"Es gibt keine Alternative, wir müssen uns mit der Digitalisierung beschäftigen - hinterher werden wir amazoniger sein als vorher", sagte Andreas Buhr, CEO von der Buhr & Team Akademie, in seinem Keynote-Vortrag zur Kundenorientierung 4.0 auf der diesjährigen virtuellen 2. "Zukunftswerkstatt Sales Excellence - Mit Kundenorientierung zum Vertriebserfolg." Sie fand in Kooperation mit den Fachverbänden CDH und VDI wegen der aktuellen Corona-Krise per Webkonferenz statt.
Rund 70 Teilnehmer und ein Kreis versierter Vertriebsexperten aus Praxis, Beratung und Wissenschaft tauschten sich in Vorträgen, Workshops mit Live-Chat und einer virtuellen Diskussionsrunde über nachhaltige Konzepte für mehr Kundenorientierung und die neue Rolle des Verkäufers im Vertrieb aus.
Hardselling ist out
Verkaufsexperte Andreas Buhr skizzierte die Anforderungen, die nicht erst seit Corona in einer disruptiv veränderten Vertriebswelt zählen. So rät er beispielsweise, sich auf Bestandskunden und Kundenlisten "mit schlafenden und aktiven Kunden" zu konzentrieren, indirektes Empfehlungsmarketing zu betreiben und sich mit den hybriden Kaufwegen und dem überaus informierten Kunden intensiv zu beschäftigen.
"Es gibt heute fast kein Geheimwissen mehr, der Kunde ist selbst Experte. Das ändert alles", so Buhrs Fazit. Das bedeute für Verkäufer: "Jede Form von Hardselling ist vorbei." Verkäufer von heute müssten mit Empathie agieren, gute aktivierende Fragen stellen und Kunden dabei unterstützen, zu ihrer Entscheidung zu kommen.
Kunden wollen mehr Value
Im Zuge der gesteigerten Kundenorientierung im Verkauf und zunehmend digitaler Customer Journeys wird vor allem Mehrwert in der Kundenbeziehung im Customer Experience Management immer wichtiger. Professor Marco Schmäh, Vertriebswissenschaftler der ESB Business School Reutlingen, brachte die Entwicklung auf den Punkt: "Der Kunde will mehr Value, gerade am Kontaktpunkt." Einen wesentlichen Hebel für bessere Kundenorientierung sieht er im Orchestrieren der einzelnen Vertriebskanäle, die die Digitalisierung verstärkt hat: "Hier fehlt häufig die Verzahnung", so Schmäh.
Den Kunden in den Mittelpunkt zu rücken, ihm eine höchst personalisierte Kundenerfahrung zu verschaffen und ihn eher als Kind zu sehen, dem man jeden Schritt bis zum Kauf erklärt, forderte Livia Rainsberger, Geschäftsführerin Wissence, ein. Ihrer Erfahrung nach glaubt der B2B-Kunde von heute eigenständig zu sein, sei aber illoyal, ungeduldig und bequem. "Ignorieren Sie den Kunden, aber zeigen Sie ihm, dass Sie engagiert sind und er Sie für seine Entscheidungsfindung braucht", riet sie in der Zukunftswerkstatt Sales Excellence. Sie nannte Beispiele aus der Geschichte großer Unternehmen der vergangenen Jahre dafür, wie etliche Unternehmen den Wandel hin zum neuen Kunden verpasst hätten.
Kundenanforderungen sind gestiegen
Die interaktiven Workshops und die abschließende Live-Diskussion mit den Vertriebsexperten machten deutlich, dass vor allem die Kundenerwartungen an den Vertrieb erheblich gestiegen sind, etwa in Hinblick auf Serviceleistungen. Darin stecken viele Chancen für den Vertrieb, Käufer entlang ihrer Kundenreise mit Services zu begeistern. Das bestätigte etwa Moritz Mühlen von der Unternehmensberatung Horváth & Partner in einem von drei Workshops. Unternehmen falle es jedoch schwer, den wachsenden Kundenerwartungen gerecht zu werden. Beispiele dafür seien etwa Spotify oder die Lufthansa, die Kindern ihrer Ticket-Kunden keinen Zutritt zu ihren Lounges gewährte.
Eckhard Döpfer, Moderator des ersten Workshops und Hauptgeschäftsführer der Centralvereinigung Deutscher Wirtschaftsverbände für Handelsvermittlung und Vertrieb (CDH), betonte, exzellente Services könnten "ein ganz entscheidendes Alleinstellungsmerkmal sein, das zum Geschäftserfolg führt." Eine Live-Umfrage unter den Teilnehmern bestätigte, dass vor allem schnelle Reaktionszeit, Zuverlässigkeit, Qualitätssteigerung und Zuverlässigkeit des Vertriebs bei Kunden zur Begeisterung führen, wenn es um Service geht. Klaus Schulze, Geschäftsführer KSH-Ingtech GmbH, forderte eine Allianz zwischen Service- und Vertriebsabteilung. Beide Bereiche müssten zusammenarbeiten, nicht gegeneinander.
Vertriebsressourcen kommen auf den Prüfstand
Nicht zuletzt die Diskussionssrunde in der Zukunftswerkstatt Sales Excellence machte deutlich, dass auch Vertriebskräfte unter den neuen Vorzeichen der Corona-Krise auf den Prüfstand kommen werden. Matthias Huckemann vom Beratungshaus Mercuri International sieht das so: "Wir werden viel mehr schauen müssen, wo und wie wir Vertriebsressourcen einsetzen." Es gilt, den Wandel zu verstehen und die veränderte Rolle, die sich daraus für Verkäufer ergibt, anzunehmen. Eine wichtige Voraussetzung dafür nannte Thomas Conrad, Geschäftsführer Karl Schumacher GmbH Maschinenbau & Metallspritzwerk. Vertriebsführungskräfte dürften in diesem Prozess nicht zum bloßen Controller werden und Vertriebler müssten die nonverbalen Signale des Kunden verstehen.
Weitere Beiträge und aktuelle Expertenzitate zur Veranstaltung finden Sie den sozialen Medien, etwa auf Twitter, unter dem Hashtag #zukunftswerkstattsalesexcellence.
Autor(en): Eva-Susanne Krah