BU-Verkaufshilfe durch gesetzliche Rentenversicherer

Die Deutsche Rentenversicherung Bund sieht private Versicherer in der Pflicht gegen Altersarmut. Deren Präsident bricht überraschend eine Lanze für private Invaliditäts-Versicherungen und nennt weitere Ursachen für Altersarmut, die eine Steilvorlage für den Vertrieb sind.

BU-Verkaufshilfe durch gesetzliche Rentenversicherer
Ungewöhnlich kritisch hat sich Dr. Herbert Rische (siehe Foto) zu den künftigen Herausforderungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) geäußert. „Auch der niedrigste Beitragssatz ist noch zu hoch, wenn man dafür keine angemessene Gegenleistung erhält“, sagte der Präsident der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) auf einem Fachseminar in Berlin. Er verwies darauf, dass bei der GRV die Finanzierungs- und Leistungsseite stets im Zusammenhang zu sehen sei. Nicht zuletzt auf das Drängen der DRV habe der Gesetzgeber deshalb 2004 eine Obergrenze für den Beitragssatz festgeschrieben und zugleich eine Untergrenze für das Rentenniveau der GRV.



Dr. Herbert Rische, Präsident Deutsche Rentenversicherung Bund






Arbeitslose, Familien und Alleinerziehende stark betroffen

Altersarmut sei heute objektiv kein drängendes gesellschaftliches Problem. Aktuell ist der Anteil der Bezieher von Fürsorgeleistungen unter den älteren Menschen derzeit erheblich niedriger als im allgemeinen Bevölkerungsdurchschnitt. Nicht etwa ältere Menschen, sondern Langzeitarbeitslose, Familien mit mehreren Kindern und insbesondere auch Alleinerziehende sind heute diejenigen Gruppen, die in besonders starkem Maße von Armut betroffen sind. Altersarmut sei „eine befürchtete Entwicklung der nächsten zehn oder 20 Jahre“, so Rische, der zunächst für eine seriöse Problemanalyse eintritt. So zeige die aktuelle Statistik der „Grundsicherung im Alter und bei Invalidität“, dass rund 45 Prozent aufgrund vorzeitiger Invalidität bedürftig werden – also lange vor Vollendung des 65. Lebensjahres.

Völliges Fehlern einer Alterssicherung ist Hauptgrund
In der GRV würden dagegen nicht einmal zehn Prozent aller Renten wegen Erwerbsminderung gezahlt. Zudem steige diese Statistik, dass bei mehr als 50 Prozent aller Grundsicherungsbezieher die Grundsicherungsleistung überhaupt keine gesetzliche Rente aufstockt, sondern die Leistungsbezieher verfügen über keinerlei Rentenansprüche aus der GRV. „Nicht die zu niedrige Rente ist also mehrheitlich der Auslöser des Grundsicherungsbedarfes, sondern das völlige Fehlen einer Alterssicherung“, resümiert Rische. In vielen Fällen sei nicht eine zu geringe gesetzliche Rente Grund für Armut im Alter, „sondern das völlige oder weitgehende Fehlen einer Absicherung in bestimmten Phasen des Erwerbslebens“, meint Rische und fordert ein stärkeres Engagement privater Absicherung gegen Berufsunfähigkeit. „Die Privaten gehören mit ins Boot“, erklärt der DRV-Präsident, hält allerdings private BU-Zusätze zur GRV für unwahrscheinlich. Eventuell könnte ein Basistarif nach dem Modell der privaten Krankenversicherung die Lücke schließen, jedoch dann nicht nur für Besserverdiener.

Eine Ursachen adäquate Strategie sei zur Vermeidung von Altersarmut nötig. Rische würde da an mindestens vier Themenkomplexen ansetzen, „die derzeit bereits als Ursachen für eine erhöhtes Armutsrisiko im Alter zu erkennen sind“: Invalidität vor Erreichen des Rentenalters; unstetige Erwerbs- bzw. Versicherungsverläufe, Langzeitarbeitslosigkeit sowie langjährige Tätigkeit im Niedriglohnsektor. Dabei gab Rische beim Thema Invalidität als Armutsrisiko eine lupenreine Verkaufshilfe für die private Vorsorgeindustrie ab. Seit den jüngsten Rentenreformen orientiere sich das Alterssicherungssystem am Leitbild der Lebensstandardsicherung aus mehreren Säulen. „Um den zuvor erreichten Lebensstandard auch nach der Erwerbsphase aufrecht erhalten zu können, sind neben der gesetzlichen Rente im Regelfall zusätzliche Leistungen aus der zweiten und/oder dritten Säule erforderlich“, erklärte Rische, der damit der gesetzlichen Altersrente endgültig die Qualität als Vollversorgung nahm.

Mehrere Säulen der Alterssicherung notwendig
„Auch im Invaliditätsfall kann der zuvor erreichte Lebensstandard künftig nur dann annähernd aufrechterhalten werden, wenn neben der gesetzlichen Rente Leistungen aus der zweiten und dritten Säule bezogen werden“, sagte Rische. Dies sei aber deutlich schwieriger umzusetzen als im Bereich der Altersrente. Noch ist es vielen Versicherten unmöglich bzw. unbezahlbar, zusätzlichen privaten Invaliditätsschutz zu erwerben. „Im Rahmen einer ursachengerechten Strategie zur Vermeidung von Altersarmut sehe ich hier zunächst und in erster Linie die privaten und betrieblichen Einrichtungen in der Pflicht“, erklärte Rische. Er beruft sich dabei auf den Gesetzgeber, der den beiden anderen Säulen „bewusst ein größeres Gewicht im Gesamtsystem der Alterssicherung zugewiesen hat“. Dem „müssen sie nun gerecht werden“. „Ob dies realisierbar ist, bleibt abzuwarten“, gibt sich Rische skeptisch, der auch ein Obligatorium nicht ausschließen würde.

Autor(en): Detlef Pohl

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