Die Geister, die ich rief...

Der Sündenfall aus Sicht jedenfalls der Versicherungsvermittler geschah bereits, als private Krankenversicherer mit Erfolg den Gesetzgeber baten, sich selbst vor übertrieben hohen Vermittlervergütungen zu schützen und einen gesetzlichen Deckel einzuführen. Dieser ist seit 1. April 2012 für Vollversicherungen in Kraft. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Forderungen aufkommen, dieses Rezept auch auf andere Personenversicherungen anzuwenden, namentlich die Lebens- und Rentenversicherung. Das hat nun der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) losgetreten.


Provisionen sind längst gedeckelt - eigentlich
Einiges erstaunt dennoch in der Diskussion. Völlig frei in der Höhe der Vergütung sind die Lebensversicherer überhaupt nicht. Im Gegenteil, einmalige Abschlusskosten dürfen nur bis maximal 40 Promille in einen Tarif einkalkuliert werden, so lautet nach wie vor § 4 Deckungsrückstellungsverordnung. Bis zum 1. Januar 2008 galt zudem eine aufsichtsamtliche Begrenzung der Abschlussprovisionen und sonstigen Vergütungen auf 40 Promille. Das Rundschreiben 5/95 des alten Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen wurde zwar vom Nachfolger BaFin aufgehoben, das berührt aber nicht die oben genannten Kalkulationsvorschriften.

Dass in der Praxis vor allem in den Vertriebswegen Makler sowie Großvertriebe teilweise deutlich mehr bezahlt wird, steht auf einem anderen Blatt, dürfte aber den Kunden gemäß den Kalkulationsvorschriften eigentlich nicht belasten. Auch nicht, dass tatsächlich weitaus mehr Abschlusskosten als nur die Provisionen oder Courtagen entstehen, beispielsweise die Kosten der Vertriebsorganisation des Versicherers, Overheads für Maklerpools und anderes mehr. Eigentlich dürften alle die 40 Promille-Grenze überschreitenden Kosten nur den Ertrag des Versicherers, nicht aber den Kunden und damit die "Rendite" seines Vertrags belasten, sofern man bei einer Lebensversicherung überhaupt sinnvoll von Rendite sprechen kann. Denn die Rendite eines Lebensversicherungsvertrags hängt zunächst einmal ganz allein davon ab, wie lang der Versicherte lebt. Aber das scheint mittlerweile in der Debatte völlig in Vergessenheit geraten zu sein.

Längere Stornohaftung oder besser gleich laufende Courtage?
Ein Novum dagegen wäre, wenn die Stornohaftung erneut von fünf auf zehn Jahre verlängert wird, sofern der Vergütungsrahmen ausgeschöpft wird. Dann allerdings kann man auch gleich zur laufenden Provision beziehungsweise Courtage übergehen. Das wäre auch nicht weiter schlimm, wenn ein Vermittlungsbetrieb dann überhaupt noch sinnvoll aufzubauen ist. Denn die Büroinvestitionen oder die Personalgehälter lassen sich nicht auf die nächsten 30 Jahre strecken, die sind sofort fällig.
Sinnvoll wäre deshalb, eine Beschneidung der traditionellen Einmalvergütung mit einem Maßnahmenpaket abzufedern, durch das Existenzgründungen im Agentur- und Maklerbereich weiter möglich und attraktiv bleiben. Dazu sind vor allem Kredite erforderlich - und hier trifft der gründungswillige Agent oder Makler auf kreditunwillige Kreditinstitute. Wenn der Gesetzgeber tätig werden soll, dann muss er diese Baustelle angehen und sich um eine ausreichende Kreditversorgung kümmern. Sonst werden die nächsten Einschnitte lediglich den Vermittlermarkt weiter ausdünnen und Nachwuchs abschrecken.

Niedrigzinsen als fragwürdiges Argument
Wenn es aber bei dem Vorstoß des GDV tatsächlich darum gehen sollte, Lebensversicherungen angesichts der Niedrigzinssituation wieder attraktiver zu machen, dann müsste sich der GDV eigentlich den Forderungen des Verbraucherschutzes anschließen, den Provisionsvertrieb abschaffen und die Abschlusskosten ganz aus seiner Kalkulation herausnehmen. Auf einen Schlag wäre damit die Rendite der Lebensversicherung anzuheben, der Kunde könnte selbst bei einem nochmals abgesenkten Garantiezins mit einer garantierten Rückzahlung der eingezahlten Beiträge rechnen.

Stattdessen würden die Vermittler mit ihren Kunden ganz nach Belieben Honorarvereinbarungen treffen. Dann zahlt der eine Kunde, der sich auskennt und hart verhandelt, 300 Euro, ein anderer 500 Euro, ein dritter 1.000 Euro und mit Sicherheit auch manch einer ein Vielfaches davon. Ob das dann Verbraucherschutz ist? Und wer bringt dann die Kunden überhaupt erst einmal dazu, sich beraten zu lassen? Auch hier fehlen bisher durchdachte Ansätze, die Kunden in die Büros der Honorarberater zu treiben, wenn die Versicherer niemanden mehr dafür bezahlen (dürfen), die Kunden aufzusuchen.

Was die Folge von zu viel gut gemeintem, aber schlecht gemachtem Verbraucherschutz ist, konnte man vor kurzem aus dem Bankenbereich lesen. Ganze zwei Prozent der Aktienkäufe erfolgen nach einer in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zitierten Untersuchung der DWP Bank nur noch auf Basis einer Beratung durch eine Bank oder einen freien Berater - weil den Beteiligten der Beratungsaufwand zu groß und die Haftung zu teuer ist, jedenfalls in Relation zum Einkommen daraus. Der Privatkunde als solcher verabschiedet sich damit aus dieser Anlageklasse. Welchen Wert hat aber der Schutz eines Verbrauchers, wenn er den Verbraucher daran hindert, überhaupt erst Verbraucher zu werden?

Bildquelle: © Claudia Hautumm/

Autor(en): Matthias Beenken

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