Das Urteil des Bundesgerichtshofs zur Erlaubnispflicht von Krankenkassen, die private Zusatzversicherungen vermitteln, macht einmal mehr deutlich, dass Deutschland eine wichtige Anforderung der Vermittlerrichtlinie bisher nicht zufriedenstellend umgesetzt hat. Darunter leiden diejenigen Vermittler, die sich an das Vermittlergesetz halten.
Die gültige EU-Vermittlerrichtlinie sieht in ihrem Artikel 7 Absatz 3 eine klare Regel vor, was die Erlaubnisbehörden für Versicherungsvermittler angeht. „Die zuständigen Behörden sind mit allen zur Erfüllung ihrer Aufgabe erforderlichen Befugnissen auszustatten. Gibt es in einem Mitgliedstaat mehrere zuständige Behörden, so sorgt der betreffende Mitgliedstaat dafür, dass diese eng zusammenarbeiten, damit sie ihre jeweiligen Aufgaben wirkungsvoll erfüllen können.“
Verteilte Verantwortung – "der andere" ist zuständig
Deutschland hat mehrere zuständige Behörden. Für Versicherungsvermittler mit Erlaubnis sind es die Industrie- und Handelskammern, für erlaubnisfreie gebundene Vertreter die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), und zwar mittelbar über die beaufsichtigten Versicherungsunternehmen. Schon hier hat es in der Vergangenheit oft geknirscht.
Beispielsweise als der Penny-Markt Ende 2007 ohne Gewerbeerlaubnis Rechtsschutzversicherungen anbot, sahen sich weder die zuständige IHK noch die BaFin in der Pflicht, einzuschreiten. Denn nach Lesart der IHK war Penny Tippgeber und damit kein von ihr zu beaufsichtigender Vermittler, nach Lesart der BaFin dagegen war derselbe Händler Vermittler und damit vermeintlich ein Fall für die IHK. Erst der AfW Bundesverband Finanzdienstleistung konnte mit einer – wettbewerbsrechtlichen – Klage für Klarheit sorgen und zumindest im Nachhinein die Wettbewerbswidrigkeit der Vermittlung ohne Erlaubnis feststellen lassen.
Es gibt eine ganze Reihe weiterer, dokumentierter Fälle, in denen keine der „zuständigen Behörden“ einschritt, wenn es klare Hinweise auf ein nicht mit dem Vermittlerrecht konformes Marktverhalten gab. Dazu gehören weitere Fälle der Vermittlung von Versicherungen ohne Erlaubnis durch Onlineshops von Einzelhändlern, Untätigkeit bei Assekuradeuren mit fälschlicher Maklererlaubnis oder Untätigkeit bei „Doppelagenten“ – von einem Versicherer als erlaubnisfreie (und nicht sachkundige) Vertreter eingetragene Untervertreter von Strukturvertrieben, die selbst dagegen als Makler oder als Mehrfachvertreter am Markt auftreten.
Kassenaufsicht hat kein Interesse an Regulierung
Doch offensichtlich besteht noch nicht einmal im Sinne des Artikels 7 der Vermittlerrichtlinie Klarheit darüber, welche Behörden überhaupt für die Vermittlung zuständig sind. Denn die Frage, ob Krankenkassen Versicherungsvermittler und als solche erlaubnispflichtig sind, wenn sie private Krankenzusatzversicherungen anbieten, steht ebenfalls bereits seit mehreren Jahren unerledigt im Raum. Die Oberbehörde der Krankenkassen ist das Bundesversicherungsamt, das dem Bundesgesundheitsministerium untersteht.
Dass dieses Amt kein Interesse daran hat, Krankenkassen neue regulatorische Bürden aufzuerlegen, kann man nachvollziehen. Dagegen scheint sich aber die BaFin, die dem Bundesfinanzministerium untersteht, bisher nicht durchgesetzt zu haben, wenn es denn überhaupt einen Versuch gab. Nun musste wieder erst ein Gericht – immerhin das höchste deutsche Zivilgericht – eine wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzung entscheiden, die erneut der AfW angestrengt hat.
Das Urteil lässt dagegen an Klarheit nicht zu wünschen übrig. „Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Endverbrauchern den Abschluss von Versicherungsverträgen mit privatwirtschaftlich organisierten Versicherungsunternehmen anzubieten, zu ermöglichen und/oder mit einem derartigen Angebot zu werben, wenn und solange die Beklagte nicht im Besitz einer Erlaubnis nach § 34d GewO ist, insbesondere wenn dies wie in dem nachstehend im Tatbestand wiedergegebenen Unterlassungsantrag des Klägers beschrieben geschieht.“
Gebot der Stunde: BaFin muss gegenüber Bundesversicherungsamt Position beziehen
Damit ist allerdings nur die Vermittlung von Zusatzversicherungen durch die AOK Nordost durch den BGH untersagt worden. Es ist nun dringend an der Zeit, dass die BaFin sich gegen das Bundesversicherungsamt durchsetzt und dafür sorgt, dass alle Krankenkassen die Vorgaben des Vermittlerrechts einhalten, wenn sie von der Vermittlung profitieren und mit anderen, erlaubtermaßen tätigen Vermittlern konkurrieren wollen. Dies ist ein Gebot der Fairness im Wettbewerb, aber auch ein Gebot des Schutzes der Verbraucher vor nicht sachkundigen Vermittlern.
Bei der Gelegenheit könnte die BaFin gleich noch mehr Mut zeigen und sich den Hut ganz generell für vermittlerrechtliche Fragestellungen aufsetzen, die einer generellen und nicht nur einer fallweisen Regelung durch einzelne IHKn bedarf. Themen dafür gibt es jedenfalls genug.
Bild: © Chris Beck /
Die gültige EU-Vermittlerrichtlinie sieht in ihrem Artikel 7 Absatz 3 eine klare Regel vor, was die Erlaubnisbehörden für Versicherungsvermittler angeht. „Die zuständigen Behörden sind mit allen zur Erfüllung ihrer Aufgabe erforderlichen Befugnissen auszustatten. Gibt es in einem Mitgliedstaat mehrere zuständige Behörden, so sorgt der betreffende Mitgliedstaat dafür, dass diese eng zusammenarbeiten, damit sie ihre jeweiligen Aufgaben wirkungsvoll erfüllen können.“
Verteilte Verantwortung – "der andere" ist zuständig
Deutschland hat mehrere zuständige Behörden. Für Versicherungsvermittler mit Erlaubnis sind es die Industrie- und Handelskammern, für erlaubnisfreie gebundene Vertreter die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), und zwar mittelbar über die beaufsichtigten Versicherungsunternehmen. Schon hier hat es in der Vergangenheit oft geknirscht.
Beispielsweise als der Penny-Markt Ende 2007 ohne Gewerbeerlaubnis Rechtsschutzversicherungen anbot, sahen sich weder die zuständige IHK noch die BaFin in der Pflicht, einzuschreiten. Denn nach Lesart der IHK war Penny Tippgeber und damit kein von ihr zu beaufsichtigender Vermittler, nach Lesart der BaFin dagegen war derselbe Händler Vermittler und damit vermeintlich ein Fall für die IHK. Erst der AfW Bundesverband Finanzdienstleistung konnte mit einer – wettbewerbsrechtlichen – Klage für Klarheit sorgen und zumindest im Nachhinein die Wettbewerbswidrigkeit der Vermittlung ohne Erlaubnis feststellen lassen.
Es gibt eine ganze Reihe weiterer, dokumentierter Fälle, in denen keine der „zuständigen Behörden“ einschritt, wenn es klare Hinweise auf ein nicht mit dem Vermittlerrecht konformes Marktverhalten gab. Dazu gehören weitere Fälle der Vermittlung von Versicherungen ohne Erlaubnis durch Onlineshops von Einzelhändlern, Untätigkeit bei Assekuradeuren mit fälschlicher Maklererlaubnis oder Untätigkeit bei „Doppelagenten“ – von einem Versicherer als erlaubnisfreie (und nicht sachkundige) Vertreter eingetragene Untervertreter von Strukturvertrieben, die selbst dagegen als Makler oder als Mehrfachvertreter am Markt auftreten.
Kassenaufsicht hat kein Interesse an Regulierung
Doch offensichtlich besteht noch nicht einmal im Sinne des Artikels 7 der Vermittlerrichtlinie Klarheit darüber, welche Behörden überhaupt für die Vermittlung zuständig sind. Denn die Frage, ob Krankenkassen Versicherungsvermittler und als solche erlaubnispflichtig sind, wenn sie private Krankenzusatzversicherungen anbieten, steht ebenfalls bereits seit mehreren Jahren unerledigt im Raum. Die Oberbehörde der Krankenkassen ist das Bundesversicherungsamt, das dem Bundesgesundheitsministerium untersteht.
Dass dieses Amt kein Interesse daran hat, Krankenkassen neue regulatorische Bürden aufzuerlegen, kann man nachvollziehen. Dagegen scheint sich aber die BaFin, die dem Bundesfinanzministerium untersteht, bisher nicht durchgesetzt zu haben, wenn es denn überhaupt einen Versuch gab. Nun musste wieder erst ein Gericht – immerhin das höchste deutsche Zivilgericht – eine wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzung entscheiden, die erneut der AfW angestrengt hat.
Das Urteil lässt dagegen an Klarheit nicht zu wünschen übrig. „Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Endverbrauchern den Abschluss von Versicherungsverträgen mit privatwirtschaftlich organisierten Versicherungsunternehmen anzubieten, zu ermöglichen und/oder mit einem derartigen Angebot zu werben, wenn und solange die Beklagte nicht im Besitz einer Erlaubnis nach § 34d GewO ist, insbesondere wenn dies wie in dem nachstehend im Tatbestand wiedergegebenen Unterlassungsantrag des Klägers beschrieben geschieht.“
Gebot der Stunde: BaFin muss gegenüber Bundesversicherungsamt Position beziehen
Damit ist allerdings nur die Vermittlung von Zusatzversicherungen durch die AOK Nordost durch den BGH untersagt worden. Es ist nun dringend an der Zeit, dass die BaFin sich gegen das Bundesversicherungsamt durchsetzt und dafür sorgt, dass alle Krankenkassen die Vorgaben des Vermittlerrechts einhalten, wenn sie von der Vermittlung profitieren und mit anderen, erlaubtermaßen tätigen Vermittlern konkurrieren wollen. Dies ist ein Gebot der Fairness im Wettbewerb, aber auch ein Gebot des Schutzes der Verbraucher vor nicht sachkundigen Vermittlern.
Bei der Gelegenheit könnte die BaFin gleich noch mehr Mut zeigen und sich den Hut ganz generell für vermittlerrechtliche Fragestellungen aufsetzen, die einer generellen und nicht nur einer fallweisen Regelung durch einzelne IHKn bedarf. Themen dafür gibt es jedenfalls genug.
Bild: © Chris Beck /
Autor(en): Matthias Beenken