Bei der VVB-Veranstaltung "Transparenz im Vertrieb" wurden äußerst kontroverse Standpunkte zu der Frage vertreten, ob die geplante, veränderte Versicherungsvermittlerrichtlinie (IMD 2) Verbesserungen für die Kunden bringt. Vor allem an den Thesen der Hamburger Verbraucherschützerin Edda Castello entzündete sich die Diskussion.
Vorstand Martin Risse begrüßte die Teilnehmer der Fachkreistagung der Vereinigung der Versicherungsbetriebswirte e.V. (VVB) im Haus der Barmenia Versicherungen in Wuppertal. Dabei machte er deutlich, wie wichtig dem mittelständischen Versicherungsunternehmen ist, sich an gesellschaftlichen Wertvorstellungen auszurichten und diese zu unterstützen. Dazu gehören nicht nur Familienfreundlichkeit und Ökologie, sondern auch eine Ausrichtung des Vertriebs an Standards, die dem Anspruch eines Serviceversicherers gerecht werden.
Chance, aber Anpassungsbedarf
"Wir halten die IMD 2 für eine ganz große Chance für die Branche", eröffnete Claus-Peter Hendricks, Senior Manager bei der Unternehmensberatung zeb, den Reigen der Einschätzungen zum Entwurf einer neuen Versicherungsvermittlerrichtlinie vom letzten Jahr. Diese Richtlinie wird nach übereinstimmenden Informationen der Referenten voraussichtlich Ende diesen, spätestens aber Anfang nächsten Jahres verabschiedet und 2015 oder 2016 in der EU in Kraft treten. Aus Sicht des Unternehmensberaters besteht ein hoher Anpassungsbedarf bei Versicherungsunternehmen in den Bereichen Weiterbildung der Vermittler, Vergütung und Beratungsstandards. Ohne massive IT-Unterstützung werde das nicht abgehen.
Hendricks hob besonders die ganzheitliche Beratung hervor, die durch die IMD 2 noch prägnanter eingefordert wird. Kritisch äußerte er sich zu der Vorstellung, dass die Unabhängigkeit eines Maklers nicht mehr von der Breite seines Produktangebots, sondern von der Vergütungsart abhängig gemacht werden soll. Auslöser einer kritischen Betrachtung der Courtage ist der Marsh-Skandal um vergütungsabhängige Platzierung von Geschäft, in dessen Folge das Maklerunternehmen 850 Millionen US-Dollar Strafe zahlen musste, erinnerte Hendricks.
Vertriebskodex allein reicht nicht
Auch Rechtsanwalt Hans-Ludger Sandkühler warb um Verständnis für den Gesetzgeber und den Verbraucherschutz, denn "einen Teil hat sich die Branche selbst zuzuschreiben". Ob der verschärfte Vertriebskodex des GDV allein weiterhelfen wird, dazu äußerte sich der Vertriebsrechtsexperte skeptisch und zitierte den früheren GDV-Präsidenten Hoenen mit den Worten, "wir müssen den Leuten sagen, was wir tun - und tun was wir sagen".
Nach wie vor seien vielfältige, irreführende Berufsbezeichnungen von Vermittlern verbreitet. Die Qualifizierung der Vermittler müsse besser werden, kritisierte Sandkühler. "Vermittler müssen an ihrer Professionalität arbeiten", zog er sein Fazit aus den noch komplexer gewordenen Regulierungen sowohl der Finanzanlagen- als auch der Versicherungsvermittlung, "nur so kann man verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen".
Negative Begleiterscheinungen von Courtageverboten
"Der Trend zur Regulierung ist unumkehrbar", so Ralf Berndt (siehe Bild), Vorstand für Marketing und Vertrieb bei der Stuttgarter Lebensversicherung. Dem gewann er aber durchaus positive Aspekte ab. Die Branche werde mit dem Vertriebskodex alle Vermittler dazu zwingen, sich Compliance-Regeln zu geben oder sich bestehenden Regelungen zu unterwerfen, wie sie zum Teil auch von Berufsverbänden entwickelt worden sind. Wer dies nicht mittrage, müsse mit einer Beendigung der Zusammenarbeit rechnen, machte Berndt klar.
Dagegen setzte er sich kritisch mit der Meinung auseinander, dass die Vergütungsform über die Qualität der Beratung entscheidet. Zum einen seien die Deutschen nicht auf Honorare vorbereitet, machte er anhand von Umfragedaten deutlich, nach denen ganze 21 Prozent der Deutschen Honorar bezahlen würden, und davon 79 Prozent maximal 100 Euro oder 30 Prozent sogar weniger als 50 Euro.
In Skandinavien sei infolge des Courtageverbots die Zahl der Makler um die Hälfte gefallen. In Finnland gebe es Belege, dass die Versorgung der Bevölkerung im Privatkundengeschäft "drastisch zurückgeht". Auch aus den Niederlanden, wo ab diesem Jahr ein Courtageverbot gilt, gibt es bereits erste Hinweise auf neue Formen der Gewinnmaximierung, die nichts mit Verbraucherschutz zu tun haben. Berndt sprach sich ausdrücklich für Honorarberatung und -vermittlung aus, forderte aber Wettbewerbsgleichheit und keine einseitige Bevorzugung.
Rentenversicherung ist nur ein Sparvertrag
Eine völlig andere Sicht präsentierte Edda Castello, Abteilungsleiterin Recht und Finanzdienstleistungen bei der Verbraucherzentrale Hamburg. "Die wenigsten Verbraucher sind mündig", meinte sie und rechtfertigte damit, Ratsuchenden individuelle Wünsche nach bestimmten Versicherungsprodukten auszureden, wenn diese aus Sicht der Verbraucherzentrale "weniger wichtig" oder gar "überflüssig" seien. Dazu präsentierte sie eine Liste von Versicherungen, die sie seltener als "unverzichtbar" und mehrheitlich als eher selten empfehlenswert einordnete und damit auf kräftigen Widerspruch des Auditoriums stieß. Unter anderem stellte sie in Abrede, dass es sich bei Lebens- und bei Rentenversicherungen um Versicherungen handelt, sondern um "nachteilige Sparverträge".
Aus ihrer Sicht werden alle Vermittler, auch Courtage-bezahlte Makler, korrumpiert und verkaufen häufig überflüssige und wenig geeignete Verträge. Die Provisionshöhe stehe zum Nutzen der Versicherung in einem umgekehrt proportionalen Verhältnis. Dem Entwurf der IMD 2 konnte Castello nichts Gutes abgewinnen, es gebe weiter zu viele Ausnahmen und Einschränkungen. Ihre Forderung lautete, Beratung und Verkauf konsequent zu trennen und jedem Versicherungsprodukt ohne die in der Schadenversicherung geplanten Übergangsfristen "ein Preisschild" anzubringen, womit offenbar die Kosten des Abschlusses gemeint waren.
Höhere Qualifizierung als von EU gefordert
Zum Abschluss ging Thomas Krämer, Geschäftsführer des Berufsbildungswerks der Versicherungswirtschaft, auf die Bildungsanforderungen des IMD 2-Entwurfs ein. Aus seiner Sicht fordert die Richtlinie nur, die bei Beginn der Vermittlungstätigkeit erforderliche Sachkunde auf dem Stand zu halten, also ein regelmäßiges "Refreshing" durchzuführen. Krämer machte deutlich, dass die Branche mehr will und auch ein "Progressing", einen regelmäßigen Ausbau der Qualifikation der Vermittler. Die Sachkundeprüfung bilde nur einen Mindeststandard ab, der beispielsweise für das Industriegeschäft oder für die weitgehenden Pflichten eines Maklers nicht ausreiche.
Der IMD 2-Entwurf sieht im Bereich Bildung vor, Details über "delegierte Rechtsakte" zu regeln. Damit könnte nach seiner Ansicht die Europäische Versicherungsaufsicht EIOPA beauftragt werden. Krämer äußerte die Befürchtung, dass dabei etablierte Ausbildungssysteme einer Vereinheitlichung zum Opfer fallen könnten. Krämer hob die Leistungen der Branche in Sachen Bildung hervor, äußerte aber auch kritisch, dass die Unternehmen Schwerpunkte ihrer Personalarbeit noch "eher beim Finden statt beim Binden" des Verkaufspersonals setzen und forderte, die sehr hohe Fluktuation in den ersten Tätigkeitsjahren zu senken.
Bild: @ Matthias Beenken
Vorstand Martin Risse begrüßte die Teilnehmer der Fachkreistagung der Vereinigung der Versicherungsbetriebswirte e.V. (VVB) im Haus der Barmenia Versicherungen in Wuppertal. Dabei machte er deutlich, wie wichtig dem mittelständischen Versicherungsunternehmen ist, sich an gesellschaftlichen Wertvorstellungen auszurichten und diese zu unterstützen. Dazu gehören nicht nur Familienfreundlichkeit und Ökologie, sondern auch eine Ausrichtung des Vertriebs an Standards, die dem Anspruch eines Serviceversicherers gerecht werden.
Chance, aber Anpassungsbedarf
"Wir halten die IMD 2 für eine ganz große Chance für die Branche", eröffnete Claus-Peter Hendricks, Senior Manager bei der Unternehmensberatung zeb, den Reigen der Einschätzungen zum Entwurf einer neuen Versicherungsvermittlerrichtlinie vom letzten Jahr. Diese Richtlinie wird nach übereinstimmenden Informationen der Referenten voraussichtlich Ende diesen, spätestens aber Anfang nächsten Jahres verabschiedet und 2015 oder 2016 in der EU in Kraft treten. Aus Sicht des Unternehmensberaters besteht ein hoher Anpassungsbedarf bei Versicherungsunternehmen in den Bereichen Weiterbildung der Vermittler, Vergütung und Beratungsstandards. Ohne massive IT-Unterstützung werde das nicht abgehen.
Hendricks hob besonders die ganzheitliche Beratung hervor, die durch die IMD 2 noch prägnanter eingefordert wird. Kritisch äußerte er sich zu der Vorstellung, dass die Unabhängigkeit eines Maklers nicht mehr von der Breite seines Produktangebots, sondern von der Vergütungsart abhängig gemacht werden soll. Auslöser einer kritischen Betrachtung der Courtage ist der Marsh-Skandal um vergütungsabhängige Platzierung von Geschäft, in dessen Folge das Maklerunternehmen 850 Millionen US-Dollar Strafe zahlen musste, erinnerte Hendricks.
Vertriebskodex allein reicht nicht
Auch Rechtsanwalt Hans-Ludger Sandkühler warb um Verständnis für den Gesetzgeber und den Verbraucherschutz, denn "einen Teil hat sich die Branche selbst zuzuschreiben". Ob der verschärfte Vertriebskodex des GDV allein weiterhelfen wird, dazu äußerte sich der Vertriebsrechtsexperte skeptisch und zitierte den früheren GDV-Präsidenten Hoenen mit den Worten, "wir müssen den Leuten sagen, was wir tun - und tun was wir sagen".
Nach wie vor seien vielfältige, irreführende Berufsbezeichnungen von Vermittlern verbreitet. Die Qualifizierung der Vermittler müsse besser werden, kritisierte Sandkühler. "Vermittler müssen an ihrer Professionalität arbeiten", zog er sein Fazit aus den noch komplexer gewordenen Regulierungen sowohl der Finanzanlagen- als auch der Versicherungsvermittlung, "nur so kann man verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen".
Negative Begleiterscheinungen von Courtageverboten
"Der Trend zur Regulierung ist unumkehrbar", so Ralf Berndt (siehe Bild), Vorstand für Marketing und Vertrieb bei der Stuttgarter Lebensversicherung. Dem gewann er aber durchaus positive Aspekte ab. Die Branche werde mit dem Vertriebskodex alle Vermittler dazu zwingen, sich Compliance-Regeln zu geben oder sich bestehenden Regelungen zu unterwerfen, wie sie zum Teil auch von Berufsverbänden entwickelt worden sind. Wer dies nicht mittrage, müsse mit einer Beendigung der Zusammenarbeit rechnen, machte Berndt klar.
Dagegen setzte er sich kritisch mit der Meinung auseinander, dass die Vergütungsform über die Qualität der Beratung entscheidet. Zum einen seien die Deutschen nicht auf Honorare vorbereitet, machte er anhand von Umfragedaten deutlich, nach denen ganze 21 Prozent der Deutschen Honorar bezahlen würden, und davon 79 Prozent maximal 100 Euro oder 30 Prozent sogar weniger als 50 Euro.
In Skandinavien sei infolge des Courtageverbots die Zahl der Makler um die Hälfte gefallen. In Finnland gebe es Belege, dass die Versorgung der Bevölkerung im Privatkundengeschäft "drastisch zurückgeht". Auch aus den Niederlanden, wo ab diesem Jahr ein Courtageverbot gilt, gibt es bereits erste Hinweise auf neue Formen der Gewinnmaximierung, die nichts mit Verbraucherschutz zu tun haben. Berndt sprach sich ausdrücklich für Honorarberatung und -vermittlung aus, forderte aber Wettbewerbsgleichheit und keine einseitige Bevorzugung.
Rentenversicherung ist nur ein Sparvertrag
Eine völlig andere Sicht präsentierte Edda Castello, Abteilungsleiterin Recht und Finanzdienstleistungen bei der Verbraucherzentrale Hamburg. "Die wenigsten Verbraucher sind mündig", meinte sie und rechtfertigte damit, Ratsuchenden individuelle Wünsche nach bestimmten Versicherungsprodukten auszureden, wenn diese aus Sicht der Verbraucherzentrale "weniger wichtig" oder gar "überflüssig" seien. Dazu präsentierte sie eine Liste von Versicherungen, die sie seltener als "unverzichtbar" und mehrheitlich als eher selten empfehlenswert einordnete und damit auf kräftigen Widerspruch des Auditoriums stieß. Unter anderem stellte sie in Abrede, dass es sich bei Lebens- und bei Rentenversicherungen um Versicherungen handelt, sondern um "nachteilige Sparverträge".
Aus ihrer Sicht werden alle Vermittler, auch Courtage-bezahlte Makler, korrumpiert und verkaufen häufig überflüssige und wenig geeignete Verträge. Die Provisionshöhe stehe zum Nutzen der Versicherung in einem umgekehrt proportionalen Verhältnis. Dem Entwurf der IMD 2 konnte Castello nichts Gutes abgewinnen, es gebe weiter zu viele Ausnahmen und Einschränkungen. Ihre Forderung lautete, Beratung und Verkauf konsequent zu trennen und jedem Versicherungsprodukt ohne die in der Schadenversicherung geplanten Übergangsfristen "ein Preisschild" anzubringen, womit offenbar die Kosten des Abschlusses gemeint waren.
Höhere Qualifizierung als von EU gefordert
Zum Abschluss ging Thomas Krämer, Geschäftsführer des Berufsbildungswerks der Versicherungswirtschaft, auf die Bildungsanforderungen des IMD 2-Entwurfs ein. Aus seiner Sicht fordert die Richtlinie nur, die bei Beginn der Vermittlungstätigkeit erforderliche Sachkunde auf dem Stand zu halten, also ein regelmäßiges "Refreshing" durchzuführen. Krämer machte deutlich, dass die Branche mehr will und auch ein "Progressing", einen regelmäßigen Ausbau der Qualifikation der Vermittler. Die Sachkundeprüfung bilde nur einen Mindeststandard ab, der beispielsweise für das Industriegeschäft oder für die weitgehenden Pflichten eines Maklers nicht ausreiche.
Der IMD 2-Entwurf sieht im Bereich Bildung vor, Details über "delegierte Rechtsakte" zu regeln. Damit könnte nach seiner Ansicht die Europäische Versicherungsaufsicht EIOPA beauftragt werden. Krämer äußerte die Befürchtung, dass dabei etablierte Ausbildungssysteme einer Vereinheitlichung zum Opfer fallen könnten. Krämer hob die Leistungen der Branche in Sachen Bildung hervor, äußerte aber auch kritisch, dass die Unternehmen Schwerpunkte ihrer Personalarbeit noch "eher beim Finden statt beim Binden" des Verkaufspersonals setzen und forderte, die sehr hohe Fluktuation in den ersten Tätigkeitsjahren zu senken.
Bild: @ Matthias Beenken
Autor(en): Matthias Beenken