Herbert Schneidemann, Vorstandsvorsitzender die Bayerische, startete seinen Vortrag über die „Bedeutung der Berufsunfähigkeitsversicherung“ bei der Konferenz „Aktuelle Entwicklungen in der Lebensversicherung“ des IfVW mit einem drastischen Beispiel. Ein junger Mann trainiert nach einer Querschnittslähmung so hart, bis er sich wieder einigermaßen bewegen kann, um sich dann umzubringen. Der Auslöser seiner Verzweiflungstat: das finanzielle Desaster, das durch seine Lähmung erfolgte und die Tatsache, dass er keine BU-Absicherung besaß.
Die indirekte Botschaft dahinter: Hätte dieser Mann über eine gute BU-Absicherung verfügt, hätte er sicher sein neues Leben mit der Querschnittlähmung angenommen und der neuen Lebenslage ihre positiven Seiten abgewonnen.
BU-Slogan der Bayerischen: "Damit noch was geht, wenn nichts mehr geht“
So wie Samuel Koch. Der damalige Student ist die aktuelle Werbe-Ikone für die BU-Absicherung der Bayerischen. Dieser erlangte durch einen missglückten Sprung in der Sendung „Wetten, dass …?“ zu trauriger Berühmtheit und ist seitdem vom Hals abwärts querschnittgelähmt. Heute wirbt Koch unter dem Slogan „Damit noch was geht, wenn nichts mehr geht“ für die Bayerische BU und möchte dazu anregen, sich möglichst früh abzusichern, so der Tenor des Versicherers.
„Es sind sich alle einig, selbst die Verbraucherschützer, dass die BU essentiell ist. Das zeigt auch die neutrale mediale Unterstützung dieser Problematik“, frohlockt Schneidemann und untermauert so die mediale Herangehensweise seines Hauses an dieses schwierige Thema.
Versicherer müssen kräftig wirbeln, um wahrgenommen zu werden
Und dass die Bayerische und deren Mitbewerber medial auftrumpfen müssen, um von den potenziellen Kunden, Maklern und Vergleichsportalen gehört und gesehen zu werden, veranschaulichte er mit branchenweiten Zahlen und hauseigenen Maßnahmen. So hätte sein Unternehmen in nur drei Monaten acht Komponenten seiner Produkte überarbeitet.
Die Details:
- neue Berufseinstufungen
- deutlicheres Leistungsversprechen, beispielsweise durch die Teilzeitklausel
- flexiblere Nachversicherungs- und Erweiterungsmöglichkeiten
- Möglichkeiten zu einer vereinfachten Risikoprüfung
- Grundsätzliche Leistungserweiterungen
- Vereinfachte Anerkenntnis im Leistungsfall
- Eine neue Fragestruktur in der Risikoprüfung und
- Ein vereinfachter Antrags- und Leistungsprozess.
All diese Modifikationen in sehr kurzer Zeit wären in einem so umkämpften Markt wie dem der BU-Absicherung unumgänglich.
Aktuelles "Rattenrennen" wirklich noch sinnvoll?
Doch ist dieses ständige optimieren, die Leistungen immer weiter auszubauen und den Produktpreis möglichst niedrig zu halten, wirklich sinnvoll? „Leider ist man als Anbieter sehr schnell austauschbar. So dass sich die Frage stellt, ob ein derartiges Rattenrennen wirklich sinnvoll ist“, lamentiert Schneidemann. Besonders bei den Maklern und Mehrfachagenten werde relativ schnell umgedeckt oder diese schlössen neue Verträge bei einem anderen Wettbewerber ab, der aktuell an der Spitze stehe und dessen Preis-Leistungsverhältnis besonders attraktiv anmute. „Also das Leistungsspektrum ist bei der BU ein maßgeblicher Attraktivitätsfaktor“, resümiert der BU-Fachmann.
Wie schwierig eine Abgrenzung zu den Wettbewerbern sei, zeige auch die jüngste Vergleichsstudie von Morgen & Morgen. Bei dieser wurden 525 Tarife miteinander verglichen. Und von diesen – von den Kunden kaum überschaubaren - 525 Tarifen erhielten 360 die Bestnote mit fünf Sternen. Also weit über die Hälfte der Tarife ist sehr gut. „Die Leistungsdichte im BU-Sektor ist heute sehr hoch und das Leistungsangebot und die Produktqualität wird von den Ratern auch überwiegend mit gut bis sehr gut bewertet. Dann ist es am Ende nur noch die Nuance, mit der man sich noch von der Konkurrenz abheben kann“, beklagt Schneidemann die aktuelle Lage.
Möglicher Weg aus der Misere: Versicherer werden zum Risikopartner und Dienstleister
Einen Ausweg aus der Misere sieht Schneidemann darin, „vom Versicherer zum Risikopartner und Dienstleister“ zu werden. Das bedeutet im Einzelnen: Der schnöde Datenverwalter wird zum datenbasierten Versicherer, der schwerfällige „Verwaltungsdinosaurier“ konzentriert sich nur noch auf Notwendiges, ein Kunde wird nicht nur nach Diagnosen eingestuft, sondern wird bei seiner Genesung unterstützt und der Risikobeurteiler wird zum Risikomanager, der zeigt, was zu versichern ist und was nicht.
Und wie sieht es mit der Leistungsquote aus, die zeigt, wann im BU-Fall wirklich Geld an den Kunden fließt? Im Markt und von den Rating-Agenturen würden aktuell Leistungsquoten von sechzig bis achtzig Prozent als gut erachtet. Doch was für den einen, sprich den Rater gut aussieht, ist für den Kunden schlecht, denn die Quote besagt eben auch, dass zwanzig bis 40 Prozent kein Geld erhalten. Dies liegt nach Einschätzung von Schneidemann in den meisten Fällen daran, dass die Kunden eine vorvertragliche Anzeigenpflichtverletzung begehen.
Noch Grundsätzliches zum Schluss:
Die BU ist das wichtigste Risikoprodukt in der Lebensversicherungssparte. 2019 konnte sie ein sehr starkes Wachstum verzeichnen. So konnte beispielsweise die Invaliditätsversicherung im vergangenen Jahr einen laufenden Beitrag von 532 Millionen Euro verbuchen. Und auch 2020 war die BU dasjenige Risikoprodukt, das im Vergleich zum Vorjahr den geringsten Rückgang verzeichnen musste (-0,3 Prozent), zum Beispiel im Vergleich zu den Pflegerentenversicherungen (-25,9 Prozent).
Autor(en): Meris Neininger