Im zweiten Teil der Interview-Serie zum Thema Honorarberatung sprach VM-Chefredakteur Bernhard Rudolf mit Michael H. Heinz (im Bild), dem Präsidenten des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK). Heinz sieht in der Beratung gegen Provision etliche Vorteile für den Kunden. Sein Verband setzt sich für flexible Vergütungsmodelle ein.
Für die Honorarberatung spricht doch die Unabhängigkeit von den Provisionszahlungen durch Versicherer. Ist es nicht der beste Weg, als Makler die unangenehme Situation zu beenden, dass der Versicherer die Höhe der Provision kontrolliert?
Michael H. Heinz: Wir bezweifeln Ihre Annahme, dass den meisten Maklern die Situation "unangenehm" ist, dass der Versicherer die Provisionshöhe kontrolliert. Schließlich sind Versicherungsmakler nach der BGH-Rechtsprechung Sachwalter der Kunden, denen sie das jeweils beste Deckungskonzept aus den vorhandenen Marktangeboten vorstellen und sie dazu beraten müssen. Allein schon unter diesem Gesichtspunkt "kontrolliert" daher der Versicherer nicht die Provisionshöhe. Die Beratung der Makler darf sich demnach nicht nach der Courtagehöhe richten, weil sie im Lager der Kunden stehen und damit schon unter haftungsrechtlichen Erwägungen die Beratung ausschließlich am Kundenbedarf orientieren müssen.
Ist eine Beratung gegen Honorar nicht besser als gegen Provision, da diese die Finanzprodukte gerade in der Niedrigzinsphase verteuern?
Michael H. Heinz: So allgemein kann das nicht behauptet werden, denn es kommt auf die Höhe des Beratungshonorars an, das der Kunde zu zahlen hat. Die Provision wird hingegen nur bei Abschluss fällig. Sie beinhaltet zudem die nachvertragliche Beratung und Betreuung. Dagegen muss der Kunde bei der Honorarberatung jedes Mal für diese Dienstleistung ein gesondertes Honorar bezahlen.
Außerdem erhält der Kunde bei der Provisionsvermittlung nach dem VVG bei einer Vertragsstornierung einen angemessenen Rückkaufswert, der Vermittler haftet mit seiner Provision dafür. Bei der Honorarberatung wird dagegen das Honorar unabhängig vom Vertragsschluss fällig und bei einer Vertragsstornierung auch nicht anteilig zurückgezahlt.
Von aktuell 44 befragten Unternehmen bieten 17 Lebensversicherungsunternehmen, ein Krankenversicherer und drei Kompositversicherer eigens kalkulierte Netto-Tarife an. Wie sollen Honorarberater das Problem lösen, wenn es viel zu wenig Nettotarife im Markt gibt?
Michael H. Heinz: Wir möchten diesen Umstand als Berufsverband der selbstständigen Versicherungskaufleute nicht kommentieren. Schließlich müssen die Versicherer die Angebote an nettotarifierten Produkten verantworten.
Wie bewerten Sie ein Mischmodell aus Provisions- und Honorarberatung?
Michael H. Heinz: Der BVK hat sich bereits auf seiner Jahreshauptversammlung 2014 für flexible Vergütungsmodelle ausgesprochen: "Jeder Vermittler muss aus eigenem unternehmerischen Kalkül heraus die individuelle Entscheidung über eine Vergütungsform treffen können."
Positiv ist, dass gemäß § 34 d der Gewerbeordnung nach wie vor gilt, dass die einem Versicherungsmakler erteilte Erlaubnis die Befugnis umfasst, im gewerblichen Bereich bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen gegen gesondertes Entgelt rechtlich zu beraten.
Welche Kunden sind geeignet für eine Ansprache in Richtung Honorarberatung?
Michael H. Heinz: Das lässt sich so pauschal nicht beantworten. Kunden, die bereit sind für eine Beratung ohne einen möglichen Vertragsabschluss ein Honorar von 150 Euro und mehr die Stunde zu zahlen, können die Honorarberatung wählen. Die meisten Versicherten entscheiden sich jedoch für die bewährte Provisionsvermittlung. Die Provision wird erst dann fällig, wenn der tatsächliche Versicherungsschutz vertraglich fixiert wird. Kunden, die sich eine Honorarberatung nicht leisten können oder wollen, sind in einem provisionsorientierten System besser aufgehoben. Schließlich können sich die Kunden ganz auf den angemessenen und passenden Versicherungsschutz konzentrieren und müssen nicht vorab Honorarverhandlungen mit dem Berater führen.
Nach den britischen Erfahrungen mit der 2013 in Kraft getretenen Reform "Retail Distribution Review" gibt es eine Beratungslücke in Großbritannien – vor allem für Menschen mit geringem Einkommen oder geringem Anlagevermögen, die sich die Beratungshonorare nicht leisten können oder es schwer finden Zugang zu erhalten. Ist Honorarberatung also für die Breite der Bevölkerung ein Nachteil?
Michael H. Heinz: In der Tat sehen wir an den Erfahrungen aus Großbritannien, dass dort nach der Einführung des Provisionsverbotes die Nachfrage nach elementarem Versicherungsschutz eingebrochen ist. So wird die Honorarberatung eher von einkommensstarken Kunden in Anspruch genommen, die sich ohnehin gut absichern können. Daher setzen wir uns immer wieder für die seit Jahrzehnten bewährte Vermittlung auf Provisionsbasis ein, weil sie eine qualifizierte Beratung aller Kunden ermöglicht und im weitaus überwiegenden Maße in Deutschland favorisiert wird. Davon kündet auch das hohe Absicherungsniveau hierzulande.
In der aktuellen Mai-Ausgabe von Versicherungsmagazin beschäftigt sich die Titelgeschichte "Die richtige Balance finden" mit dem Thema Honorarberatung.
Autor(en): Bernhard Rudolf