Bei der Jahreshauptversammlung des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) gab der Leiter der Versicherungsaufsicht erste Hinweise, wohin die Reise geht mit dem Versicherungsvertrieb. Staatssekretär Billen zeigte sich erstaunlich entgegenkommend gegenüber den Sorgen der Vermittler.
Der Versichererverband GDV, vertreten durch seinen scheidenden Präsidenten Alexander Erdland, und der Vermittlerverband BVK lieferten sich einen Schlagabtausch zum Thema Fernabsatz, bei dem die Versicherer die Fortschreibung der Ausnahme von allen Beratungs- und Dokumentationspflichten verlangen. Dem erteilten allerdings Gerd Billen, Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, eine klare Absage. Es gebe "einen breiten Konsens" der im Bundestag vertretenen Parteien, dass es keine Ausnahme vom Beratungsgebot in diesem Vertriebsweg geben soll.
Vermittler sollten sich digitalisieren
Das darf aber nicht als eine Absage an den digitalen Vertrieb missverstanden werden, dies wurde in der Podiumsdiskussion deutlich. Dass Verbraucher zunehmend im Internet Versicherungen kaufen, sei eine Tatsache, an der man nicht vorbeikommt, so Billen. Die Frage sei, wie sich Vermittler in Zeiten der Digitalisierung aufstellen. BVK-Präsident Michael Heinz bekannte, dass es hier Handlungsbedarf gebe, zeigte sich aber auch optimistisch, dass die Vermittler diese Herausforderung bestehen werden.
Das werden aber deutlich weniger Vermittler sein als früher. "Die Zeit der Hobbyberater neigt sich dem Ende zu", so der Staatssekretär und frühere Chef der Verbraucherzentralen. Auch Frank Grund, Exekutivdirektor der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und dort verantwortlich für die Beaufsichtigung der Versicherer, teilte diese Einschätzung.
Honorarberatung wird kein Erfolgsmodell
Deutlich skeptisch zeigte er sich dagegen, was die von Staatssekretär Billen beschworene Förderung der Honorarberatung durch deutlichere Unterschiede in deren Bezeichnung und eine klare Abgrenzung in deren Vergütung zu den Provisionen der Vermittler angeht. "700 Vermittler pro Honorarberater" sei das momentane Kräfteverhältnis zwischen den im Vermittlerregister eingetragenen Vermittlern und Versicherungsberatern. "Ob sich das verändert, muss man abwarten."
Eine andere Befürchtung äußerte Ulrich Neumann, Leiter des Maklervertriebs der Gothaer und Vizepräsident des Bundesverbands der Assekuranzführungskräfte. Er sieht eine "Oligopolisierung" im Gange bei den Maklerpools, weil die meisten Makler die hohen Aufwände in die Informationstechnik nicht mehr stemmen können.
Auch deutete Neumann an, dass er sich neben Vermittlern "als bevorzugten Ansprechpartnern" auch "Robo-Advisor" für den Absatz bestimmter Produkte vorstellen kann. Dabei seien Mischformen denkbar, bei denen auch klassische Vermittler mit solchen Werkzeugen Versicherungsvertrieb betreiben.
Förderung durch Verbot?
Die beiden Rechtswissenschaftler Peter Reiff und Christoph Brömmelmeyer kritisierten den von der Bundesregierung verfolgten Ansatz zur Förderung der Honorarberatung. So fragte Reiff rhetorisch, ob die Honorarberatung wirklich dadurch gestärkt werde, dass man sie den Maklern verbietet. Brömmelmeyer sprach in diesem Zusammenhang von „Etikettenschwindel“. Verfassungsrechtliche Bedenken äußerten beide dagegen nur zurückhaltend. Reiff legte sich lediglich darauf fest, dass ein Eingriff in laufende Honorarverträge bei Vermittlern und damit eine "echte Rückwärtswirkung" des Gesetzes unverhältnismäßig und daher möglicherweise verfassungswidrig sei. Billen zeigte sich in dieser Hinsicht unbeeindruckt. Man habe den Gesetzesvorschlag entsprechend geprüft und sehe einer Überprüfung durch das Verfassungsgericht entspannt entgegen.
Konsolidierungsphase angekündigt
Heinz zeigte sich abgesehen von der Honorarberatung grundsätzlich zufrieden mit dem Gesetzesvorschlag zur IDD-Umsetzung. Zwar sei das Gesetz eigentlich insgesamt überflüssig, weil die Masse der Vermittler in Mithaftung für einige wenige Vertriebe genommen würden, bei denen zudem die Versicherer verantwortlich seien für die dort vorgefallenen Provisionsexzesse. Er äußerte den dringenden Wunsch der Vermittlerschaft, dass es nicht nach der Bundestagswahl ein neues "Karussell" der Regulierungsvorschläge gibt.
Dem erteilte der bekennend zufriedene Kunde einer LVM-Ausschließlichkeitsagentur Billen eine Absage und bekannte sogar im Gegenteil, sein Ziel für die nächste Legislaturperiode sei, in eine Phase der „Konsolidierung“ einzutreten. Dabei sollte geprüft werden, was von den Regulierungsansätzen sich bewährt habe. Auch deutete er an, dass er etwas gegen die Informationsflut unternehmen will, die unter anderem nach der VVG-Reform entstanden ist, die aber den Verbrauchern nicht helfe. Allerdings werde die Restschuldversicherung ein besonderes Augenmerk in der nächsten Legislaturperiode erhalten, kündigte er an.
Britischen Verhältnissen erteilte er eine Absage, wonach nur noch die Reichen des Landes eine Beratung im Rahmen einer Vermögensverwaltung erhalten. Eine Antwort, wie man das verhindern kann, habe er aber auch noch nicht.
Enges Zeitfenster für neue Anreizsysteme
Auf die Frage nach der Haltung der Versicherungsaufsicht zur Vertriebssteuerung und Anreizgestaltung gab Bafin-Versicherungschef Grund einige wichtige Hinweise. So erwarte er von der Branche konstruktive Lösungen, um bei Anreizsystemen stärker qualitative Elemente wie beispielsweise Kundenzufriedenheit oder Stornoquoten aufzunehmen. Auch die absolute Höhe der Provision werde ins Visier genommen werden. Es könne aber auch über Dienstleistungsvergütungen nachgedacht werden, die einen angemessenen Aufwandsersatz liefern, deutete er an. Seine dagegen sehr klare Antwort auf die Frage, wie viel Zeit für die Anpassung der Provisionen und sonstigen Anreize bleibt, war: bis 23. Februar 2018.
Bezüglich des Aufsichtsregimes kündigte Grund an, dass sich die BaFin bald mit den Industrie- und Handelskammern abstimmen wollen, um zu einheitlichen Vorgehensweisen zu kommen. Grundsätzlich bleibe es aber erst einmal bei dem zweigeteilten System, wonach Versicherer und allenfalls indirekt Vermittler über die Versicherer durch die BaFin, ansonsten aber Vermittler mit Gewerbeerlaubnis im föderalen System der unter Landsaufsicht handelnden IHKn beaufsichtigt werden. Dass dies nicht optimal ist, machte auch ein Vertriebsvorstand in der Diskussion deutlich, nach dessen Aussage eine IHK selbst auf fünf Anschreiben, dass ein Vermittler erwiesenermaßen unzuverlässig sei, nicht reagiert und diesen aus dem Vermittlerregister ausgetragen habe.
Autor(en): Matthias Beenken