Versicherungen sind Dienstleistungen, soweit die Binsenweisheit. Was aber bedeutet dies in der Praxis?
Das bevorstehende Jahresende gibt Anlass, über das zurückliegende Jahr nachzudenken und Vorsätze für das neue zu fassen. Ein wertvoller Anlass, über den Begriff „Dienstleistung“ einmal näher nachzudenken.
Versicherungen und die Vermittlung von Versicherungen gelten als Dienstleistungen. Marketingwissenschaftler nennen drei wesentliche Merkmale der Dienstleistung: Sie ist erstens immateriell, also nicht greifbar. Sie setzt zweitens voraus, dass derjenige, der die Dienstleistung erbringt, dafür eine besondere Kompetenz mitbringt.
Wirklich Meister ihres Fachs am Werk?
Denken Sie dabei an einen Frisörbesuch. Wenn Sie vom Inhaber des Frisörsalons wissen, dass er nur einen Abschluss als Fleischermeister hat – würden Sie sich dort wohl fühlen? Jetzt übertragen Sie das einmal auf Versicherungen. Wie oft sitzen in den Callcenters der Versicherer oder im Vertrieb an der wichtigen Schnittstelle zum Kunden Meister ihres Fachs? Oder sind es doch nicht selten nur Angelernte oder Gesellen? Nur am Rande: Dem „Meister“ ist in der Versicherungsbranche der Abschluss „Fachwirt/Fachwirtin für Versicherungen und Finanzen“ vergleichbar.
Das dritte Merkmal der Dienstleistung wird abstrakt als „Integration des externen Faktors“ bezeichnet. Am Frisörbeispiel wird das anschaulich: Der Frisör kann seine Dienstleistung nicht vollbringen, wenn Sie Ihren Kopf nicht stillhalten. So brauchen Versicherer und Versicherungsvermittler auch den Kunden, der Auskünfte über sich und seine Risikosituation gibt und sich so verhält, wie man es von einem Versicherungskunden erwartet. Das bedeutet aber auch, dass es eine intensive Beziehung zwischen Dienstleister und Kunden geben muss.
Zweifel an der Dienstleistungsbereitschaft
Zwei exemplarische Beispiele lassen zweifeln, ob diese Besonderheiten der Dienstleistung allen am „Point of Sale“ Beschäftigten klar sind. Nehmen wir eine Sonderzahlung zu einer bestehenden Basisrente. Der erste Anruf in der auf der Police aufgedruckten Servicetelefonnummer des Versicherers ergibt, dass man dort nicht wisse, ob eine Sonderzahlung möglich ist und wie sie vonstattengeht, es folgt eine Weiterverbindung in die Zentrale. Dort dann immerhin die erfreuliche Auskunft, dass die Sonderzahlung möglich sei, aber nur über eine Antragstellung durch den zuständigen Vermittler, das Telefonat ist also schnell wieder beendet.
Der Vermittler wiederum muss sich auf verschlungenen Pfaden den entsprechenden Antrag besorgen. Der geht dann als gerade einmal 81 Seiten umfassendes PDF an den Kunden, bei dem nicht etwa zentral auf der ersten Seite, sondern auf den Seiten 15, 20 und 24 verteilt jeweils bestimmte Daten ergänzt und Unterschriften geleistet werden müssen.
Ein anderes Beispiel: Ein Kraftfahrzeugschaden im Ausland, Schädiger ist ein osteuropäischer Lkw-Fahrer. Der GDV besorgt in unerwartet kurzer Zeit von wenigen Stunden die notwendigen Daten der Kfz-Versicherung aus dem Ausland und Adresse und Ansprechpartner beim Schadenregulierungspartner in Deutschland. Der Anruf dort wird abgewimmelt, man möge den Schaden per Mail melden, was umgehend erfolgt.
Schadenbearbeitung erst nach drei Monaten abgeschlossen
Wertvolle Zeit verstreicht. Das nicht mehr verkehrssichere Fahrzeug ist längst in Reparatur, als drei Arbeitstage später zumindest eine Eingangsbestätigung der Schadenmeldung erfolgt. Nach drei Monaten und damit erst zum Ende der nach KH-Richtlinie maximal möglichen Zeit wird der Schaden dem Grunde nach anerkannt und in mehreren, durch Mahnungen und Nachfassen unterbrochener Zeit ratenweise erstattet. Ein nicht unerheblicher Teil wird jedoch ohne Begründung gestrichen und der Versichertengemeinschaft eines Rechtsschutzversicherers aufgebürdet, wie auch dem Geschädigten und dessen Werkstatt selber.
Der Regulierungspartner bestätigt zwar die Berechtigung aller Ansprüche, dass er aber keine Vollmacht besitze, seinen Auslandspartner zur Zahlung zu zwingen. Übrigens: Es handelt sich sowohl beim Regulierungspartner als auch beim Versicherer des Schädigers um alles andere als kleine Marktteilnehmer.
Gut für das Image der Branche
Dienstleistung heißt Dienst zu leisten am Kunden. Die ruhigen Tage nach dem Garantieschlussverkauf und der Kfz-Wechselhysterie mögen Anlass sein, darüber einmal nachzudenken. Dem Image dieser Branche und der Wertschätzung derselben in der Öffentlichkeit würde es gut tun.
Bildquelle: © Cumulus
Das bevorstehende Jahresende gibt Anlass, über das zurückliegende Jahr nachzudenken und Vorsätze für das neue zu fassen. Ein wertvoller Anlass, über den Begriff „Dienstleistung“ einmal näher nachzudenken.
Versicherungen und die Vermittlung von Versicherungen gelten als Dienstleistungen. Marketingwissenschaftler nennen drei wesentliche Merkmale der Dienstleistung: Sie ist erstens immateriell, also nicht greifbar. Sie setzt zweitens voraus, dass derjenige, der die Dienstleistung erbringt, dafür eine besondere Kompetenz mitbringt.
Wirklich Meister ihres Fachs am Werk?
Denken Sie dabei an einen Frisörbesuch. Wenn Sie vom Inhaber des Frisörsalons wissen, dass er nur einen Abschluss als Fleischermeister hat – würden Sie sich dort wohl fühlen? Jetzt übertragen Sie das einmal auf Versicherungen. Wie oft sitzen in den Callcenters der Versicherer oder im Vertrieb an der wichtigen Schnittstelle zum Kunden Meister ihres Fachs? Oder sind es doch nicht selten nur Angelernte oder Gesellen? Nur am Rande: Dem „Meister“ ist in der Versicherungsbranche der Abschluss „Fachwirt/Fachwirtin für Versicherungen und Finanzen“ vergleichbar.
Das dritte Merkmal der Dienstleistung wird abstrakt als „Integration des externen Faktors“ bezeichnet. Am Frisörbeispiel wird das anschaulich: Der Frisör kann seine Dienstleistung nicht vollbringen, wenn Sie Ihren Kopf nicht stillhalten. So brauchen Versicherer und Versicherungsvermittler auch den Kunden, der Auskünfte über sich und seine Risikosituation gibt und sich so verhält, wie man es von einem Versicherungskunden erwartet. Das bedeutet aber auch, dass es eine intensive Beziehung zwischen Dienstleister und Kunden geben muss.
Zweifel an der Dienstleistungsbereitschaft
Zwei exemplarische Beispiele lassen zweifeln, ob diese Besonderheiten der Dienstleistung allen am „Point of Sale“ Beschäftigten klar sind. Nehmen wir eine Sonderzahlung zu einer bestehenden Basisrente. Der erste Anruf in der auf der Police aufgedruckten Servicetelefonnummer des Versicherers ergibt, dass man dort nicht wisse, ob eine Sonderzahlung möglich ist und wie sie vonstattengeht, es folgt eine Weiterverbindung in die Zentrale. Dort dann immerhin die erfreuliche Auskunft, dass die Sonderzahlung möglich sei, aber nur über eine Antragstellung durch den zuständigen Vermittler, das Telefonat ist also schnell wieder beendet.
Der Vermittler wiederum muss sich auf verschlungenen Pfaden den entsprechenden Antrag besorgen. Der geht dann als gerade einmal 81 Seiten umfassendes PDF an den Kunden, bei dem nicht etwa zentral auf der ersten Seite, sondern auf den Seiten 15, 20 und 24 verteilt jeweils bestimmte Daten ergänzt und Unterschriften geleistet werden müssen.
Ein anderes Beispiel: Ein Kraftfahrzeugschaden im Ausland, Schädiger ist ein osteuropäischer Lkw-Fahrer. Der GDV besorgt in unerwartet kurzer Zeit von wenigen Stunden die notwendigen Daten der Kfz-Versicherung aus dem Ausland und Adresse und Ansprechpartner beim Schadenregulierungspartner in Deutschland. Der Anruf dort wird abgewimmelt, man möge den Schaden per Mail melden, was umgehend erfolgt.
Schadenbearbeitung erst nach drei Monaten abgeschlossen
Wertvolle Zeit verstreicht. Das nicht mehr verkehrssichere Fahrzeug ist längst in Reparatur, als drei Arbeitstage später zumindest eine Eingangsbestätigung der Schadenmeldung erfolgt. Nach drei Monaten und damit erst zum Ende der nach KH-Richtlinie maximal möglichen Zeit wird der Schaden dem Grunde nach anerkannt und in mehreren, durch Mahnungen und Nachfassen unterbrochener Zeit ratenweise erstattet. Ein nicht unerheblicher Teil wird jedoch ohne Begründung gestrichen und der Versichertengemeinschaft eines Rechtsschutzversicherers aufgebürdet, wie auch dem Geschädigten und dessen Werkstatt selber.
Der Regulierungspartner bestätigt zwar die Berechtigung aller Ansprüche, dass er aber keine Vollmacht besitze, seinen Auslandspartner zur Zahlung zu zwingen. Übrigens: Es handelt sich sowohl beim Regulierungspartner als auch beim Versicherer des Schädigers um alles andere als kleine Marktteilnehmer.
Gut für das Image der Branche
Dienstleistung heißt Dienst zu leisten am Kunden. Die ruhigen Tage nach dem Garantieschlussverkauf und der Kfz-Wechselhysterie mögen Anlass sein, darüber einmal nachzudenken. Dem Image dieser Branche und der Wertschätzung derselben in der Öffentlichkeit würde es gut tun.
Bildquelle: © Cumulus
Autor(en): Matthias Beenken