Die Versicherungsbranche und ihre (verzerrte) Wahrnehmung

Die Versicherungsbranche ist geprägt durch eine „absolute Imageverfinsterung, einen Prozess der jahrzehntelangen Selbsttäuschung“ und ein „Zuviel an schwarzen Schafen“. Starke Worte wählte Dr. Marc Surminski, Chefredakteur der Zeitschrift für Versicherungswesen, auf dem "Nordbayerischen Versicherungstag 2013", um den Ist-Zustand der Branche zu beschreiben.

Selbstbild und Fremdbild stimmen nicht immer überein. Ein Phänomen, das auch in der Versicherungsbranche zu finden ist. Anlass genug für Forum V und den BWV Nordbayern-Thüringen den diesjährigen „Nordbayerischen Versicherungstag“ in Coburg unter das Motto „Versicherungen im Spannungsfeld zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit“ zu stellen.

So sieht sich die Versicherungsbranche selbst
„Das Image der Branche ist nicht schlecht, es wird nur schlecht geredet“, lautet ein früheres Statement von Reinhold Schulte, ehemaliger Vorsitzender des Verbandes der privaten Krankenversicherung. In die gleiche Kerbe schlug nun auch Uwe Laue, aktueller Vorsitzender des PKV-Verbandes und seit 2002 Vorstandsvorsitzender der Debeka Versicherungen, auf dem 8. Versicherungstag in Coburg.
Genau dem Unternehmen, das unlängst negative Schlagzeilen gemacht hat. Der Grund: In den 1980er und 1990er Jahren hatten Vertriebsmitarbeiter des augenblicklichen Marktführers der privaten Krankenversicherung auf eigene Rechnung Adressen potenzieller Kunden beschafft, ohne dabei den Datenschutz ausreichend zu beachten.
Dies sind nur zwei Stimmen, die aber typisch sind für die Haltung in der Versicherungswirtschaft.


Schlechtes Image wird zunehmend zur existenziellen Bedrohung

Doch Dr. Surminski sieht in dieser Haltung den Fehler der Versicherer, der sie zunehmend in die Imagefalle führt und auch darin verharren lässt. Für ihn bewegt sich das Imageproblem der Branche bereits auf einer gefährlichen Ebene und wird zunehmend zu einer „existenziellen Herausforderung“ für diese. Denn die Eskapaden und Verfehlungen der Assekuranz und ihrer Vertreter hätten bei den Bürgern und den Medien bereits einen hohen Empörungsgrad erreicht und diese Skandalisierung werde künftig noch zunehmen, auch durch das Internet. Die sicherlich zu bemängelnde Boulevardisierung der Berichterstattung mache eine fachliche Argumentation immer schwieriger, aber trotzdem notwendig.
Zudem seien Verbraucherschutz und Politik durch die Vertriebsexzesse höchst sensibilisiert. „Die Branche hat hier aber auch immer wieder Material geliefert und sorgt auch weiterhin für Nachschub“, mahnte Surminski. Und es gebe (zu) viele unzufriedene Vermittler. „Die werden auspacken“, warnte der Branchenkenner eindringlich.

Erschreckend sei, dass rund 60 Prozent der Deutschen eine schlechte Meinung zu den Versicherern haben und deren Leitungsversprechen in Frage stellen würden. Für die Branche aber noch alarmierender solle die Tatsache sein, dass sich nur 57 Prozent der Vermittler mit den Gesellschaften identifizieren, mit denen sie zusammenarbeiten. „Wenn sich selbst die Vermittler nicht mit den Unternehmen identifizieren, warum sollen es dann die Verbraucher tun? Die Branche hat es einfach nicht geschafft, eine starke und vertrauenswürdige Marke zu etablieren“, so der kritische Kommentar von Surminski.

Bloße Kampagnen lösen nicht das Problem
Der Journalist und Branchenexperte appellierte an die (anwesenden) Branchenvertreter, endlich die notwendigen Selbstreinigungskräfte zu aktivieren, auch um (weitere) gesetzliche Vorgaben zu vermeiden. „Die Branche hat bislang immer zu lang gewartet bis sie reagiert hat. Künftig sollte Imagepflege als Teil des Risiko-Managements gesehen werden und Vorstände für ihr Handeln Verantwortung übernehmen. Teure Imagekampagnen sind nicht der richtige Weg, sondern Taten“, nahm Surminski die Gescholtenen in die Pflicht.

Hintergrundinformationen
Forum V, das nordbayerische Institut für Versicherungswissenschaft und -wirtschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, ist ein Netzwerk aus Hochschulen, Unternehmen, Verbändern und Vertretern aus der Politik. Das Forum V hat sich vor allem zum Ziel gesetzt, qualifizierten Nachwuchs in der Versicherungslehre zu fördern und auszubauen sowie in Zusammenarbeit mit Wissenschaft und Wirtschaft Forschungs- und Studienprojekte durchzuführen.

Der BWV Nordbayern-Thüringen ist überregionaler Bildungsanbieter für die Mitarbeiter der Finanzdienstleistungs- und Versicherungsbranche. Seine Aufgabe ist die Schaffung eines bildungspolitischen Netzwerkes zwischen den Unternehmen und den in Nordbayern ansässigen Universitäten und Hochschulen.

Weitere Informationen zum Nordbayerischen Versicherungstag 2013 liefert Ihnen die Januar-Ausgabe 2014 von

Quelle: © Christoph Ruhland /

Autor(en): Meris Neininger

Alle Branche News