Die Geschichte wiederholt sich - das gilt auch für diejenige der Versicherungsvermittler. Wie der Vertrieb in Zukunft aussehen könnte.
Die ersten Versicherungen wurden Professor Dr. Peter Koch zufolge im 16. Jahrhundert in Deutschland abgeschlossen. Die Idee, sich gegen eine gleichartige Gefahr gemeinschaftlich und vertraglich abzusichern, kam mit dem Seehandel aus anderen Seefahrernationen wie insbesondere Italien, aber auch den Niederlanden nach Hamburg.
Maklerordnungen regulierten Berufsstand
„Das Geschäft wurde zunächst ausschließlich von Kaufleuten betrieben, die als Einzelversicherer auftraten, Assekuradeure genannt wurden und jeweils einen bestimmten Geldbetrag auf der Police zeichneten“, schreibt Koch in seiner vor kurzem erschienenen Geschichte der Versicherungswirtschaft in Deutschland. Und: „Von Anfang an ist das Versicherungsgeschäft in Hamburg durch die Tätigkeit von Versicherungsmaklern geprägt worden. “Seeversicherungen wurden an der 1558 gegründeten Versicherungsbörse gehandelt. Für die Makler galten Maklerordnungen und es musste ein Maklereid geleistet werden. Der älteste heute noch bestehende Makler - Gossler, Gobert & Wolters - leistete diesen den Angaben zufolge 1758.
Versicherungen als Luxusgut
Im 19. Jahrhundert professionalisierte sich das Versicherungswesen. Zahlreiche Versicherungsgesellschaften wurden gegründet, und zwar oft von Agenten, die ihr Handwerk bei englischen und französischen Gesellschaften erlernt hatten. „Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts hatten sich die Gesellschaften darauf beschränkt, ihre Interessen durch bloße Repräsentanten wahrnehmen zu lassen. Man ging nicht auf den Kunden zu“, schreibt Koch weiter. Versicherungen waren nur für wenige, vermögende Kunden erschwinglich. Historisch war es ein großes Verdienst der zahlreichen neu gegründeten Gesellschaften, durch den schärferen Wettbewerb Marktnischen zu erschließen, beispielsweise mit der 1892 von der Victoria eingeführten Kleinlebensversicherung. Auch die Vielfalt der Sparten und Deckungskonzepte entstand so erst. Mit der heute diskutierten Honorarberatung allein wäre das kaum möglich gewesen.
Zillmerung als Existenzgründungshilfe
Gefördert wurde diese Entwicklung durch die Bevorschussung künftig fälliger Vergütungen für die im 19. Jahrhundert aufkommende Lebensversicherung, die auf den Versicherungsmathematiker August Zillmer zurückgeführt wird. Der hatte 1863 eine „Methode zur Verrechnung der Abschlusskosten“ entwickelt. Der Erfolg seiner Methode blieb nicht aus, Koch berichtet, „dass allein im April 1.863 Anträge mit einer Summe von mehr als einer Million Markt eingereicht wurden“.
Zwar gab es schon damals warnende Stimmen, aber dennoch war und ist bis heute das „Zillmern“ zum Erfolgsfaktor geworden. Es hat die Gründung zahlreicher Versicherungsvertretungen ermöglicht. Inzwischen ist es faktisch stark eingeschränkt, und weitere Einschränkungen sind absehbar, sodass am Ende wieder die laufende Provision stehen könnte, wie sie bis lange ins 19. Jahrhundert selbstverständlich war.
Angestellt oder selbstständig?
Allerdings hat der Boom zu Nachwuchsmangel geführt. Koch zitiert: „Die Agenten wurden unter dem Abschaum der bürgerlichen Welt gewonnen. Da waren Bankrotteure, verbummelte Studenten, Spieler und Trinker, Invalide- und Armenhäusler, vom Unglück Verfolgte und vom Verbrechen Gezeichnete. Keiner war zu gering, keiner zu schlecht.“ Offenbar gab es längst nicht mehr genug „bekannte rechtschaffene Männer, wo möglich Kaufleute“, die laut einer Versicherersatzung von 1812 als Agenten zu berufen waren.
Agenten waren zu der Zeit in der Regel nebenberuflich tätig. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass heute die Nebenberufler den Nimbus der ungeeigneten, schlecht gebildeten Vermittler haben. 1825 setzte laut Koch erstmals ein Versicherer Generalagenten ein, „denen die obere Leitung des Versicherungsgeschäftes und der selbstständige Abschluss von Versicherungen für den Geschäftsbereich mehrerer unter ihnen stehender Agenten anvertraut werden sollte“. Nach Schätzungen gab es 1835 etwa 2.000 Agenten, 1895 etwa 80.000 und zu Beginn des Zweiten Weltkriegs etwa 300.000 und damit mehr, als aktuell im Vermittlerregister eingetragen sind.
Generalagenten waren zwar zunächst in der Regel selbstständig und von Provisionen abhängig. Etwa ab 1870 wurden Geschäftsstellenleitungen zunehmend durch Angestellte besetzt. „Die Notwendigkeit für diese Entwicklung sah man darin, dass das Versicherungsgeschäft im Laufe der Zeit immer komplizierter geworden war und zunehmend zentral gesteuert werden musste“.
Rund hundert Jahre später hat der Vertrieb wieder eine gegenteilige Entwicklung genommen. Die meisten Versicherer setzen heute auf selbstständige Handelsvertreter und Kleinstmakler. Die Zukunft könnte eine Renaissance der Angestellten sein.
Produktinnovation fördert Vertriebsinnovation
Einen erneuten Schub an Vermittlern brachte in der Nachkriegszeit die Produktinnovation des Investmentfonds mit sich, die durch die neue Vertriebsform des Strukturvertriebs in den Markt kam. Die gescheiterte amerikanische IOS wurde zur Blaupause für viele Großvertriebe. Neben manchen Verfehlungen des Vertriebs, oft ausgelöst durch zu gierige Versicherungsmanager, legt Kochs Buch aber auch Zeugnis für die vielfältigen Bemühungen der letzten rund 200 Jahre zur Aus- und Weiterbildung des Vertriebs Zeugnis ab. Auch das wird sich in Zukunft fortsetzen.
Lesetipp: Peter Koch, Geschichte der Versicherungswirtschaft in Deutschland, ISBN 978-3-89952-371-3, 69 Euro, 2012 Verlag Versicherungswirtschaft.
Bild: ©Simone Hainz /
Die ersten Versicherungen wurden Professor Dr. Peter Koch zufolge im 16. Jahrhundert in Deutschland abgeschlossen. Die Idee, sich gegen eine gleichartige Gefahr gemeinschaftlich und vertraglich abzusichern, kam mit dem Seehandel aus anderen Seefahrernationen wie insbesondere Italien, aber auch den Niederlanden nach Hamburg.
Maklerordnungen regulierten Berufsstand
„Das Geschäft wurde zunächst ausschließlich von Kaufleuten betrieben, die als Einzelversicherer auftraten, Assekuradeure genannt wurden und jeweils einen bestimmten Geldbetrag auf der Police zeichneten“, schreibt Koch in seiner vor kurzem erschienenen Geschichte der Versicherungswirtschaft in Deutschland. Und: „Von Anfang an ist das Versicherungsgeschäft in Hamburg durch die Tätigkeit von Versicherungsmaklern geprägt worden. “Seeversicherungen wurden an der 1558 gegründeten Versicherungsbörse gehandelt. Für die Makler galten Maklerordnungen und es musste ein Maklereid geleistet werden. Der älteste heute noch bestehende Makler - Gossler, Gobert & Wolters - leistete diesen den Angaben zufolge 1758.
Versicherungen als Luxusgut
Im 19. Jahrhundert professionalisierte sich das Versicherungswesen. Zahlreiche Versicherungsgesellschaften wurden gegründet, und zwar oft von Agenten, die ihr Handwerk bei englischen und französischen Gesellschaften erlernt hatten. „Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts hatten sich die Gesellschaften darauf beschränkt, ihre Interessen durch bloße Repräsentanten wahrnehmen zu lassen. Man ging nicht auf den Kunden zu“, schreibt Koch weiter. Versicherungen waren nur für wenige, vermögende Kunden erschwinglich. Historisch war es ein großes Verdienst der zahlreichen neu gegründeten Gesellschaften, durch den schärferen Wettbewerb Marktnischen zu erschließen, beispielsweise mit der 1892 von der Victoria eingeführten Kleinlebensversicherung. Auch die Vielfalt der Sparten und Deckungskonzepte entstand so erst. Mit der heute diskutierten Honorarberatung allein wäre das kaum möglich gewesen.
Zillmerung als Existenzgründungshilfe
Gefördert wurde diese Entwicklung durch die Bevorschussung künftig fälliger Vergütungen für die im 19. Jahrhundert aufkommende Lebensversicherung, die auf den Versicherungsmathematiker August Zillmer zurückgeführt wird. Der hatte 1863 eine „Methode zur Verrechnung der Abschlusskosten“ entwickelt. Der Erfolg seiner Methode blieb nicht aus, Koch berichtet, „dass allein im April 1.863 Anträge mit einer Summe von mehr als einer Million Markt eingereicht wurden“.
Zwar gab es schon damals warnende Stimmen, aber dennoch war und ist bis heute das „Zillmern“ zum Erfolgsfaktor geworden. Es hat die Gründung zahlreicher Versicherungsvertretungen ermöglicht. Inzwischen ist es faktisch stark eingeschränkt, und weitere Einschränkungen sind absehbar, sodass am Ende wieder die laufende Provision stehen könnte, wie sie bis lange ins 19. Jahrhundert selbstverständlich war.
Angestellt oder selbstständig?
Allerdings hat der Boom zu Nachwuchsmangel geführt. Koch zitiert: „Die Agenten wurden unter dem Abschaum der bürgerlichen Welt gewonnen. Da waren Bankrotteure, verbummelte Studenten, Spieler und Trinker, Invalide- und Armenhäusler, vom Unglück Verfolgte und vom Verbrechen Gezeichnete. Keiner war zu gering, keiner zu schlecht.“ Offenbar gab es längst nicht mehr genug „bekannte rechtschaffene Männer, wo möglich Kaufleute“, die laut einer Versicherersatzung von 1812 als Agenten zu berufen waren.
Agenten waren zu der Zeit in der Regel nebenberuflich tätig. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass heute die Nebenberufler den Nimbus der ungeeigneten, schlecht gebildeten Vermittler haben. 1825 setzte laut Koch erstmals ein Versicherer Generalagenten ein, „denen die obere Leitung des Versicherungsgeschäftes und der selbstständige Abschluss von Versicherungen für den Geschäftsbereich mehrerer unter ihnen stehender Agenten anvertraut werden sollte“. Nach Schätzungen gab es 1835 etwa 2.000 Agenten, 1895 etwa 80.000 und zu Beginn des Zweiten Weltkriegs etwa 300.000 und damit mehr, als aktuell im Vermittlerregister eingetragen sind.
Generalagenten waren zwar zunächst in der Regel selbstständig und von Provisionen abhängig. Etwa ab 1870 wurden Geschäftsstellenleitungen zunehmend durch Angestellte besetzt. „Die Notwendigkeit für diese Entwicklung sah man darin, dass das Versicherungsgeschäft im Laufe der Zeit immer komplizierter geworden war und zunehmend zentral gesteuert werden musste“.
Rund hundert Jahre später hat der Vertrieb wieder eine gegenteilige Entwicklung genommen. Die meisten Versicherer setzen heute auf selbstständige Handelsvertreter und Kleinstmakler. Die Zukunft könnte eine Renaissance der Angestellten sein.
Produktinnovation fördert Vertriebsinnovation
Einen erneuten Schub an Vermittlern brachte in der Nachkriegszeit die Produktinnovation des Investmentfonds mit sich, die durch die neue Vertriebsform des Strukturvertriebs in den Markt kam. Die gescheiterte amerikanische IOS wurde zur Blaupause für viele Großvertriebe. Neben manchen Verfehlungen des Vertriebs, oft ausgelöst durch zu gierige Versicherungsmanager, legt Kochs Buch aber auch Zeugnis für die vielfältigen Bemühungen der letzten rund 200 Jahre zur Aus- und Weiterbildung des Vertriebs Zeugnis ab. Auch das wird sich in Zukunft fortsetzen.
Lesetipp: Peter Koch, Geschichte der Versicherungswirtschaft in Deutschland, ISBN 978-3-89952-371-3, 69 Euro, 2012 Verlag Versicherungswirtschaft.
Bild: ©Simone Hainz /
Autor(en): Matthias Beenken