Damit Vertriebsanreize nicht die falschen Signale senden

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Das Institut für Versicherungswissenschaften e.V. an der Universität Leipzig hatte wieder zur Konferenz „Aktuelle Fragen des Versicherungsvertriebs“ geladen. Es war die zwölfte ihrer Art, aber nicht wie gewohnt in Köln, sondern der aktuellen Lage geschuldet rein digital.

„Vertriebsvergütung im Spannungsfeld zwischen Anreizmechanismus und Interessenkonflikten“ lautete der etwas sperrige Titel von Olaf Bläser, Vorstandsvorsitzender der Ergo Beratung und Vertrieb AG, auf der 12. Konferenz „Aktuelle Fragen des Versicherungsvertriebs“, via Zoom moderiert von Professor Dr. Fred Wagner vom Institut für Versicherungswissenschaften e.V. an der Universität Leipzig. Und auf welches Problem wollte Bläser in seinem Konferenzbeitrag hinweisen? Direktvertrieb und Vermittler sind meist konkurrierende Lager, die mit unterschiedlichen Preismodellen und Produktkategorien auf Kundensuche und -fang sind. Das führt nicht selten zu Spannungen zwischen den Vertriebswegen, zu Unmut und am Ende auch zu unproduktiven Prozessen.

Diese negative Entwicklung im Markt und im eignen Haus hat die Ergo dazu veranlasst, umzudenken und ein Konzept zu erarbeiten, bei dem Direktvertrieb und Vermittler gemeinsam die relevanten Märkte bearbeiten und zwar unter einer einheitlichen Marke, mit einheitlichen Produkten, im Sinne eines einheitlichen Kundenerlebnisses. So sollen und können die Kunden „Ergo aus einem Guss erleben“.

Gar nicht so leicht: Bloß weg vom Schmuddelimage

2007 erlangte der Versicherer Ergo traurige Berühmtheit, als 60 besonders erfolgreiche Vertriebsleute der Hamburg-Mannheimer besonders belohnt wurden und zwar mit einem Besuch im Budapester Gellert-Spa. Mit im warmen Thermalwasser: Prostituierte.

Die Ergo war damals sicher nicht der einzige Versicherer, der seine Vertriebler mit derartig schmuddeligen Incentive-Aktionen belohnte. Doch das Geschenk war besonders geschmacklos, bestimmte viele Monate die Schlagzeilen und schwingt bis heute, gute 14 Jahre nach dem Skandal, noch nach. Der Versicherer hat nach diesem Fehltritt nicht nur Besserung gelobt, sondern zugleich strenge Compliance-Richtlinien, sogar ein kompaktes Compliance-Management-System (CMS), eingeführt.

So wurde 2008 erst ein Verhaltenskodex für die Mitarbeiter eingeführt, das 2018 durch einen gruppenweit gültigen Verhaltenskodex der Munich Re ersetzt wurde. Und wohl nach dem Motto doppelt hält besser wurde dieses System noch durch spezielle Compliance-Regeln der Ergo ergänzt und konkretisiert. Seit 2011 gibt es zudem noch einen speziellen Verhaltenskodex für den selbstständigen Außendienst. Und für die bestehenden Arbeits- und Vermittlerverträge wurden verbindliche Kodizes entwickelt.

Zum Reputationsschutz sich doppelt und dreifach abgesichert

Und sollten diese doppelten und dreifachen Absicherungen nicht ausreichen, hat der Konzern noch eine „First Line of Defence“ eingeführt. Diese soll helfen, dass das Fehlverhalten von Mitarbeitern frühzeitig erkannt und gestoppt wird. Denn am Ende aller dieser Bemühungen stehen die Ziele, alle gesetzlichen sowie haftungsrechtlichen Vorgaben zu erfüllen, die Interessen der Kunden zu schützen sowie alle Haftungs-, Strafbarkeits- und Reputationsrisiken zu vermeiden. Denn ein Sex-Skandal wie damals in Budapest soll sich auf gar keinen Fall wiederholen.

Auch der GDV hat vor geraumer Zeit einen Verhaltenskodex für die Branche aufgelegt, auch hier ist die Ergo von der Partie, neben – aktuell – 201 weiteren Versicherungsunternehmen. Der GDV-Verhaltenskodex liefert in diesem Kontext elf grundlegende Leitsätze für Versicherungsvertriebe. Externe Wirtschaftsprüfer überprüfen regelmäßig, ob diese Grundsätze eingehalten werden. Besonders wichtig ist dem Düsseldorfer Versicherer der Hinweis, dass er sich kontinuierlich einer so genannten Wirksamkeitsprüfung dieser Wirtschaftsprüfer unterzieht und nicht nur einer bloßen Angemessenheitsprüfung. Laut Bläser legen die meisten Versicherer nur diese Prüfung ab. Bei der Wirksamkeitsprüfung wird direkt vor Ort geprüft, also zum Beispiel auch in den Regionaldirektionen, ob die Kodizes korrekt umgesetzt werden. Bläser ist stolz darauf, dass sein Haus sich dieser härteren Prüfung unterzieht und seine Vertriebsmannschaft diese Leitlinien „auch wirklich lebt und verinnerlicht hat“.

95 Prozent erfüllen die IDD-Anforderungen zur Weiterbildung

Doch was bei dieser Betrachtung nicht fehlen darf, ist der Vermittler und seine Beratungsfähigkeit. O-Ton Bläser: „Die Basis für eine gute Kundenberatung ist ein qualifizierter Vermittler“. Und dieser qualifizierte Vermittler müsse gut ausgebildet sein und bereit sein, sich stetig weiterzubilden. So hätten 95 Prozent der Ergo-Vertriebsmannschaft die IDD-Anforderungen zur Weiterbildung erfüllt, die restlichen fünf Prozent, die die Anforderungen nicht erfüllten, seinen entweder längerfristig krank oder kurz davor, aus dem Berufsleben auszuscheiden. Bläser sieht sein Haus hier als Positivbeispiel, denn die Vertriebler einiger Mitbewerber würden oftmals nur eine Quote von 60 Prozent erreichen.

An diesem Punkt hakte Professor kritisch nach und bemängelte, dass die Versicherer von ihrem eigentlichen Ziel, ihren Vermittlern eine Mindestzahl von 30 Weiterbildungsstunden abzuverlangen, zu schnell abgekommen und dem politischen Forderungskatalog nach nur 15 Weiterbildungsstunden zu schnell gefolgt seien.

Bläser steht voll und ganz hinter den Provisionen

Kritisch zeigt sich Wagner auch bezüglich der Abschlussprovisionen. Die jetzige Provisionspraxis sei gegenüber den Verbraucherschutzverbänden und den Endkunden nicht wirklich glaubhaft zu vertreten. Das knallharte Gegenargument von Bläser: „Abschlussprovisionen sind nach wie vor sinnvoll, denn eine gute Beratung ist aufwändig und kostet Zeit. Und erhöhter Aufwand sollte honoriert werden. Nur weil einigen politischen Stimmen Provisionen ein Dorn im Auge sind, sollten diese nicht abgeschafft werden. Sie sind richtig und ich stehe voll dahinter!“ 

Klar im Sinne des Kunden und des Verbraucherschutzes argumentierte der Ergo-Mann aber in einem anderen Punkt, bei der Gewichtung von Neu- und Bestandskunden. Der Tenor seiner Präsentation: „Die Vertriebsvergütung sollte so ausgestaltet sein, dass Vermittler ein besonderes Interesse an der Erhaltung ihres Bestandes haben, aber gleichzeitig die Neukundengewinnung nicht an Bedeutung verliert.“ Und wie kann dieser Spagat geschafft, alle Kunden adäquat betreut werden und der Verkaufsdruck nicht wieder zu falschen Reaktionen führt? Ein einheitliches Produktportfolio für alle Kanäle muss auf ein gutes Vergütungskonzept und auf aufgeklärte Vermittler treffen.

 

 

Autor(en): Meris Neininger

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