Der Klimawandel hat enorme Auswirkungen auf die Versicherungswirtschaft. Ob das auch ein Argument für eine Pflichtversicherung von Elementarschäden ist, war Thema auf einer Veranstaltung der Heinrich Heine-Universität Düsseldorf.
"Wenn wir nichts machen, werden im Jahr 2100 plus fünf Grad erreicht", so Matthias Klawa von der Deutschen Rück AG. "Der Meeresspiegel steigt auf jeden Fall", sagte der Meteorologe und Spezialist für Naturgefahren.
Deutschland hat schon zwei Grad erreicht
Der Klimawandel sei real und könne aktuell nur noch aufgehalten werden. In Deutschland seien schon rund zwei Grad Erwärmung gegenüber der vorindustriellen Zeit erreicht, global sind es rund 1,1 Grad. Schon das 1,5 Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens dürfte schwer werden einzuhalten.
Klawa zeigte weiter auf, dass die Klimamodelle gröber skaliert sind als Wettermodelle, auch wenn sie sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verbessert haben. Daher lassen sich nur schwer kleinteilige Vorhersagen für einzelne Regionen treffen.
Nehmen Stürme zu?
In Westeuropa müssen die Bewohner mit mehr Hitzeperioden, mehr Starkregen und mehr Dürren rechnen. "Das gilt als abgesichert", weiß der Experte. Unklar sei dagegen, ob auch die Stürme zunehmen werden. Die Modelle seien in dieser Hinsicht uneinig, manche sehen Zunahmen, manche gleichbleibende oder sogar leicht rückläufige Sturmereignisse. Auch sei das heutige Schadenbild von Sturmschäden eher das eines kleinen Schadens mit durchschnittlich 1.000 Euro, viele Kunden könnten solche Schäden durchaus noch selbst tragen. Eine Zunahme gebe es in Deutschland nur bei den Sommerstürmen, die in der Regel aus Gewittern entstehen und mit Hagelschlag einhergehen. Und: "Starkregen kann jeden treffen", meinte der Spezialist mit Blick auf die immer noch geringe Abdeckungsquote mit Elementarschadenversicherungen in der deutschen Gebäudeversicherung.
Das Schadenereignis Bernd im vergangenen Jahr war das teuerste Naturereignis bisher für die deutsche Versicherungswirtschaft mit 8,2 Milliarden Euro, deutlich mehr als das Hochwasser von 2002 mit 4,8 Milliarden Euro versichertem Schaden. Nach Klawas Worten war dieses Schadenereignis allerdings durchaus nicht ungewöhnlich, was die Regenmenge anging. Dass es trotzdem derart verheerende Folgen hatte, lag an der Art der Bebauung.
Beratungspflicht mindestens bei Neugeschäften
Professor Dirk-Carsten Günther von der TH Köln beleuchtete Rechtsprobleme rund um Elementarschäden. So machte er auf die Beratungspflichten der Versicherer und Versicherungsvermittler aufmerksam und wunderte sich in diesem Zusammenhang, dass es trotzdem immer noch eine geringe Anbündelungsquote bei Gebäudeversicherungen für die Elementarschadendeckung gibt.
Allerdings gebe es bisher nur sehr wenige Urteile, was dagegen spreche, dass reihenweise Beratungsverschulden zu beklagen seien. Vor allem bei Neuabschlüssen bezeichnete es Günther, der auch Partner bei der Rechtsanwaltskanzlei BLD in Köln ist, als Verpflichtung, über die Notwendigkeit einer Elementarschadendeckung aufzuklären.
In Frage kommen könnten auch Schadenersatzansprüche gegen die öffentliche Hand, zum Beispiel, wenn zu wenig Schutzmaßnahmen ergriffen oder die Bevölkerung zu spät vor einer Naturkatastrophe gewarnt worden ist. Allerdings schätzte er die Erfolgswahrscheinlichkeiten solcher Forderungen als gering ein. Oft fehle die Kausalität. Beispielsweise könnten Gebäudebesitzer auch bei frühzeitiger Warnung ihre Häuser nicht eben aus einem Überschwemmungsgebiet verlegen.
Neuere Bedingungen vereinbaren
Ein wichtiger Hinweis Günthers bezog sich auf die Versicherungsbedingungen für Elementarschadendeckungen. Diese seien in jüngerer Zeit verbessert worden. Versicherer und Vermittler sollten hier auf eine Vertragsanpassung bei laufenden Verträgen hinwirken. Als Beispiel zeigte er, dass der Überschwemmungsbegriff ausgedehnt wurde auf Oberflächenwasser, das nicht nur auf dem versicherten Grundstück selbst, sondern auch auf unmittelbar angrenzenden Nachbargrundstücken steht. Das könne in dicht besiedelten Gebieten entscheidend sein, wo Häuser manchmal nicht einmal einen Vorgarten besitzen.
Einen Appell richtete der Versicherungsjurist an die Banken. Sie sollten bei Kreditvergaben nicht nur die traditionelle Gebäudeversicherung verlangen, sondern auch auf einer Elementarschadendeckung bestehen. Unter Umständen könnten sie die Finanzierungskonditionen differenzieren.
Es besteht ein Nachfrageproblem
Ministerialdirigent Andreas Christians aus dem nordrhein-westfälischen Justizministerium referierte über das Thema Versicherungspflicht für Elementarschäden. Das sei ein "Malariathema", es komme immer wieder. Aus seiner Sicht gibt es ein Nachfrageproblem. Obwohl 99 Prozent der Gebäude als versicherbar gelten, seien nur 46 Prozent tatsächlich versichert. Aber es gebe auch ein Angebotsproblem für Hochrisiken in besonders exponierter Lage.
Aus verfassungsrechtlicher Sicht hat sich die Justizministerkonferenz vor kurzem geeinigt, einer Pflichtversicherung nicht mehr im Weg zu stehen. Die Bedenken, die aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Pflegepflichtversicherung von 2001 abgeleitet worden waren, gelten mittlerweile als teilweise überholt.
Samariter-Dilemma lösbar?
Das wohl wichtigste Argument für eine Pflichtversicherung sei der permanente Druck auf die Politik, für Schäden aus Naturkatastrophen selbst dann aufzukommen, wenn sie eigentlich versicherbar gewesen wären. Das so genannte Samariter-Dilemma fördere Ungerechtigkeiten zum Beispiel zwischen Regionen mit traditionell hoher Absicherungsquote wie Baden-Württemberg und den ostdeutschen Ländern sowie den anderen Bundesländern, in denen vermehrt Steuerzahler fehlende Vorsorge ausgleichen müssen.
Christians bezweifelte allerdings, dass mit einer Pflichtversicherung alle angestrebten Zwecke erreicht werden können. So würden Selbstbehalte notwendig sein, damit es keine moralischen Risiken und Vermeidung von sinnvollen Schutzmaßnahmen gibt. Selbstbehalt können aber zu neuen Fragen führen, ob nicht im Einzelfall doch eine Nothilfe geboten ist.
Auf die Nachfrage, ob und wann eine Pflichtversicherung kommen werde, betonte Christians, dass der politische Meinungsbildungsprozess noch laufe.
Autor(en): Matthias Beenken