Die technische Unterstützung bei Beratung und Verkauf von Versicherungen hat eine wachsende Bedeutung, so die Meinung von Experten, die von der BISS GmbH befragt wurden. Manches könnte sich als Modererscheinung herausstellen – dagegen wird in Sachen Risikoprüfung möglicherweise ein jahrzehntealter Traum wahr.
Der Versicherungsvertrieb braucht Technik, darin sind sich im Prinzip zumindest die 45 von dem Technologieanbieter BISS GmbH (www.biss-net.com) befragten Vertriebs-, Marketing- und IT-Experten der Branche einig. Vor allem der zentrale Kundenservice der Versicherer und der Vertrieb müssen stärker verzahnt werden, sagen die Befragten nahezu einhellig. Auch Schnittstellen für andere Partner wie beispielsweise kooperierende Versicherer oder Pools haben eine erhebliche Bedeutung.
Schadenmeldung ja, Vertragsverwaltung eher nein
Das „Hype-Thema“ der letzten Jahre ist der Durchbruch der Smartphones, allen voran das iPhone von Apple. Dies weckt Fantasien, wie sich Beratung der Kunden durch Vermittler, Prozessintegrationen und die Selbstberatung der Kunden per mobiler Applikation (Apps) in Windeseile verbreiten lassen.
Diese Euphorie kühlt sich aber ab, wenn man die BISS-Studie „IT-Trends im Kundenmanagement 2013“ heranzieht. Zwar sehen 82 Prozent der Befragten Apps für die Kundenberatung als einen wichtigen Trend an, den die Branche beachten muss. Dagegen glauben nur 60 Prozent, dass sich Kunden selbst beraten wollen und entsprechende Endkunden-Apps nachfragen.
Zwei Drittel sehen eine wachsende Bedeutung der Apps für das Thema Schaden. Hier leuchtet der Nutzen einer schnellen und unkomplizierten Meldung durchaus ein. Eine Mehrheit der Befragten meint hingegen, dass die Kunden wohl kaum über ihr Handy ihre Verträge verwalten und andere CRM-Funktionen erhalten wollen. Auch für weitergehende Ideen scheint das Thema App ausgereizt zu sein.
Vor Ort über Annahmefähigkeit entscheiden
Einen wichtigen Trend sehen die Experten beim Thema Risikoprüfung am „Point of Sale“, also vor Ort beim Kunden. 82 Prozent bestätigen dies, was gegenüber einer allerdings nicht ganz vergleichbaren Vorjahresumfrage mit weniger Befragten eine deutliche Steigerung um rund 20 Prozentpunkte darstellt.
Die Nürnberger Lebensversicherung beispielsweise hat in diesem Bereich aktuell ein Expertensystem eingeführt, mit dem Vermittler vor Ort eine Risikoprüfung und -bewertung einschließlich Darstellung eventueller Risikozuschläge oder Leistungsausschlüsse in der Berufsunfähigkeitsversicherung durchführen können. Das System soll nach Aussagen der Gesellschaft denselben Umfang haben wie die Risikoprüfungssysteme des Innendienstes und damit weiter gehen als die bisher wenigen Wettbewerber, die auch bereits Risikoprüfungssysteme in ihre Beratungssoftware integrieren.
Auswirkungen auf Beratungsqualität und -prozess
Damit geht immerhin ein jahrzehntealter Traum in Erfüllung, die Risikoprüfung und -einstufung zu virtualisieren und dem Herrschaftswissen einzelner Mitarbeiter zu entreißen – einschließlich der vermuteten Subjektivität der Risikobewertung. Schon vor über 20 Jahren wurden so genannte Expertensysteme für die Krankenversicherung entwickelt und erwartet, dass sich diese schnell ausbreiten würden. Bemerkenswert ist die späte Öffnung des Zugangs zu solchen Systemen auch für die Verkäufer deshalb, weil dies eine Voraussetzung für eine Anhebung der Beratungsqualität darstellt und damit Änderungen im Verkaufsprozess nach sich zieht.
Denn während heute noch Verkäufer Personenversicherungsprodukte zu Tarifprämien anpreisen, die sich oft genug nach Risikoprüfung nicht halten lassen, was Enttäuschung der beratenen Kunden provoziert und den Verkaufserfolg gefährdet, könnte künftig anders verkauft werden. Die Beratung kann von vornherein die gesundheitliche Disposition des Kunden einbeziehen und realistische Angebote produzieren. Ob das auch wirksam den Anreiz senkt, bei den Gesundheitsfragen zu mogeln, um das Angebot zur Tarifprämie durchsetzen zu können, muss allerdings abgewartet werden. Möglicherweise ziehen die neuen technischen
Möglichkeiten auch neuen Schulungsbedarf nach sich.
Dokumentation wird zu wenig ernst genommen
Eher mäßig mit nur 60 Prozent Zustimmung ist die Einschätzung, welche Bedeutung die Qualitätssicherung und Dokumentation in der Kundenberatung und dem Verkauf aufweisen. Hier erkennt BISS sogar einen Rückgang der Bedeutung zum Vorjahr. Angesichts der immer deutlicheren Tendenz der Rechtsprechung, bei fehlender oder unvollständiger Beratungsdokumentation von einer nicht stattgefundenen Beratung auszugehen und damit faktisch eine Beweislastumkehr herbeizuführen, die den Vermittler beziehungsweise den Versicherer zumeist in Beweisnot bringen dürfte, ist diese Einschätzung schwer nachvollziehbar.
Auch die nicht abreißende öffentliche Kritik am Vertriebsgebaren der Branche müsste die Aufmerksamkeit stärker auf das Thema Beratungsqualität lenken, als es die Experten derzeit sehen.
Bild: @ Joachim Kirchner /
Autor(en): Matthias Beenken