Aktiven Gesundheitsschutz will nun auch ein Rückversicherer belohnen. Die notwendige App kann jeder Erstversicherer erhalten.
„Einen Monatsbeitrag Rabatt könnten Berufsunfähigkeits-Versicherte erhalten, wenn sie den Gesundheitsmanager nutzen“, erläuterte Barbara Ries, Bereichsleiterin bei der Deutsche Rückversicherung AG, auf dem virtuellen Messekongress „Kundenmanagement in Versicherungen“, den die Versicherungsforen Leipzig veranstalteten. Über die App des Kooperationspartners Yas.life können die täglichen Aktivitäten der Versicherten festgehalten werden. „Die Kunden können sich Sport-, Ernährungs- und Achtsamkeitsziele setzen, die der Versicherer dann belohnt“, erläuterte Ries.
Der Gesundheitsmanager wäre im Grundgedanken mit dem „Vitality“-Programm der Generali Versicherung vergleichbar. „Er ist aber deutlich weniger komplex und kostet kein Geld“, so Ries. Damit läge die Einstiegsschwelle für Kunden viel niedriger als beim Angebot der Generali. Die Versicherungsmanagerin machte deutlich, dass nicht nur öffentliche Versicherer das Angebot nutzen können. „Wir sprechen mit allen Assekuranzen.“
Sport hilft der Psyche
Entschlackt hat der Rückversicherer auch den Risikokatalog für die Berufsunfähigkeits-Versicherung. „Ganz viele Sportarten, die bisher zu einem Ausschluss oder Risikozuschlag führen, können nun ganz normal versichert werden“, erläuterte Ries. Die Analysten hätten nämlich festgestellt, dass die positiven Effekte aus der Bewegung und der Interaktivität mit anderen Menschen beim Sport höher zu bewerten sind, als das Unfallrisiko. Wer geselligen Sport treibt, würde viel seltener psychisch erkranken. Nur eine ganz kleine Liste von Extremsportarten werden künftig bei der Deutschen Rück nicht abgesichert, dazu gehöre beispielsweise Motor-Cross.
Kundenportale: Zentrale Vertriebsinstanz
Vor allem die Kundentreue war ein zentrales Thema der virtuellen Vertriebsmesse. Sie kann auch über digitale Tools hergestellt werden. Kundenportale sind künftig die zentrale Instanz für den Versicherungsvertrieb. Diese These vertritt Stefan Butzlaff, Geschäftsführer der Swiss Life Deutschland Vertriebsservice GmbH. „Wir sind noch nicht von Kundenportalen abhängig, wenn wir aber nicht in sie investieren, werden wir von der Kundenerwartung abgehängt“, warnte der Vertriebschef. Der Experte mahnte einen dringenden Strategiewechsel an. So würde die Swiss Life select mit ihrem Kundenportal Finanzcockpit gute Erfahrungen machen.
Das Portal sei längst die Schnittstelle zwischen der digitalen Verwaltung der Finanzen und dem analogen Berater geworden. Hier könnten die Versicherungsdokumente von 150 Versicherern verwaltet werden. Jederzeit könnten Stammdaten vom Kunden leicht geändert werden und würden dann dem Berater zur Verfügung stehen. Gleichzeitig entwickle sich das Portal als „Point of Help“, wenn es um Schäden gehe. „Die Kunden erhöhen dann ihre Nutzungsfrequenz und schauen sich das Schadentracking an.“ Auch Benefits durch Partner wären eine wichtige Leistung, um den Kundenkontakt zu erhöhen. „Es hat einen hohen Nutzen, wenn man dem Kunden mitteilen kann, dass er sein nächstes Auto günstiger leasen kann, weil er Teil einer Community ist“, so Butzlaff.
PSD2 ist noch problematisch
Sobald der Kunde ein anderes Finanzportal nutze, werde es immer schwieriger, die Kundenbindung aufrecht zu erhalten. Wichtig sei es, effektive Kontaktanlässe zu generieren. Hier habe die Versicherungsbranche ein großes Problem. „Wir darben an der Notwendigkeit des Kontaktes“, so Butzlaff. Er vergleicht die Kontaktlosigkeit in der Branche drastisch mit der Tatsache, dass niemand jeden Tag auf den Friedhof gehe, um zu prüfen, ob sich die Inschrift auf einem Grabstein geändert habe. Das Portal müsse zu einem Werkzeug werden.
Scharfe Kritik äußert der Vertriebsexperte gegenüber den Banken. So könnte die Zahlungsdienstrichtlinie PSD2 Vertrieben sehr gut helfen, sinnvolle Kontaktanlässe zu generieren. „PSD2 ist aber noch sehr fehleranfällig“, so Butzlaff. Bei einigen Banken sei die Abfrage und Auswertung von Kontodaten kein Problem, bei anderen sei dies deutlich erschwert, weil sie keine Kundenkontakte aus der Hand geben wollten. „Das reicht bis hin zur Sabotage“, urteilte der Versicherungsmanager.
Erkennen was der Kunde möchte
Nach Meinung von Butzlaff müssten zusätzlich die Versicherungsdaten systematisch ausgewertet werden. Da sei trotz Datenschutz viel mehr möglich. So müsse man vor einer Terminvereinbarung immer genau wissen, welchen Stand beispielsweise eine Fondspolice habe. Auch Dynamik, Rückkaufswert oder der Stichtag für die Erhöhung der Berufsunfähigkeits-Versicherung seien wichtige Daten, aus denen Termine generiert werden könnten. Gleiches gelte für den Moment, in dem die 3.000 Euro für ein geklautes E-Bike an den Kunden ausgezahlt würden. Das alles müsse aber in einem systematischen Impulsmanagement verarbeitet werden.
Neue Ideen, mit hohem Kundennutzen, sollten in einem agilen Prozess entwickelt werden. „Sie müssen dann den Nutzen immer wieder prüfen und notfalls ein Feature über Bord werfen, wenn es nicht funktioniert“, sagte Butzlaff. Neben individuellen Kampagnen, wie etwa den Kontakt nach einem Sturm, rät der Experte zur „heuristischen“ Auswertung soziodemografischer Daten. So könne man beispielsweise über das Alter, aus Riester-Policen und dem Wohnort ermitteln, ob eine Zielgruppe für die Finanzierung von Immobilien besonders empfänglich sei. Zudem geht der Vertriebsexperte davon aus, dass auch nach Corona rund 50 Prozent aller Beratungen per Video erledigt werden.
Vertrauen wieder wichtig
Die Corona-Krise könnte Vermittlern wieder einen stärkeren Kundenkontakt bescheren. Das zeigt eine Umfrage, die die Versicherungsforen Leipzig GmbH auf dem virtuellen Messekongress "Kundenmanagement in Versicherungen" veröffentlicht hat. Danach wollten sich 2019 lediglich 18 Prozent der Kunden bei Vermittlern oder Versicherungsmaklern über Altersvorsorge informieren. 2020 lag diese Zahl hingegen bei 27 Prozent. Doch auch Vergleichsportale haben mehr Zuspruch. Rund 30 Prozent der Kunden wollen sich hier über den Abschluss einer Extra-Rente schlau machen. Vorher lag diese Zahl bei 22 Prozent.
Trotzdem kommt Justus Lücke, Geschäftsführer der Versicherungsforen Leipzig, zu dem Schluss: „In unsicheren Zeiten gewinnt der persönliche Rat wieder besonders an Bedeutung.“ Das gilt nach seiner Einschätzung auch für Marken. „Da hat beispielsweise die Allianz einen großen Vorteil“, so Lücke. Denn wenn alles den „Bach runtergeht“, vertraue man auf bekannte Namen.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek