2019 eingelenkt. Am 14.02.2020 wurden die Gespräche von beiden Seiten als gescheitert gemeldet.
Am 20. Februar 2020 meldete der Vzbv, dass es wieder ein Gütegespräch zwischen den Parteien gebe, dass von Wolfgang Scheibel, Präsident des Oberlandesgerichts Braunschweig moderiert werden soll. Nach Darstellung des Volkswagenkonzerns waren die Gespräche vorab gescheitert, weil die Anwälte der Verbraucherschützer für die Abwicklung des Vergleichs 50 Millionen Euro verlangt hatten, ohne diesen Aufwand konkret zu belegen. Ein Sprecher des Volkswagenkonzern sagte, dass ein bekannter Servicedienstleister, die Abwicklung für lediglich 17 Millionen Euro angeboten hätte. Doch nach Darstellung der Verbraucherschützer sei diese Abwicklung nicht "transparent, vertrauenswürdig und sicher" gewesen. Bei einer "Selbstabwicklung" durch VW fehle der "Schutzschirm der Verbraucherschützer." So stellt der Vzbv fest: "Ziel ist es, Verbraucherinnen und Verbraucher davor zu bewahren, bei Problemen im Rahmen der Abwicklung erneut gegen VW vor Gericht ziehen zu müssen." Damit wollen die Verbraucherschützer verhindern, dass es "neue Klagen, neuen Ärger und neuen Frust" gibt. Nun scheint sich der öffentliche Druck der Verbraucherschützer auszuzahlen. VW bestätigt, dass es neue Vergleichsverhandlungen gibt.
Alle sollen gleiches Angebot bekommen
Inhaltlich scheinen die Kontrahenten keine Differenzen zu haben. So will VW den Geschädigten eine Summe von 830 Millionen Euro anbieten. Je nach Fall sollen die Beteiligten MFK außergerichtlich zwischen 1.350 und 6.257 Euro erhalten. Wenn Verbraucher ein Vergleichsangebot als fair empfinden, können sie es annehmen. Sie können aber auch weiterhin auf ein Urteil in der MFK warten. Die Verbraucherschützer fordern übrigens, dass der Konzern allen Betrogenen das gleiche Angebot macht und nicht nur denen, die im Klageregister der MFK stehen. Das ist ein Gebot der Fairness, so der Vzbv. Für Rechtsschutzversicherer würde damit ein teures Verfahren deutlich schneller zu Ende gehen.
Zu den Auswirkungen befragte Versicherungsmagazin die Geschäftsführung des Düsseldorfer Rechtsschutzversicherer Arag. Das Interview erscheint morgen auf Versicherungsmagazin online.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek