Mit Förderung der gewerkschaftsnahen Hans Böckler-Stiftung hat das IGES Institut in einer ermittelt, wie viele Arbeitskräfte einem Umbau des gegenwärtigen Krankenversicherungssystems zum Opfer fallen würden. Dahinter steht die Zielsetzung vor allem der SPD sowie des Deutschen Gewerkschaftsbunds, das bisherige duale System aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung zugunsten eines einheitlichen, solidarischen Systems aufzulösen.
In einem im Wesentlichen auf Expertendiskussionen beruhenden Verfahren wurden vier Transferszenarien identifiziert, mit denen das Ziel erreicht werden soll. Denn eins ist klar: Ein radikaler Umbau ohne Übergangslösungen wird aus verschiedenen Gründen nicht möglich sein. "Die Fragestellung der vorliegenden Untersuchung lautet, wie Gestaltungsvarianten einer Bürgerversicherung unter dem Aspekt ihrer Beschäftigungswirkungen in den Krankenversicherungen zu bewerten sind", so die Autoren.
Vier Modelle
Ein Modell sieht vor, dass die private Krankenversicherung ihre Alterungsrückstellungen an die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) übertragen muss. Dabei könnte die PKV entweder gezwungen werden, das Neugeschäft einzustellen und müsste den Altversicherten erlauben, in die GKV zu wechseln, um nicht unabsehbaren Beitragsanpassungen ausgesetzt zu werden. In einer alternativen Variante könnte die PKV weiterhin Neugeschäft annehmen dürfen, muss aber dennoch einen Wechsel zur GKV zulassen.
Ein zweites Modell sieht einen systemübergreifenden Risikostrukturausgleich vor. Damit würde faktisch indirekt die GKV quersubventioniert und Vermögenswerte der Privatversicherten dorthin übertragen. Auch hier hat die Studie unterschiedliche Spielarten identifiziert, wie die künftige Rolle einer PKV in diesem Modell aussehen kann.
Das dritte Modell sieht eine "Systemkonvergenz" vor, PKV und GKV werden gewissermaßen zusammengeführt und können beide im Wettbewerb gegeneinander antreten. Das wäre wahrscheinlich dem holländischen Modell recht nahe, bei dem Krankenversicherer und Krankenkassen im Wettbewerb um denselben Basisschutz agieren.
Das vierte Modell knüpft wohl an Ideen der früheren Bundesgesundheitsministerin Schmidt an, das duale System zwar formell beizubehalten, aber die Systemgrenzen so zu verschieben, dass die Versicherten zunehmend der Bürgerversicherung zugeführt werden. Dazu soll die Versicherungspflichtgrenze auf die Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung (West) angehoben und die Wechselgrenze wieder von einer einjährigen auf eine mehrjährige Wartezeit angehoben werden.
Anzahl der Betroffenen zu konservativ eingeschätzt
Bei der Frage, wie sich diese Modelle auf die Beschäftigten auswirken, wurden keineswegs nur Angestellte, sondern auch die Vermittler berücksichtigt. Dazu wurde die Zahl der Beschäftigten auf 58.000 geschätzt, davon 42.500 in Versicherungsunternehmen und 15.500 in Vermittlerunternehmen. Als "selbstständige Versicherungsvermittler und -berater" werden "mind. 10.000" genannt.
Vermutlich sind damit nur die Vertreter der Krankenversicherer gezählt worden, nicht aber die insgesamt knapp 100.000 hauptberuflichen Vertreter und Makler in Gänze betrachtet worden. Denn alle Vermittler sind mal mehr, mal weniger auch von Einnahmen aus der PKV abhängig. Selbst ausgesprochen Lebens- und Schaden-/Unfallversicherungs-affine Vermittler werden zumindest einige Prozentanteile Provisionen aus dieser Sparte erzielen. Fallen diese weg, kann das angesichts der meist sehr niedrigen Gewinne Arbeitsplatzabbau oder sogar Marktaustritte von Vermittlern nach sich ziehen.
Erst trifft es den Vertrieb, dann den Innendienst
Auch bei den PKV-Beschäftigten ist fraglich, ob diese ganz allein betroffen wären. Denn die meisten Krankenversicherer sind in Konzerne eingebunden. Würde eine Konzernsparte gestrichen, hätte das auch Beschäftigungsauswirkungen auf die verbleibenden Konzernsparten, zum Beispiel was gemeinsam genutzt Stabsbereiche oder die Investitionssummen in den Vertriebsaufbau angeht.
IGES jedenfalls sieht insgesamt nur 68.000 Betroffene, die zudem zeitlich unterschiedlich verteilt ihren Job verlieren könnten. Zuerst würde es den Vertrieb und erst nachrangig Innendienstmitarbeiter treffen, die in der Leistungsregulierung oder Vertragsverwaltung arbeiten. Für den letztgenannten Innendienstbereich gehen die Autoren von einem Verhältnis von einer Arbeitsstelle zu 315 Kunden aus, das heißt je 315 verlorenen Kunden würde eine Planstelle abgebaut werden. Bei den Vermittlern geht man dagegen offenbar von einem schockartigen Effekt aus, der innerhalb der ersten drei bis vier Jahre zu einem vollständigen Arbeitsplatzverlust führt.
Zwischen einem Drittel und drei Viertel
Die Studie kommt zum Ergebnis, dass das Modell 1 das schwerwiegendste wäre. Hier gingen rund drei Viertel der Arbeitsplätze verloren. Mindestens aber wäre in allen Szenarien ein Drittel der Beschäftigten durch die Bürgerversicherung arbeitslos. Für eine Gewerkschaft ist es eine bemerkenswerte Haltung, diese Fakten sogar selbst durch eine Studie belegen zu lassen, aber dennoch der vermeintlichen Gerechtigkeit eines "Ein-" statt "Zwei-Klassen-Systems" das Wort zu reden.
Dabei könnten Gewerkschaften sich von ihren Mitgliedern erläutern lassen, was "Zwei-Klassen-Medizin" wirklich ist. So werden mittlerweile zunehmend Operationen wie die Methode Lasik und Behandlungen in der Türkei und in Osteuropa vorgenommen, um der deutschen GKV zu entgehen. Die zwei Klassen entstehen in Wahrheit erst dann, wenn ein Einheitssystem die Leistungen beschränkt und verteuert und die Mitglieder zwingt, mit dem Geldbeutel nach Lösungen außerhalb des Gesundheitssystem zu suchen. Entsprechend der Größe des Geldbeutels wird das einem Teil der Versicherten gelingen, einem anderen nicht.
In einem im Wesentlichen auf Expertendiskussionen beruhenden Verfahren wurden vier Transferszenarien identifiziert, mit denen das Ziel erreicht werden soll. Denn eins ist klar: Ein radikaler Umbau ohne Übergangslösungen wird aus verschiedenen Gründen nicht möglich sein. "Die Fragestellung der vorliegenden Untersuchung lautet, wie Gestaltungsvarianten einer Bürgerversicherung unter dem Aspekt ihrer Beschäftigungswirkungen in den Krankenversicherungen zu bewerten sind", so die Autoren.
Vier Modelle
Ein Modell sieht vor, dass die private Krankenversicherung ihre Alterungsrückstellungen an die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) übertragen muss. Dabei könnte die PKV entweder gezwungen werden, das Neugeschäft einzustellen und müsste den Altversicherten erlauben, in die GKV zu wechseln, um nicht unabsehbaren Beitragsanpassungen ausgesetzt zu werden. In einer alternativen Variante könnte die PKV weiterhin Neugeschäft annehmen dürfen, muss aber dennoch einen Wechsel zur GKV zulassen.
Ein zweites Modell sieht einen systemübergreifenden Risikostrukturausgleich vor. Damit würde faktisch indirekt die GKV quersubventioniert und Vermögenswerte der Privatversicherten dorthin übertragen. Auch hier hat die Studie unterschiedliche Spielarten identifiziert, wie die künftige Rolle einer PKV in diesem Modell aussehen kann.
Das dritte Modell sieht eine "Systemkonvergenz" vor, PKV und GKV werden gewissermaßen zusammengeführt und können beide im Wettbewerb gegeneinander antreten. Das wäre wahrscheinlich dem holländischen Modell recht nahe, bei dem Krankenversicherer und Krankenkassen im Wettbewerb um denselben Basisschutz agieren.
Das vierte Modell knüpft wohl an Ideen der früheren Bundesgesundheitsministerin Schmidt an, das duale System zwar formell beizubehalten, aber die Systemgrenzen so zu verschieben, dass die Versicherten zunehmend der Bürgerversicherung zugeführt werden. Dazu soll die Versicherungspflichtgrenze auf die Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung (West) angehoben und die Wechselgrenze wieder von einer einjährigen auf eine mehrjährige Wartezeit angehoben werden.
Anzahl der Betroffenen zu konservativ eingeschätzt
Bei der Frage, wie sich diese Modelle auf die Beschäftigten auswirken, wurden keineswegs nur Angestellte, sondern auch die Vermittler berücksichtigt. Dazu wurde die Zahl der Beschäftigten auf 58.000 geschätzt, davon 42.500 in Versicherungsunternehmen und 15.500 in Vermittlerunternehmen. Als "selbstständige Versicherungsvermittler und -berater" werden "mind. 10.000" genannt.
Vermutlich sind damit nur die Vertreter der Krankenversicherer gezählt worden, nicht aber die insgesamt knapp 100.000 hauptberuflichen Vertreter und Makler in Gänze betrachtet worden. Denn alle Vermittler sind mal mehr, mal weniger auch von Einnahmen aus der PKV abhängig. Selbst ausgesprochen Lebens- und Schaden-/Unfallversicherungs-affine Vermittler werden zumindest einige Prozentanteile Provisionen aus dieser Sparte erzielen. Fallen diese weg, kann das angesichts der meist sehr niedrigen Gewinne Arbeitsplatzabbau oder sogar Marktaustritte von Vermittlern nach sich ziehen.
Erst trifft es den Vertrieb, dann den Innendienst
Auch bei den PKV-Beschäftigten ist fraglich, ob diese ganz allein betroffen wären. Denn die meisten Krankenversicherer sind in Konzerne eingebunden. Würde eine Konzernsparte gestrichen, hätte das auch Beschäftigungsauswirkungen auf die verbleibenden Konzernsparten, zum Beispiel was gemeinsam genutzt Stabsbereiche oder die Investitionssummen in den Vertriebsaufbau angeht.
IGES jedenfalls sieht insgesamt nur 68.000 Betroffene, die zudem zeitlich unterschiedlich verteilt ihren Job verlieren könnten. Zuerst würde es den Vertrieb und erst nachrangig Innendienstmitarbeiter treffen, die in der Leistungsregulierung oder Vertragsverwaltung arbeiten. Für den letztgenannten Innendienstbereich gehen die Autoren von einem Verhältnis von einer Arbeitsstelle zu 315 Kunden aus, das heißt je 315 verlorenen Kunden würde eine Planstelle abgebaut werden. Bei den Vermittlern geht man dagegen offenbar von einem schockartigen Effekt aus, der innerhalb der ersten drei bis vier Jahre zu einem vollständigen Arbeitsplatzverlust führt.
Zwischen einem Drittel und drei Viertel
Die Studie kommt zum Ergebnis, dass das Modell 1 das schwerwiegendste wäre. Hier gingen rund drei Viertel der Arbeitsplätze verloren. Mindestens aber wäre in allen Szenarien ein Drittel der Beschäftigten durch die Bürgerversicherung arbeitslos. Für eine Gewerkschaft ist es eine bemerkenswerte Haltung, diese Fakten sogar selbst durch eine Studie belegen zu lassen, aber dennoch der vermeintlichen Gerechtigkeit eines "Ein-" statt "Zwei-Klassen-Systems" das Wort zu reden.
Dabei könnten Gewerkschaften sich von ihren Mitgliedern erläutern lassen, was "Zwei-Klassen-Medizin" wirklich ist. So werden mittlerweile zunehmend Operationen wie die Methode Lasik und Behandlungen in der Türkei und in Osteuropa vorgenommen, um der deutschen GKV zu entgehen. Die zwei Klassen entstehen in Wahrheit erst dann, wenn ein Einheitssystem die Leistungen beschränkt und verteuert und die Mitglieder zwingt, mit dem Geldbeutel nach Lösungen außerhalb des Gesundheitssystem zu suchen. Entsprechend der Größe des Geldbeutels wird das einem Teil der Versicherten gelingen, einem anderen nicht.
Autor(en): Mathhias Beenken