"Die Niedrigzinsphase wird spätestens in 2 Jahren zu Ende gehen"

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Bert Rürup, Präsident des Handelsblatt Research Institutes (siehe Bild), spricht in einem GDV-Interview über die Zukunft der (kapitalgedeckten) Altersvorsorge und die Rentenreformen der großen Koalition.

GDV: Professor Rürup, Sie haben gemeinsam mit der Prognos AG für den GDV eine Studie zur „Zukunft der Altersvorsorge“ erstellt. Wie lässt sich der Lebensstandard im Alter für kommende Generationen sichern?

Rürup: Es ist nicht zu erwarten, dass sich unser Produktivitätswachstum beschleunigt, wenn die Bevölkerung altert. Bevölkerungsalterung ist eine Wachstumsbremse. Eine zentrale politische Herausforderung besteht darin, diese Wachstumsbremse zu lockern, und das geht nicht mit einer Verkürzung der Lebensarbeitszeit bei steigenden Rentenlaufzeiten. Der Einzelne wird sich darauf einstellen müssen, länger zu arbeiten und mehr als seine Eltern privat oder über seinen Arbeitgeber vorzusorgen.

GDV: Angesichts der aktuell niedrigen Zinsen wächst der Zweifel an der kapitalgedeckten Altersvorsorge. Zu Recht?
Rürup: Angesichts der flauen Konjunktur in einer ganzen Reihe von Euroländern wird die EZB ihren derzeitigen Kurs noch einige Zeit beibehalten und die Lebensversicherer zu Innovationen zwingen. Diese Niedrigzinsphase wird – wie es sich bereits in den USA andeutet – aber in spätestens zwei Jahren zu Ende gehen.

GDV: Sie haben in der genannten Studie auch die neuen Rentenreformen der Großen Koalition wie die „Mütterrente“ und die „Rente mit 63“ analysiert und kommen zu einem negativen Urteil. Was sind Ihre Kritikpunkte?
Rürup: Ob die Mütterrente eine Gerechtigkeitslücke schließt, sei dahingestellt. Auf jeden Fall ist diese sehr teure Leistungsverbesserung falsch finanziert. Seit in der Rentenversicherung Kindererziehungsleistungen honoriert werden, werden diese Leistungen aus Steuermitteln finanziert. Zu Recht, denn hierbei handelt es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Mit diesem richtigen Prinzip wird nunmehr gebrochen.

Die Rente mit 63 setzt ein völlig falsches Signal. Wenn die abschlagsfreie Rente mit 63, wie von der Bundesregierung behauptet, eine gerechte Honorierung für eine Lebensleistung ist, stellt sich die Frage, warum nur die Geburtsjahrgänge 1952 und 1953 in den vollen Genuss dieser Honorierung kommen sollen.



Die Studie, ihre Inhalte und Ziele
Durch die Rentenpolitik der großen Koalition werden die Beitragssätze in der gesetzlichen Rentenversicherung in den nächsten Jahrzehnten steigen. Gleichzeitig geht das Rentenniveau zurück. Ohne eine stärkere Verbreitung der betrieblichen und privaten Altersversorgung kann eine lebensstandardsichernde Altersversorgung für das Gros der Bevölkerung nicht sichergestellt werden.
Zu diesem Schluss kommt jedenfalls die Studie „Die Zukunft der Altersvorsorge vor dem Hintergrund von Bevölkerungsalterung und Kapitalmarktentwicklungen“ des Handelsblatt Research Institute (HRI) und der Prognos AG im Auftrag des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

Die Studie beleuchtet die Perspektiven von kapitalgedeckter Vorsorge im Blick auf die demografische und Kapitalmarktentwicklung bis zum Jahr 2050.

Textquellen: GDV und Handelsblatt Research Institute; Bildquelle: Handelsblatt Research Institute

Autor(en): versicherungsmagazin.de

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