Versicherungsmagazin sprach mit Hanno Petersen (im Bild), Konzernvorstand beim Rechtsschutzversicherer Arag SE, über die Auswirkungen des gescheiterten Vergleichs der Musterfeststellungsklage (Nach schwerem Streit wieder an einem Tisch) zwischen dem VW Konzern und Bundesverband der Verbraucherzentralen auf die Rechtsschutzversicherer und insbesondere sein Haus.
Der Vergleich innerhalb der Musterfeststellungsklage ist gescheitert. Was bedeutet das für die Rechtsschutzversicherer?
Hanno Petersen: Bei der Arag haben circa 1.000 Rechtsschutzkunden Ansprüche im Klageregister angemeldet. Ein Vergleich hätte für diese Kundengruppe die Entstehung weiterer Kosten verhindert. Wenn es nun zu nachgelagerten Klageverfahren kommt, ist dieses Kostenrisiko bei 1.000 Fällen überschaubar. Der weitaus größere Teil an Abgas-Fällen sind bei uns ohnehin von vornherein Einzelklagen mit sehr viel höheren Kostenrisiken.
VW will den Kläger der Musterfeststellungsklage außergerichtlich zwischen 1.350 und 6.257 Euro zahlen. Halten Sie das für eine faire Entschädigung?
Hätte VW dieses Angebot direkt nach Bekanntwerden des Skandals gemacht, wäre das wahrscheinlich von den meisten gebilligt und honoriert worden. In der aktuellen Situation entsteht bei vielen der Eindruck, dass VW einem drohenden höheren Schadenersatz zuvorkommen will. Andererseits muss aber auch die anstehende BGH-Entscheidung mit im Blick behalten werden: Sollte der BGH jeglichen deliktischen Anspruch verneinen, würden dadurch die Ansprüche komplett entfallen. Bei einer nüchternen Risikobetrachtung kann das Angebot von VW für viele interessant sein.
Was raten Sie den Klägern, die an der Musterfeststellungsklage teilnehmen?
Generell gilt: Die Wirksamkeit der Anmeldung an der MFK wird weder durch die gescheiterten Vergleichsverhandlungen des vzbv mit VW noch durch das direkte VW-Angebot an die Teilnehmer der MFK berührt. Diese können grundsätzlich den Fortgang der MFK abwarten. Ob jemand das VW-Angebot annehmen will und damit auf seine Rechte aus der MFK verzichtet, ist eine individuelle Entscheidung jedes Einzelnen. Die Interessenlage bei den Kunden ist so vielschichtig, dass pauschale Empfehlungen hier keinen Sinn machen. Manch einer wird wahrscheinlich einen Schlussstrich ziehen wollen. Und diejenigen, die nicht rechtsschutzversichert sind, werden es sich oft nicht leisten können, zu pokern und auf bessere Konditionen oder Ergebnisse zu hoffen.
Wie beurteilen Sie grundsätzlich die Musterfeststellungsklage?
Wir unterstützen alles, was unseren Kunden hilft, noch besser zu ihrem Recht zu kommen. Deshalb begrüßen wir auch eine Bündelung gleicher Klagebegehren - wie etwa durch eine Musterfeststellungsklage. Wichtig ist für uns dabei, dass die Rechte unserer Kunden effektiv durchgesetzt werden. Die aktuelle Situation macht deutlich, dass die MFK schon jetzt auf das Verhalten von VW Einfluss ausgeübt hat. VW war bislang nur im Klageverfahren - und hier in der Regel erst in der Berufungsinstanz - vergleichsbereit. Insoweit könnte das Instrument der MFK künftig präventive Effekte entwickeln: Indem sich die Gegenpartei schon im Vorfeld auf Anspruchssteller zubewegt und außergerichtliche Vergleichslösungen auslotet.
Wie viele Deckungszusagen hat Ihr Haus im Rahmen des Diesel-Betrugs bisher gegeben?
Wir haben bislang in etwas mehr als 10.000 Fällen Deckungszusage erteilt.
Wie viel neue Anfragen nach Rechtsschutzdeckung zur Dieselaffäre erreichen Sie aktuell?
Zum VW-Komplex erhielten um den Jahreswechsel noch rund 300 Anfragen monatlich. Aktuell sind die Zahlen rückläufig mit derzeit monatlich rund 200 Anfragen, was vermutlich auf die Verjährung von Ansprüchen zum Jahresende 2019 zurückzuführen ist. Dennoch ist ein Ende nicht in Sicht, auch weil sich die Ansprüche zunehmend gegen andere Hersteller richten und andere Themenfelder wie das so genannte Thermofenster an Aktualität gewinnen.
Wie viele Deckungszusagen gibt es für geschädigte VW-Aktionäre?
Hier sprechen wir über deutlich kleinere Fallzahlen: Bislang haben wir in rund 130 Fällen Deckungszusage für geschädigte VW-Aktionäre erteilt. In Relation zu den Rechtsstreitigkeiten rund um den Erwerb betroffener Diesel-Fahrzeuge, liegen wir hier also grade mal im Bereich von einem Prozent.
Gibt es ein ähnliches Verfahren, das die Rechtsschutzversicherer so stark belastet?
Eine vergleichbare Dimension hinsichtlich der Kosten hatte das Thema "Widerruf von Darlehen". Hier war zwar die Meldezahl nur halb so groß, allerdings lagen die Streitwerte deutlich höher.
Die Fragen stellte Uwe Schmidt-Kasparek, freier Journalist aus Düsseldorf.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek